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Geri Müllers Penis

Der Chef hat gesagt, ich solle hier schreiben, was ich sonst nicht schreiben könne. Deshalb habe ich beschlossen, nochmals über die Affäre Geri Müller zu schreiben. Und nein, das wird nicht langweilig. Es geht um Penis-Selfies und Vergewaltigungsphantasien. Und es geht um die Wahrheit über Sex. Über die hat nämlich in Sachen Müller noch niemand geschrieben.

Disclaimer: Ich kenne Geri Müller nicht und will mich hier weder über seine Politik noch über ihn als Politiker äussern. Aber niemand verdient eine derartige öffentliche Blossstellung. Man hat dem armen Mann die Hosen runtergezogen und Hinz und Kunz sind mit steifer Oberlippe vorbeigeschnüffelt, haben die Nase gerümpft und Liederlichkeit diagnostiziert, als hätten sie zwischen den Beinen keine Geschlechtsorgane sondern Blumensträusse.

Zunächst zu den Nacktselfies. Neulich, als ich wieder mal mit jemandem diskutierte und mich darüber ereiferte, dass hier jemand aus nichtigem Grund blossgestellt wurde, fragte mich mein Gegenüber: „Michèle, bist du etwa erpressbar? Also ich nicht.“ Ich sagte: „Keine Ahnung, ob ich erpressbar bin.“ Und dachte: Blöde Frage. Natürlich bin ich erpressbar! Wer denn nicht? man darf davon ausgehen, dass heute von jedem erwachsenem Menschen unter vierzig  kompromittierendes Material existiert. Und bei allen anderen würde sich mit genügend Böswilligkeit sicher auch genug Stoff für einen Skandal finden – und hoffentlich auch. Ein in jedem Moment unfehlbarer Mensch wäre mir jedenfalls unheimlicher als einer, der liebt und lebt und dabei auch mal einen Fehler macht.

Klar kann man sich fragen, was sich der Mann davon erhoffte, einer ihm fast unbekannten Frau das Bild seines Penis zu schicken. Aber warum eigentlich nicht? Männer neigen ihrem Geschlechtsorgan gegenüber ja oft zu grosser Sympathie, warum also sollte man ihn nicht fotografieren? Wem schadet das? Und was das betrifft, ist die wirklich interessante Frage in dieser Affäre ja ungeklärt: In welchem Zustand hat er ihn fotografiert? Und von welchem Format reden wir hier? Denn merke: Size matters, oh yes.

Dann die Kritik an der im Chat artikulierten Phantasie, die Sekretärin „könnte sich bedienen“, wenn sie zufälligerweise hereinspazieren würde. Das sei frauenfeindlich hiess es. Und dass die arme Frau wegen dieser ungeheuerlichen Phantasie jetzt traumatisiert sein könnte. Oje. Hätte er jetzt über eine wüste Gruppenvergewaltigung mit abschliessender Bukake-Orgie phantasiert, würde ich wohl zustimmen. Aber vielleicht wär da mal ein Realitätscheck angesagt. Was ich von Männern immer wieder zu hören bekomme ist folgendes: Wüssten die Frauen, was Männer den ganzen Tag in ihren Köpfen mit ihnen anstellen, und zwar besonders im Büro, dann würden sie nie mehr mit ihnen reden. Genau so, wie wahrscheinlich niemand mehr Freunde hätte, wenn er wüsste, was diese Freunde zuweilen über ihn denken. Das hat aber nichts mit schlechtem Charakter zu tun. Eher mit Hormonen. Schon in meiner bescheidenen Phantasie geht es um einiges härter ab als das, was Geri Müller da scheu artikulierte. Bin ich deswegen frauenfeindlich? Oder ist es nicht vielleicht einfach ein ganz normaler Teil der Sexualität?

Es gibt einen Grund, warum wir nicht in die Köpfe der anderen hineinsehen können. In meiner Phantasie kann ich den ganzen Tag brandschatzen und vergewaltigen – solange ich mich ansonsten sozialverträglich aufführe, geht das niemanden etwas an.  Entscheidend ist nicht, was man sich vorstellt. Sondern wie man handelt. Alles andere ist Gesinnungspolizei.

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Autor: Michèle Binswanger

Michèle Binswanger ist auf dem Land aufgewachsen und liebte Pferde. Dann studierte sie Philosophie und wäre fast Philosophin geworden. Aber weil ihre Kommilitonen immer so aussahen, als wären sie Jahre unabgestaubt im Schrank gestanden, erschien ihr das zu unglamourös. Also wurde sie Journalistin. Das ist zwar auch nicht viel glamouröser, aber der Job machte Spass. Die Phrasen, die sie in ihrem Job am häufigsten hört, sind: „Das ist aber mutig“. Und: „Ich bin zwar nicht immer gleicher Meinung, aber schreiben kannst du.“ Das würde sie auch unterschreiben.

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