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Interview mit einer Sängerin / Songwriterin

Tamara Balsamo, Künstlername TARIAH, ist Zürcherin, 26 Jahre jung und macht seit zwei Jahren Musik. Gerade erschien ihr erstes Album „Express Yourself“, das auf Anhieb auf Platz 1 der Schweizer Rnb / Soul Charts landete. Zuletzt hat sie mit dem Sänger Lenny Harold der R&B Gruppe Blackstreet den Song „LOVE“ aufgenommen. Ihre Musik nennt sie Medizin ohne Nebenwirkungen. Wir waren bei ihr zu Hause und sprachen stundenlang über so Vieles, vor allem aber über Schicksalsschläge, „Sex Sells“ und die Bedeutung von Musik.

 

Was möchtest du mit deiner Musik erreichen?

Mein Ziel ist es mit so vielen Menschen wie möglich in Verbindung zu treten. Ihnen statt starker Medikamente und Antidepressiva, Musik als Heilmittel zu geben. Meine Songs handeln spezifisch von schwierigen Situationen und sollen Mut machen Eigeninitiative zu ergreifen, nicht in Selbstmitleid zu versinken und die Zeit bestmöglich zu nutzen, egal wie viel man davon noch übrig hat. Ganz ehrlich, ich möchte den Leuten helfen und gleichzeitig meine grösste Leidenschaft ausleben. Ich fühle mich frei und lebendig, wenn ich Musik machen kann.

Erzähl mir etwas über dein neues Album.

Es war mir wichtig Lieder mit einer Message zu machen, sodass die Zuhörer in schwierigen Lebenssituationen Zugang finden und Lösungen für ihr Problem entdecken. Ich überlegte mir, welche Themen hilfreich sein könnten. Es war mir wichtig so authentisch wie möglich zu sein und meine ganz persönlichen Erfahrungen einzubringen – auch als Therapie für mich selbst. Ich bin zwar jung, doch kam auch ich schon an den Punkt, an dem ich dachte, dass es keinen Ausweg gibt. Im Booklet der CD finden sich Mut machende Zeilen von mir, die jeweils zwei Songs aneinander ketten und so zu einer ganzheitlichen Geschichte werden. Mein Name auf der Vorderseite ist verbunden durch eine Lebenslinie mit dem Mikrofon auf der Rückseite. Die Lebenslinie symbolisiert die Hochs und Tiefs des Lebens.

Warum sind dir Opfer so wichtig?

Weil fast jeder von uns schon in der Lage war, in der er sich hilflos gefühlt hat und Opfer wurde. Ich zum Beispiel wurde als Kindergartenkind sexuell belästigt. Das Lied „Victims“ handelt von sexueller Belästigung, davon, wie wichtig es ist sich mitzuteilen und sich nicht zu schämen für Geschehnisse, zu denen man nicht beigetragen hat. Auch wie wichtig es ist für das Umfeld nachzufragen, wenn etwas suspekt erscheint. Eine Strophe geht so: „Talk about it, break the silence of abuse…“ Solche Erlebnisse prägen dich, du wirst sie nie vergessen, doch du lernst damit umzugehen. Rückgängig machen können wir nichts. Aber: Wir können unser Leben in die Hand nehmen und die Opferrolle ablegen. „No matter how bad your situation may be, there is always a solution…“

Du warst auch im Sommer 2014 Opfer als du einen schweren Autounfall hattest.

Ich brauchte ein Jahr lang Therapien, bis ich wieder am Stück sitzen und 100% arbeiten konnte. Ich hatte solche Schmerzen, dass ich zu Beginn sogar mit dem Kopf auf den Tisch gelegt essen musste. Meine Muskulatur war praktisch nicht mehr funktionsfähig. Ich fühlte mich nutzlos und schrecklich und brauchte lange um zu akzeptieren, dass mein Körper Ruhe braucht… dass alles einen Sinn hat. Bevor der Unfall passierte, hatte ich eine Phase, in der ich unglaublich viele Überstunden machte und mich völlig verausgabte. Das war mein Denkzettel. Es war eine gute Erfahrung, weil ich mich, meinen Körper und meine Grenzen kennenlernte.

Wie hast du diese negativen Gefühle kompensiert? Manche fressen, manche saufen, manche shoppen, manche verreisen ständig.

Ich begann Texte zu schreiben und ging ins Studio sobald ich konnte. Ich hatte wieder ein Ziel vor Augen. Vor allem aber hatte ich endlich Zeit um nachzudenken und kreativ zu sein. Dafür bin ich sehr dankbar.

 

 

Was ist für dich schwierig am Musik Machen?

Ich hatte am Anfang unglaubliche Angst vor Auftritten. Ich investierte viel Arbeit und doch vermochte ein negativer Kommentar alles zu zerstören. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich nie auftreten müssen. Aber dann hinterfragte ich mich, was eigentlich das Ziel meiner Musik ist. Ich möchte den Menschen in erster Linie ein Geschenk geben und da ist es nun mal wichtig live aufzutreten und Emotionen rüber zu bringen. Die Angst nicht zu gefallen musste ich abzulegen lernen. Was ich tue kommt von Herzen und hat eine ehrliche Intention dahinter. Ich stehe zu 100% hinter meiner Musik und bin offen für konstruktive Kritik. Alles andere ist Geschmacksache. Und das ist in Ordnung.

Viel Haut zeigen ist nicht so dein Ding, gell.

Richtig. Ich muss nicht viel Haut zeigen, um Erfolg zu haben. Ich will nicht diesem „Sex Sells“ Druck nachgeben. Mein Fokus liegt auf den Texten und der Musik und nicht auf meinem Körper. Die Produzenten / Regisseure stimmen mir da nicht immer zu. Ich möchte feminin sein, aber nie billig, ich sage was mit meinem Körper wie gemacht wird. Und ich mache nun mal nichts, wozu ich nicht stehen kann.

