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Zivilschutz für Dummies

Eine praktische Wegleitung mit 10 Regeln für angenehme Dienstjahre

Nach 20 geleisteten Zivilschutzdienstjahren und damit am Ende meiner Dienstpflicht angelangt, ist mein F-Sack (Effektensack) randvoll mit Erfahrungen, die es mir erlauben, einen Zivilschutz-Guide für nachfolgende Generationen zu verfassen. Genauer gesagt: Eine Anleitung für junge Männer, die ihren Dienst möglichst schadlos und mit geringstem Aufwand über sich ergehen lassen wollen.

Regel No. 1: Wiedererwägungsgesuch
Sind Sie top motiviert und können es kaum erwarten, sich an möglichst vielen Tagen ins olivgrüne Gewand zu stürzen, erübrigt sich die Lektüre für Sie. Dann sollten Sie sich bereits bei der Zivilschutz Aushebung in die erste Reihe stellen, eifrig Fragen stellen und sich interessiert zeigen. Fühlen Sie sich in bester physischer und psychischer Verfassung, sollten Sie möglicherweise ein Wiedererwägungsgesuch anstreben, vielleicht öffnet sich für Sie trotzdem noch ein Türchen bei der Armee, und Sie dürfen – trotz anderslautendem Bescheid – dennoch Militärdienst leisten. Alle anderen sind herzlich eingeladen, jetzt weiterzulesen.

Regel No. 2: Übereifer
Erwecken Sie nie den Eindruck, Sie seien eifrig, und packen Sie Aufgaben – und sind diese noch so klein – niemals zu enthusiastisch an. Sie geraten damit auf den Elite-Scout-Radar und laufen in Gefahr, ins Kader aufgenommen zu werden. Widerstand ist in einem solchen Falle zwecklos. Im unteren und mittleren Kader (Gruppenchef, Zugchef) werden Sie als Freiwild angesehen und bieten massenhaft Angriffsfläche, und zwar von Ranghöheren, wie auch von Rangtieferen. Im oberen Kader sitzt bereits einer, der nicht daran denkt, seinen Platz zu räumen, bevor er altershalber ausscheidet: der Zivilschutz-Kommandant. Aber mit ihm möchten Sie ohnehin nicht tauschen, denn Sie haben bestimmt noch andere Hobbys und einen Freundeskreis.

Regel No. 3: Arbeit
Suchen Sie nie die Arbeit, die Arbeit wird Sie schon finden. Wenn Sie nicht auf der Hut sind und sich nicht erfolgreich vor ihr zu verstecken wissen. Die unauffällige Tarnfarbe Ihrer Uniform lässt Sie zwar im Unterholz untertauchen, allerdings wird man Sie dank orangefarbenem T-Shirt und Streifen auf der Jacke früher oder später finden. Seien Sie also klug und kreativ in der Art und Weise, wie Sie sich vor drohenden Aufgaben drücken. Dieser Ratgeber hilft Ihnen dabei.

Regel No. 4: Gruppen
Auch wenn Sie im Alltag eher der Aussenseitertyp sind, schliessen Sie sich im Zivilschutz Gruppen an – je grösser, desto besser. Suchen Sie sich Ansammlungen mit Grossmäulern und Angebern aus. Hinter deren aufgeblähten Brustkörben finden Sie stets einen Schattenplatz, und wenn die Supertypen für einen Einsatz daherbefohlen werden, haben Sie unterdessen Ruhe. Zumindest für einen Moment. Ist Ihre Deckung aufgeflogen und weiterhin Arbeit vorhanden, sorgen Sie dafür, dass Sie beschäftigt aussehen. Am besten gelingt dies, wenn Sie dauernd in Bewegung sind. Nicht hektisch wie ein ADHS-Kind, sondern gemächlich aber kontinuierlich. Die Wirkung wird potenziert, wenn Sie dabei noch ein Gerät in Händen halten, beispielsweise in Form einer Schaufel oder einer Spitzhacke. Der Gruppenchef wird Sie dann nicht abkommandieren, weil Sie ja dann schliesslich an Ihrer „Baustelle“ fehlen würden.

