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jahreszeitenblues

Ich finde Herbst super.

Denn: Dann kann ich mal wieder so richtig von Herzen melancholisch sein und fühle mich sogar noch durchs Wetter bestärkt. Traurig sein wenn draussen die Sonne scheint und 35°C herrschen? Nein. Passt nicht.

Deshalb habe ich immer im November meinen alljährlichen Blues, den ich mit viel Hingabe zelebriere. Dann höre ich mit Vorlieb Antony and the Johnsons, schaue mir Filme wie „Schindlers Liste“ an und finde die ganze Welt also schon sehr miserabel und die Menschen, die darin leben, noch viel mehr. Im besten Fall schifft‘s dann auch noch tagelang durch und die Äste werden vom Wind gegen mein Fenster geschlagen, sodass ich dem Elend in meiner Wohnung noch nicht mal entfliehen kann, sondern gezwungen bin, noch mehr traurige Filme zu schauen und noch mehr Groll gegen die Welt zu hegen. Das Ganze selbstverständlich in zerlöcherte Trainerhosen und schäbige Tshirts von 2003 gehüllt und mit Flauschsocken an den Füssen (ein bisschen Komfort muss bei der ganzen Misere ja trotzdem sein).

Wirklich raus gehe ich dann erst wieder, wenn die ersten dicken Flocken vom Himmel fallen und die Welt in Stille versinkt. Wenn einem die Nase beim Einatmen vor Kälte ein bisschen weh tut und die Luft beginnt, ganz leicht nach Zimt und anderen Gewürzen zu riechen. Dann wird aus der Bitterkeit in meinem Herzen wieder warmes Wohligsein, die Welt sieht wieder schöner und lieblicher aus und ich versöhne mich wieder mit ihr. Und ich beginne, mich von Herzen auf die Weihnachtszeit zu freuen – und auch immer wieder aufs neue Jahr und das, was es bringen mag. Was das sein wird, weiss niemand, ausser, dass mit Sicherheit auf den nächsten Herbst wieder der nächste Winter folgen wird.

In diesem Sinne: Happy Melancholy, everyone.

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Autor: Yonni Meyer

Yonni Meyer (*1982) wuchs dort auf, wo’s mehr Kühe als Menschen gibt. Und das war gut so. Kantonsschule in der Nordschweizer Provinz (Hopp Schafuuse). Studium im Welschland (Sprachen und Psychologie). Umzug an die Zürcher Langstrasse 2011. Seither konstant kulturgeschockt. Ende Juli 2013 Geburt des Facebook-Blogs „Pony M.“
September 2013 Einstieg bei KULT. Ab 2014 Aufbruch in die freelancerische Text-Landschaft der Schweiz. Meyer mag Blues. Meyer mag Kalifornien. Meyer mag Igel. Meyer mag Menschen. Manchmal.

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