Ist sich ausziehen denn schlimm?

Überhaupt nicht. Jede Frau sollte vollen Stolzes mit ihrem Körper machen was sie möchte. Ich verurteile nicht. Es kommt aber darauf an, was das Ziel ist und welche Message man rüberbringen will. Will ich primär angesehen werden oder gehört werden? Wie will ich identifiziert werden? Ich will einfach nicht, dass man zuerst meinen Popo sieht und dann erst die Lyrics hört, sondern umgekehrt.

Was, wenn dir Produzenten oder Regisseure versichern, dass du deinem grossen Ziel, Millionen Menschen zu erreichen, näher kommst, wenn du dich nur ein wenig freizügiger gibst.

Klares Nein. Ich finde einen anderen Weg und beweise, dass man davon wegkommen kann. Es geht zwar länger, aber ich schaffe es.

Wo ich auch grosse Augen mache, ist bei so übersexualisierten Kindern und Teenagern wie Ariana Grande und Selena Gomez. Die sehen wie Kinder aus, sind gerade 18 geworden und räkeln sich dann lasziv auf Bettlaken und singen davon, dass sie gut zu uns sein wollen. 

Ja. Kinder schauen zu ihnen hinauf und sehen ein Ideal, dass sie dann imitieren. Ich will zeigen, dass es nicht so, wie in den Medien vermittelt, sein muss. Man muss nicht diesem bestimmten Bild entsprechen um wahrgenommen zu werden.

 

In der Schweiz ist es ja nicht unbedingt leicht Musik zu machen. Es gibt zu wenig Förderung der Musikkultur, wenig Sponsoring, zu wenige Möglichkeiten für Gigs in Clubs. In Bern ist es besser, aber Zürich ist echt eine Wüste diesbezüglich. Talente sind da, aber sie können sich fast nicht ausdrücken.

Es ist nicht schwierig Musik zu machen. Für wenig Geld kommt man an Equipment und kann dann auf Youtube, Facebook, Instagram, etc. loslegen. Aber das Verkaufen seiner Musik hier, das Geld Verdienen ist nicht einfach, weil der Markt winzig ist. Wenn man kein Vitamin B hat wird es zu einer kostspieligen Sache, bis einen die Zuhörer kennen. Man wird nicht gebucht, wenn man keine Referenzen hat. Man muss halt auch viele kleine Gigs spielen. Ich spiele oft an Events und Hochzeiten. Man muss sich den Arsch aufreissen und dran bleiben.

Du arbeitest noch 100% bei einer Rückversicherungsgesellschaft im HR und bist oft unterwegs an Events, hast Auftritte, in den Ferien drehst du Videos und machst Promo. Dein Verlobter „Swissivory“ (www.swissivory.com) hat mir erzählt, dass ihr letzthin sechs Stunden nach Frankreich hin und zurück gefahren seid an einem Tag. Wie macht man das ohne zu kollabieren?

Musik ist mein Geheimrezept. Sie gibt mir alles, was ich brauche, ich tanke mit ihr meine Energie. Es fühlt sich nicht wie Arbeit an, gibt mir Glücksgefühle. Jeder hat sein Hobby oder seine Leidenschaft, bei der er seinen Kopf lüften und herunterkommen kann. Meine ist halt zeitaufwändiger.

Ich bewundere, wie dynamisch, voller Leidenschaft unterstützend du und dein Verlobter und gleichzeitig Produzent und Manager als Paar zusammenarbeitet, gibt’s da auch Schwierigkeiten? Bei mir und meinem Mann war es so, dass wir die ersten Monate der Zusammenarbeit immer wieder Diskussionen hatten, bis wir uns irgendwann gefunden haben. Eng zusammenleben und eng zusammenarbeiten ist nicht einfach, die Distanz fehlt.

Ja. Ich bin eine temperamentvolle Person mit einem teilweise fordernden Ton. Ich musste lernen mich auszudrücken. Es ist wie in der Musik: Am Anfang kannst du nicht herauskristallisieren was dir an einem Lied nicht gefällt. Doch mit der Zeit wirst du feinfühliger, erfahrener. So ist es doch auch mit dem mündlichen Ausdruck. Man muss sich richtig artikulieren und beschreiben, um Missverständnissen vorzubeugen. Man darf nichts erwarten, ohne danach zu fragen.

 

www.TariahMusic.com

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Album “Express Yourself”

Online:
iTunes / iGroove

Physich:
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Autor: Jelena Keller

Jelena ist von Beruf Journalistin und Sprachlehrerin, Schweizerin serbischer Abstammung. Sie mag lange Texte und langes Grübeln. Sie hat sich daran gewöhnt zu viel zu denken und zu wenig zu schlafen. Wenn sie gar kein Auge zumachen konnte sieht sie die Welt nüchtern und in einem Grauton. Wenn sie ausgeschlafen hat, wandert sie mit ihrem Hund auf grüne Berge, durch bunte Blumenwiesen und rosa Weizenfelder. Schreibt auch mal Gedichte und Kurzgeschichten, reist am liebsten um die Welt und probiert Neues aus. Sie meint tatsächlich, dass sich alle Probleme lösen liessen, wenn man sich nur ab und zu in die Lage des Gegenübers versetzen könnte. Walk in my shoes und so. Trotzdem versteht sie manche Menschen nicht. Die, die sich vor dem Leben und dem Tod fürchten und andere verurteilen. Aber von den meisten anderen denkt sie, sie seien alle Freunde, die sie bloss noch nicht kennengelernt hat.

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