Regel No. 5: Hosentaschen
Beliebte Opfer fürs Erledigen von Aufgaben jedwelcher Art sind diejenigen Soldaten (ja, so nennt man Sie jetzt auch als UT), welche ihre Hände in den Hosentaschen stecken haben. Sie wissen es: Wer in dieser Haltung herumsteht, leidet entweder unter einem Genitalinfekt, unter kalten Händen oder ist, und das wird im Zivilschutz nicht gerne gesehen, nicht mit einer Aufgabe betraut. Wenn Ihre ganze Gruppe mit den Händen in der Hosentasche rumsteht, können Sie sich nicht auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung verlassen und dabei davon ausgehen, dass Sie statistisch gesehen nicht an eine Arbeitsstelle beordert werden. Es wird immer wieder beobachtet, dass selbst 10 Mann zum Schieben einer Schubkarre abkommandiert werden, auch wenn dieses Gefährt von einem einzigen, schmächtigen Winzling mit seiner schwächeren Hand geschoben werden könnte – BLOSS, weil diese 10 Soldaten ihre Hände in den Hosentaschen hatten!

Regel No. 6: Handschuhe
Handschuhe machen Eindruck: Wer Handschuhe trägt, erledigt sehr wahrscheinlich gerade an eine wichtige, dringende und anstrengende Arbeit. Noch effektiver sind schmutzige Handschuhe. Behändigen Sie sich notfalls in ihrem Kameradenkreis eines solchen Paares. Der Beliehene wird zwar möglicherweise etwas irritiert reagieren, wenn er diesen Teil seiner Ausrüstung nicht mehr in der Ecke vorfindet, in welche er sie zuvor geschmissen hat. Er wird aber schnellstmöglich sein fünftes neues Paar aus der Handschuhkartonkiste nehmen – weil er schliesslich mit seinem Steuergeld dafür bezahlt hat. Und weil er nicht dafür gescholten werden will, dass er etwas verloren hat.

Regel No. 7: Schwitzen
In den Themenbereich ‚Nonverbale Kommunikation’ gehört auch das Schwitzen. Eine schweisstropfende Stirn lässt Ihren Vorgesetzten darauf schliessen, dass Sie sich gerade körperlich betätigt haben. Ergo schliesst er aus einer nicht verschwitzten Stirn, dass es Ihnen zu gut geht. Benetzen Sie sich also, sollten Uniform und Sonnenschein nicht zu natürlicher Transpiration führen, von Zeit zu Zeit Ihre Stirn. Zur Not kann dies auch mit Spucke erfolgen. Achten Sie jedoch darauf, dass diese klar und ohne Schleimrückstände ist und gleichmässig auf der Stirn verteilt wird. Alles andere könnte ein unerwünschtes Bild auf Sie werfen.

Regel No. 8: Ausreden
Hüten Sie sich vor Ausreden – es sei denn, diese werden von einem ärztlichen Zeugnis untermauert. Zu Beginn des Dienstes werden Sie jeweils nach Ihrer gesundheitlichen Verfassung befragt. Legen Sie jetzt eine ärztliche Bescheinigung darüber vor, dass Sie unmöglich am Dienst teilnehmen können. Dann können Sie zurück ins Bett oder wieder an Ihren Arbeitsplatz – je nach Schwere Ihrer körperlichen Beeinträchtigung. Ein schmerzverzerrtes Gesicht kann nicht schaden. Hüten Sie sich aber vor allzu theatralischen Darbietungen oder gar Weinkrämpfen. Schliesslich werden Sie in einem Jahr wieder aufgeboten, und man wird sich so mit Sicherheit an Sie erinnern. Alleine der Spruch „Ich kann das nicht, schliesslich bin ich untauglich!“ wird nicht zu Arbeitsbefreiung führen. Schliesslich sind alle Ihre Kameraden um Sie herum untauglich: Die Eishockey- und Fussballspieler, die Zimmermänner und Dachdecker, die Gärtner und Akkordmaurer aus dem Zug 1, genau so wie die Studenten, Pazifisten und seelischen Krüppel aus Zug 2.

