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Von Religionen und Klingonen

Als ich vor einigen Monaten stolzer Götti eines kleinen Mädchens wurde, führte mich mein Weg mal wieder in eine Kirche. Kirche. Ein Wort, welches in mir vor allem Übelkeit auslöst. Wie bei einem Vampir. Kirche. Ein Wort, verbunden mit ganz miesen Erinnerungen. An Menschen, welche ich gerne mit einem One Way Ticket in Richtung Endstation Hölle ausstatten würde. Jedenfalls, ich wurde Zeuge und aktiver Part einer Taufe. Und das war wirklich herzig. Als stolzer Götti da vorne in einer reformierten Kirche zu stehen, das Privileg zu haben dieses kleine Menschlein in den Armen zu halten, ein wahrlich spezieller und schöner Moment.

Is there a god in heaven? Keine Ahnung. Früher hätte ich gesagt „ja, klar“. Ein wenig später wäre meine Antwort eher „hmm, vielleicht“ gewesen. Heute ist meine Antwort nicht mehr so romantisch-verklärt. Vielleicht gibt’s da etwas Unerklärliches. Ein Phänomen, etwa ein Energiefeld. Aber Gott?

Ich bin immer wieder fasziniert, wenn mir gläubige Leute erzählen, wie sie die unmöglichsten Dinge erlebt haben. Stürze in 30 Meter Tiefe, aber mit dem Kopf genau in ein Bodenloch gefallen. Es war natürlich Gottes Werk, dass dieses Loch da war und diese Person so überleben konnte. Oder meine Lieblingsstory, welche mir damals in der Jugend im Gottesdienst erzählt wurde. Ich versuche sie wortwörtlich wiederzugeben:

„Wir sangen in der Stadt Weihnachtslieder. Da kamen einige Rowdies auf uns zu und fingen an uns zu beleidigen. Sie drohten Handgreiflich zu werden. Einer hatte einen Baseballschläger dabei. Da begann ich inbrünstig zu Gott zu beten, er möge uns von diesen Menschen beschützen. Und plötzlich verlor der Typ mit dem Schläger die Kraft und er konnte nicht zum Schlag ausholen. Gott hat gewirkt.“

Eine weitere Story bekam ich von einem Teilnehmer des Praisecamps zu hören. Er erzählte mir, dass da während eines Gottesdienstes jemand plötzlich aus seinem Rollstuhl aufsprang und geheilt war von seiner Krankheit.

Immer wieder bekam ich Stories in dieser Art zu hören und habe diese lange so stehen lassen. Doch, was steckt genau hinter diesen Geschichten? Wäre es vermessen zu hinterfragen, warum jemand ausgerechnet in Basel mit einem Baseballschläger herumläuft und einige harmlose Weihnachtssänger bedroht? Und warum kann ein wohl Querschnittgelähmter plötzlich aus seinem Rollstuhl aufspringen? Hat da Gott gewirkt? Oh weh, ich höre mich schon an wie Jonathan Frakes in „X-Factor“, aber wer kann mir diese Phänomene erklären?

Kann es nicht sein, das diese Geschichten in etwa so übertrieben sind wie die Klingonischen Sagen in “Star Trek”? Die Klingonen sind in der Serie dafür bekannt nicht nur grosse Krieger zu sein, sondern auch ihre Stories dementsprechend auszuschmücken. Sehen wir uns doch mal zwei dieser Klingonen-Geschichten an.

„Kahless hatte also beschlossen, seinem Bruder Morath eine Lektion zu erteilen, weil dieser eine Lüge verbreitet hatte. Aber Morath weigerte sich, gegen ihn zu kämpfen – stattdessen lief er davon. Kahless verfolgte ihn durch die tiefsten Täler, über die höchsten Gebirge, bis hinunter zum Ufer des Meeres. Und dort am Strand kämpften sie, zwölf Tage und zwölf Nächte lang.“

„Kahless hielt den leblosen Körper seines Vaters in den Armen. Er könnte nicht fassen was sein Bruder getan hatte. Dann warf sein Bruder das Schwert ihres Vaters in das Meer und sagte wenn er nichts mehr damit anfangen kann, soll Kahless es auch nicht besitzen. Kahless sah auf das Wasser hinaus und weinte, denn das Schwert war das einzige das Kahless von seinem Vater geblieben war. Der Ozean füllte sich mit seinen Tränen und überschwemmte das Ufer.“

Was fällt uns auf? Übertreibungen ohne Ende. Doch warum würden Menschen sich gezwungen sehen so dermassen dick aufzutragen? Nun, meine Erklärung ist sehr simpel: Marketing. Gott wirkt einfach noch geiler, wenn er uns wirklich aktiv beschützen kann. Wie Superman. Mit anderen Worten, du betest, also hast du auf Lebenszeit einen immer aktiven Schutzschild um dich herum. Coole Sache. Würde ich auch kaufen und damit im FCB-Shirt in der Südkurve rumtanzen.

Die Story mit dem Rollstuhl kann ich mir genauso wenig erklären, wie es möglich wäre 12 Tage und 12 Nächte mit jemandem auf Leben und Tod zu kämpfen. Aber mich würde es nicht wundern, wäre dieser Rollstuhlfahrer vielleicht gar nie so wirklich an diesen Rollstuhl gebunden gewesen und konnte so durch seine suggerierte Wunderheilung ganz viel Aufmerksamkeit für sich gewinnen. Sofern dieser Rollstuhlfahrer überhaupt existierte.

