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ich lasse niemanden barfuss in meiner wohnung rumlaufen! nicht einmal nackte damen!!

Und dann plötzlich kamen die Sterne hervor. Sie leuchteten am Nachthimmel meines Bewusstseins. Kein Wunder, hatte ich mir doch soeben einen meiner Zehennägel heftig an der Türschwelle angeschlagen, entzweigeschlagen. Ich kannte das Problem mit der Türschwelle schon seit vielen Jahren. Eigentlich hatte ich ja gedacht, dass ich die Vermeidung dieser Falle felsenfest in mein inneres System integriert hätte.

Doch da klaffte sie nun hässlich, höhnisch und blutete mächtig, am grossen Zehennagel meines linken Fusses, eine frisch geschlagene Spalte. Tief wie der Krater des Vesuv. Der Schreck… Der Schmerz…

„Nimm immer einen grossen Schritt, wenn Du das Aquariumszimmer betreten musst“, zu Anfang, nach meinem Einzug in die Wohnung, vor über 30 Jahren, und meinen ersten schmerzhaften Begegnungen mit dem gemeinen Stück Schwellenholz, hatte ich mir diesen Merksatz immer wieder vorgesagt. Ein Alltags-Mantra. „Wenn Du immer daran denkst, wird die Vermeidung der Schwelle zu einer tief verwurzelten Gewohnheit“, sagte ich mir zudem.

Meine Gäste pflegte ich immerzu und unermüdlich vor der Schwellen-Gefahr zu warnen.

Obwohl sie alle immer Schuhe getragen haben. Denn ich lasse niemanden barfuss in meiner Wohnung rumlaufen! Nicht einmal nackte Damen!!

Doch diese vermaledeite Türschwelle stellt – über ihr Potenzial für das Zehennägel-Spalten hinaus – halt auch eine veritable Stolpergefahr für Beschuhte dar, die keineswegs zu unterschätzen ist. Und sie wissen ja: Stürze gehören ganz im Allgemeinen zu den häufigsten und schlimmsten Unfällen in unserer hochprozentig zivilisierten Epoche. Ich selbst bin über diese Schwelle allerdings nie gestolpert, die Putzfrau hat’s jedoch mal brutal hingelegt.

Sie war natürlich vollständig bekleidet, nicht bloss Schuhe.
Sooo seltsam bin ich dann doch wieder nicht!

Ich habe ihr dann selbstverständlich unerbittliche Vorwürfe gemacht. Ich hätte ihr ja mehrmals nachdrücklich von der Schwellenfalle unter der Türe berichtet, sagte ich, vor Wut zitternd. Ein erwachsener Mensch müsse in solchen Fällen Verantwortung tragen können. Ich sei meiner Informationspflicht bezüglich der Schwelle nachgekommen, sie aber habe ihre Vorsichtsschuld nicht erfüllt, die sich daraus logischerweise ergeben habe. Ich drohte ihr – für den Wiederholungsfall – mit sofortiger Kündigung. Dann half ich der Dame, sie ist übrigens 68 Jahre alt, ein Alter in dem man – bitteschön – wirklich noch zünftig anpacken kann, wieder auf die Beine und gab ihr ein Pflaster für die klaffende Stirnwunde, tief wie der Krater der Vesuv, die sie sich beim Sturz zugezogen hatte. Ins Spital könne sie ja dann später gehen. Sicher nicht während der Zeit, in der ich sie bezahlen würde… Aber bitte nicht meine schönen Möbel mit Blut beschmieren!

In solchen Dingen muss man heutzutage einfach hart sein. Die Kosten werden auf allen Ebenen immer höher. Da sollte man schon schauen, dass man die Leistung für sein Geld bekommt. Ich werde auf dem Geschäft ja auch so behandelt, da gibt es keinerlei Nachsicht: Das Leben ist hart und dann stirbt man.

Bringschuld. Holschuld. Savey?