Regel No. 9: Pausen
Während die bisherigen Zeilen möglicherweise eine überaus strenge Zivilschutzzeit suggerieren, ist ein Element sehr zentral und omnipräsent: Die Pause. Einerseits die aus der Öffentlichen Verwaltung, aber auch aus der richtigen Arbeitswelt bekannte halbstündige Znünipause, selbstverständlich die stündige Mittagspause und dann und wann die Zvieripause. Zwischendurch wir der Dienst aber auch immer wieder durch nicht eingeplante Pausen unterbrochen. Häufig dann, wenn Vorbereitung und Planung einer Übung mangelhaft waren und Transportfahrzeuge oder Werkzeuge fehlen. Das freut den Raucher, weil er dann völlig legal zum Glimmstängel greifen darf. Und den Nichtraucher, weil er jetzt wieder für eine Weile seine Hände ungestraft in die Hosentaschen steckt. Was verlockend klingt, wird – insbesondere für Soldaten aus der Privatwirtschaft, insbesondere die Selbständigen unter ihnen – auf Dauer etwas mühsam. Häufen sich diese Zwangsunterbrüche, denkt ein Normalsterblicher früher oder später daran, was er in dieser Zeit Gescheiteres würde erledigen können. Beamten fehlt dieses Bewusstsein, und sie stecken sich ohne zu maulen eine weitere Kippe an – oder die Hände wieder in die Hosentaschen.

Regel No. 10: Sold
Im Zivilschutz wird man nicht reich. Weder an Erfahrungen, noch finanziell. Auch nicht, wer eine Kaderfunktion inne hat. Der Sold für einen normalen Soldaten beträgt (nebst einem allfälligen Erwerbsausfallsbatzen) 5, für Kaderleute 10 Franken pro Tag. Hier hat seit dem ersten Weltkrieg kein Teuerungsausgleich stattgefunden. Was nicht weiter verwundert, weil bis vor rund drei Jahren das den Zivilschutzeinheiten zur Verfügung stehende Material ebenfalls aus dieser Zeit stammte. Jetzt hat man sich ausgefeilte neue Technik beschafft und dafür sehr viel Geld ausgegeben. Damit werden Teile der Arbeit erleichtert (beispielsweise das Starten eines Stromgeneratoren), mit der Schattenseite, dass der Sold mit grosser Wahrscheinlichkeit für weitere 100 Jahre nicht angehoben werden wird. Gehen Sie deshalb sparsam mit diesem bescheidenen Taschengeld um und heben Sie es auf. In 20 Dienstjahren bin ich damit auf rund 100 Franken gekommen, und das ist doch schliesslich ein stattlicher Betrag.

Ich hoffe, Sie für die noch rund 10-20 Jahre vor Ihnen liegenden Zivilschutz-Dienstpflicht gerüstet zu haben. Seien Sie insofern ermutigt, als dass sich durchaus auch schöne Momente ergeben. Das Abtreten nach den jeweils zwei Tage dauernden WKs war beispielsweise immer sehr bewegend und emotional für mich. Und auch der Russenzopf, der üblicherweise das Mittagessen abrundete, vermochte bei mir regelmässig die Glückshormone zu beflügeln. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Kameraden eine geruhsame Zeit.

Freundliche Grüsse
Rttg Pi Stiefel Pete im Ruhestand

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Autor: Pete Stiefel

Pete konnte pfeifen, bevor er der gesprochenen Sprache mächtig war – und an seinem ersten Schultag bereits schreiben. Trotzdem ist er da noch einige Jahre hingegangen. Danach schrieb und fotografierte er fürs Forecast Magazin, für Zürichs erstes Partyfoto-Portal stiefel.li, fürs 20 Minuten, MUSIQ, Q-Times, Party News, WORD Magazine, war Chefredaktor vom Heftli, lancierte das Usgang.ch Onlinemagazin – und er textete für Kilchspergers und von Rohrs Late Night Show Black’N’Blond und Giaccobo/Müller. Er trägt (vermutlich) keine Schuld daran, dass es die meisten dieser Formate mittlerweile nicht mehr gibt.

Irgendwann dazwischen gründete er in einer freien Minute seine eigene Kommunikationsagentur reihe13, die unterdessen seit weit über 13 Jahren besteht. Er ist mittlerweile in seiner zweiten Lebenshälfte, Mitinhaber vom Interior Design Laden Harrison Interiors, schrieb unterdessen Pointen für Giacobbo / Müller, Black 'n' Blond (mit Roman Kilchsperger und Chris von Rohr und irgendwann auf dem Planeten Kult gelandet. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein grosser Schritt für Pete.

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