Da fällt mir auf, warum hören wir in den Medien denn nicht öfter von diesen Wunderheilungen? Das Medium Fernsehen wäre für Gott doch die perfekte Plattform um für sich selbst Werbung zu machen. Aber noch nie hörte ich in der Tagesschau oder im 10 vor 10 die Ansage „In St. Gallen wurden 1000 Menschen Zeugen eines unglaublichen Wunders. Dem einen Typen wuchs ein neues Bein, der andere hatte plötzlich wieder Haare auf dem Kopf.“

Wo also passieren diese Wunder? Immer im stillen Kämmerlein wo es keine Zeugen dafür geben kann? Oder halt doch nur in den Gehirnen einiger Menschen auf der Suche nach diesem kleinen Schlückchen Aufmerksamkeit?

Mich macht traurig und nachdenklich, dass vor allem Freikirchen sich mit diesen Geschichten oft an den Menschen vergehen, welche gerade in Notlagen sind. Auf diese wirken diese Wundermärchen dann natürlich wie ein vom Operator generierter Ausgang im Film „The Matrix“. Die letzte Hoffnung. Verpackt wird dies dann in Anlässe mit genialen Namen. Celebrations, Fellowships. Als Beispiel dient hier meine liebe Vorzeigesekte ICF. Kleine Gebetsgruppen heissen Smallgroups. Hört sich wesentlich besser an als Bibelgruppe. Marketing pur. Und natürlich kann man auch bei der ICF grossartige Kurse besuchen wie z.B. pornofrei. Ein Teilnehmer lässt sich zitieren: „Ich war sehr positiv überrascht, wie ich das Gehörte praktisch umsetzen konnte.“ Warum nur musste ich bei diesem Punkt grinsen?

Ehrlich, das Beispiel ICF macht mir Angst. Menschen, die mich gerade mal einige Minuten oder ein Gespräch lang kennen und an den Kopf sülzen „Du bisch min Brueder. I ha di gääärn.“, verbunden mit einer von mir ungewollten und unangenehmen Umarmung, denen traue ich nicht über den Weg. Und warum ich dann immer wieder in dieses ICF hätte kommen sollen, verstand ich auch nicht. Wenn die mit mir einen Kaffee trinken wollen oder über Gott und die Welt reden, dass könnten die mit mir genauso gut im Starbucks. Also, warum soll ich mich in die heiligen Hallen dieser Modekirche begeben? Vielleicht eine Taktik des ICF um mit Kraft der Gruppe die Menschen mit relativ schwachem Schutzschild zu knacken? Erinnert ein wenig an die Typen von der Scientology, die früher in der Steinenvorstadt oder am Claraplatz standen und mit dem Aufreiss-Spruch „Bisch du topfit?“ die Leute in ihre Räumlichkeiten locken wollten, um mit ihnen Part One der Gehirnwäsche zu starten.

Ich habe jetzt etwas sehr weit ausgeholt. Ich stand jedenfalls da in dieser reformierten Kirche, mein Göttimeitli auf dem Arm und hatte diesen total sympathischen Pfarrer vor mir, der zu den im Kreis sitzenden Kindern predigte. Eine weltliche Predigt, bei der mein Göttimeitli mit den Damen auf den Bildern von Van Gogh verglichen wurde. Richtig nett, richtig schön. In diese Kirche würde auch ich dereinst wieder gehen.

Gibt es einen Gott? Ehrlich, ich weiss es nicht. Ja. Nein. Vielleicht. Nein. Steven Seagal behauptete einst, er sei Gott. Oder ist es doch Alanis Morissette? Sind wir alle Gott?

Wollen wir alle etwas Göttliches tun? Dann seid gut zueinander. Betrügt euch nicht. Tötet euch nicht. Grüsst euch morgens, wenn ihr im Coop euer Gipfeli kauft und eure Wege sich kreuzen. Seid offen mit euren Worten. Lebt gute Werte. Helft, wenn ihr jemanden in Not seht. Nötigt aber niemanden zur Hilfe. Denn ein jeder kann auch immer noch ein klein wenig für sich selbst schauen. Liebt eure Mitmenschen. Kümmert euch um eure Familien. Quält keine Tiere. Startet keine Kriege. Lebt lange und in Frieden. Habt Spass. Habt Freude. Habt Liebe. Lest Kult. Denn, wenn es einen lieben Gott gibt, dann hätte er genau so Freude an euch. Und dafür braucht ihr keine fragwürdigen Religionsgemeinschaften, die nur euer Leben verwurschteln wollen.

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Autor: Dominik Hug

Mitdreissiger. Basler. Auch im Erfolg stets unzufriedener FCB-Fan. Filmkritiker. Leidenschaftlicher Blogger. Strassensportler. Apple User. Hat eine Schwäche für gute Düfte. Liest eBooks. Hört gerne Rockmusik. Fährt einen Kleinstwagen. Geht gerne im Ausland shoppen. Herzkalifornier. Hund vor Katze. Hat immer eine Sonnebrille dabei. Gelegentlicher XBox-Zocker. Hat 2016 überlebt.

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