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Mal einfach alles Scheisse sein lassen

Heute ist ein Arschlochtag. Mein Stolz und mein Herz sind gleichermassen angeknackst, die Leute sind grundlos unfreundlich zu mir, mein Tee ist ausgekippt (auch unfreundlich) und ich habe das Gefühl, dass kein Mensch und keine Menschin auf der Welt versteht, was ich fühle.

Schlicht: Falscher Fuss, Meitlitag, was über die Leber, Herzklemmen, Weltschmerz, PMS, Überlastung und –arbeitung, Schlafmanko. Schiessmichtot.

Ich stosse an solchen (seltenen) Tagen die Menschen dann auch oft vor den Kopf, weil die sich nicht gewohnt sind, dass ich unterkühlt oder kurz angebunden am Start bin. Dann sind sie bitz verwundert oder beleidigt und ich werde noch ein bisschen mieser drauf, weil ich das dann fast ein wenig unfair finde, weil mir ja auch mal das Herz wehtun darf. Bin ja kein Einfrauunterhaltungsprogramm. Zumindest nicht immer.

Lösungsvorschläge sind an Tagen wie diesem für die Katz. „Morn ischs wieder besser!“ DINI MUETER ISCH MORN WIEDER BESSER. „Du bisch eifach überarbeitet!“ DINI MUETER ISCH ÜBERARBEITET. „Muesch nur positiv dänke, weisch? Carpe diem.“ STIIIIIIIIRB! Sage ich natürlich so nicht. Ich sage eher etwas wie: “Grmljachweiss, schguet, lahmisii.“

Und deshalb habe ich gelernt, an solchen Tagen die Scheisse einfach mal Scheisse sein zu lassen – nein, die Scheisse fast ein bisschen zu zelebrieren. BRINGT MIR MEHR SCHEISSE! LOS! Bin dieses Jahr noch nie so richtig auf die Fresse geflogen: HEUTE IST DER ZEITPUNKT! Bring on the Bananeschaale! Oder wie wär‘s mit einem vergessenen Schlüssel? Wenn ich an einem Tag draussen in der Kälte stehen sollte, dann HEUTE! Ja, am besten stehe ich in meiner Stoffjacke  im Herbstregen draussen für drei Stunden, damit ich auch garantiert eine Lungenentzündung bekomme. BRINGT! MEHR! SCHEISSE!

Und dann, wenn ich an einem solchen Tag nach Hause komme, dann weine ich sehr sehr bitterlich und herzzerreissend für zwei bis drei Stunden. In meinem Herzlipischi und meinen Rentiersocken mit Stopperli dran, zusammengerollt unter meiner Wolldecke, die ich sehr kunstvoll mit meinem verlaufenen Mascara verschmiere und dann noch viel mehr weinen muss, weil das Scheissding nur von Hand gewaschen werden kann. Scheiss Designer-Wolldecke. Dummes Designopfer-Pony. Heul. Schluchz. Wein.

Um Mitternacht schleppe ich mich dann in mein Bett, meine Wolldecke wie ein Kleinkind hinter mir her ziehend, und heule da noch ein bisschen weiter. Wein. Wein. Heul. Schnudder.

Und irgendwann weichen die Bitterkeit und die Leere einer Art erleichterten Erschöpfung. Kennt Ihr das? Wenn man einfach fertig traurig ist für einen Tag und hundemüde? Dann schläft man ein und am nächsten Morgen ist tatsächlich einfach alles viel besser. Man sieht zwar aus wie wenn man zwei Monate gefoltert worden wäre und das Herz trägt noch ein Pfläschterli, aber alles ist schon wieder ein bisschen leichter.

So ist das mit den Scheisstagen. Embrace the shittiness! 

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Autor: Yonni Meyer

Yonni Meyer (*1982) wuchs dort auf, wo’s mehr Kühe als Menschen gibt. Und das war gut so. Kantonsschule in der Nordschweizer Provinz (Hopp Schafuuse). Studium im Welschland (Sprachen und Psychologie). Umzug an die Zürcher Langstrasse 2011. Seither konstant kulturgeschockt. Ende Juli 2013 Geburt des Facebook-Blogs „Pony M.“
September 2013 Einstieg bei KULT. Ab 2014 Aufbruch in die freelancerische Text-Landschaft der Schweiz. Meyer mag Blues. Meyer mag Kalifornien. Meyer mag Igel. Meyer mag Menschen. Manchmal.

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