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Macht Vollkornbrot Redakteure intelligenter?

Neulich, als ich gerade wieder einmal für einen investigativen Undercover Report in den abgründigen Tiefen des Internets recherchierte, sprang mich auf blick.ch die dramaturgisch geschickt formulierte Fragestellung «Macht Schnitzelbrot dick?» an. Zunächst einmal ein (diskretes) Lob an den Produzenten des Beitrags. Hier wurde geschickt auf die Knöpfe «Schuldgefühl», «Unzufrieden mit dem eigenen Körper», «Man gönnt sich ja sonst nichts» und «Fett Speichern für magere Zeiten, los jetzt!» gedrückt, um maximale Aufmerksamkeit zu generieren.

Und tatsächlich, wer schon den einen oder anderen Gesundheitsartikel gelesen hat und ein, zwei Jahre in der Schule war, würde berechtigterweise davon ausgehen können, dass hier für einmal nicht abgelutschte Binsenweisheiten für das Cast aus «Mitten im Leben» niedergeschrieben wären, sondern überraschende neue Erkenntnisse, die unsere über Jahre indoktrinierten Wertvorstellungen darüber, was gesund und was ungesund sei, in Sekunden über den Haufen werfen und unsere Lebensgewohnheiten radikal optimieren könnten. Zum Beispiel mit der Aussage: «Alles viel weniger schlimm als vermutet! Also weiteressen und geniessen!» Denn nur ein Artikel, der das Schnitzelbrot – mit bahnbrechenden wissenschaftlichen Fakten unterlegt – vom Generalverdacht des Cholesterinmassenmörders befreit, würde es verdienen, einen derart wertvollen Platz auf blick.ch (und damit wertvolle Sekunden unserer unbezahlbar kostbaren, endlichen Lebenszeit) zu erhalten.

So wäre es in einer perfekten Welt.

In der Welt aber, in der wir leben, steht im Artikel: «Das Sandwich alleine fällt kalorientechnisch zwar nicht allzu sehr ins Gewicht. Da es qualitativ jedoch oft nicht auftrumpfen kann (paniertes Schnitzel, Weissbrot, deftige Sauce und praktisch kein Gemüse), ist es dennoch nichts für die tägliche Verpflegung. Besser: Sandwiches mit Vollkornbrot, unpaniertem Fleisch, Käse und einer guten Gemüseeinlage sparen Kalorien und sättigen länger.»

… (dramaturgische Pause)

Aha. Die Blick-Redaktion traut ihren Lesern also nicht zu, dass sie etwas derart Banales wie «paniert ist pfui, Vollkorn aber hui» wissen. Und dafür haben wir alle je 150 Sekunden unserer Lebenszeit geopfert. Können wir die zurückhaben bitte? Ich nehme auch Bitcoins. Danke.

http://www.blick.ch/ratgeber/ernaehrung/fit-mit-blick-unter-der-lupe-macht-schnitzelbrot-dick-id3574687.html

Und hier preist das Schwesternblatt «Schweizer Illustrierte» die besten Schnitzelbrot-Rezepte an (das nennt man dann wohl Crossover-Kommunikation):

http://www.schweizer-illustrierte.ch/lifestyle/essen-und-trinken/einfach-lecker

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Autor: Henrik Petro

In den 90ern prägte Henrik als Moderator von Sputnik TV trotz seines Ostschweizer Dialektes die Erinnerungen der Partyjugend bis heute. Während mehrere Jahre war er Chefredaktor des gleichnamigen Magazins. Später schrieb er fürs Fernsehen (u.a. Chefautor von Dieter Moor und Rob Spence, eine Folge der SitCom "Fertig Luschtig") und produzierte auch (u.a. 150 Folgen von "Der Scharmör"). Er war die ersten Jahre von Radio Street Parade Musikchef und war dann später einige Jahre Autojournalist.

Arbeitet heute hauptberuflich als Frauenversteher, aber da er von seinen Freundinnen, BFFs, Kolleginnen und wem er sonst noch sein epiliertes Ohr leiht, kein Geld dafür verlangen kann, dass sie ihm ihre Männerprobleme in allen Details schildern, arbeitet er zusätzlich noch gegen Entgelt als Chefredaktor in einem Fachverlag. Damit sein Hirn unter dieser Belastung (und wegen Handy-Antennen) nicht explodiert oder eine Selbstlobotomie durchführt (was ihm zwar die Aufmerksamkeit von Gunter von Hagen garantieren und somit zur Unsterblichkeit verhelfen würde), schreibt er Kolumnen für kult. Am liebsten über menschliche Begegnungen. Oder überhaupt über Menschen. Oder darüber, was Menschen so tun. Oder getan haben. Oder tun könnten. Oder sagen. Oder gesagt haben. Oder sagen könnten.

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