Oder mein ehemaliger Kumpel, den alle nur Kawasaki nennen, der ist auch so ungeschickt über diese Schwelle gestolpert. Hat sich das linke Knie aufgeschlagen, der Trottel. Dabei hatte ich es ihm schon tausendmal gesagt: „Pass auf, mach einen grossen Schritt!“

Ist das denn so schwer zu verstehen? Ist doch ein erwachsener Mann!

Wissen Sie, was er gesagt hat? Er maulte: „Deine Türschwelle ist ja kriminell.“ Er hat also mein Eigentum beleidigt, das muss man sich nicht bieten lassen. Aufgrund dieses Vorfalls habe ich ihn aus der Wohnung geworfen, in hohem Bogen, dabei ist er direkt auf das verletzte Knie gefallen – mir scheissegal – und seither jeden Kontakt zu ihm abgebrochen!!!

Ich sag immer: Eigenverantwortung!
Und dann sage ich auch gerne: Konsequenzen!

So könnte ich ihnen von diversen Trotteln berichten, die über meine Türschwelle zum Aquariumszimmer gestolpert sind. Trotz eindringlichster Vorwarnung.

Und ich selbst bin eben nie gestolpert, ich habe mich nur angeschlagen. Sehr selten! Und auch nur dann, wenn ich alleine – und deshalb barfuss – war. Wenn Leute da sind, trage ich nämlich immer Schuhe.

– Selbst wenn es sich bei diesen Leuten um nackte Frauen handelt.

Und nun das. (Trotz aller Selbstkonditionierung, die ich in aller gebotenen Strenge vorgenommen habe. Jahrzehntelang!) Mein gespaltener Zehennagel lacht mich aus. Während das Blut strömt. Und die Spalte klafft wie der Krater des Vesuv. Mein Ärger kennt keine Grenzen. Soll ich mein Weltbild überdenken? Soll ich mich entleiben?

Was sagen Sie…? Ein Handwerker…?

Daran habe ich noch nie gedacht. Und überhaupt, was könnte denn ein Handwerker Ihrer Meinung nach an der ganzen Situation ändern?

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Autor: Christian Platz

Lebt in Basel. Arbeitet überall. Reist recht viel. Vor allem nach Asien. Und in den Deep South der USA. Verdient sein Geld seit über einem Vierteljahrhundert mit Schreibarbeiten. Vorher hat er als Pfleger in einer Irrenanstalt gewirkt. Hat mehrere Bücher veröffentlicht. Spielt seit 40 Jahren fanatisch Gitarre, zwischendurch singt er auch noch dazu. Schreibt unter anderem für Kult. Ist manchmal gut aufgelegt. Manchmal schlecht. Meistens so mittel. Sammelt Bücher, CDs, Filme, Artefakte. In einem psychisch leicht auffälligen Ausmass. Verfügt, bezüglich der Dinge, die er sammelt, über ein lexikalisches Wissen. Platz ist einerseits ein Wanderer auf dem Pfad zur linken Hand. Andererseits Neofreudianer mit Waffenschein. Liebt Blues und Voodoo, Rock'n'Roll und die schwarze Göttin Kali. Trinkt gerne Single Malt Whisky aus Schottland. Raucht Kette. Ist bereits über 50 Jahre alt. Macht einstweilen weiter. Trotzdem wünscht er nichts sehnlicher herbei als die Apokalypse.

WARNHINWEIS:
Dieser Mann tritt manchmal als katholischer Geistlicher auf, stilecht, mit einem besonders steifen weissen Kragen am Collarhemd. Dies tut er in gänzlich irreführender Art und Weise und ohne jegliche kirchliche Legitimation. Schenken Sie ihm - um Gottes Willen - keinen Glauben. Lassen Sie sich nicht von ihm trauen, ölen oder beerdigen. Lassen Sie sich von ihm keinesfalls Ihre Beichte abnehmen. Geben Sie ihm lieber Ihr Geld.

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