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Bruce Springsteen – High Hopes

Wie sehr Bruce Springsteen mir am Herzen liegt, lässt sich durch ein sehr einfaches Beispiel beschreiben. Es war letzten Sommer. Nicht gerade die geilste Zeit meines Lebens. Mein Vater verstarb und etwa zwei Wochen darauf spielte Springsteen mit seiner E-Street Band in Genf. Ich selbst bewegte mich auf Autopilot durch diese Tage, Trauer, Leere, Hilflosigkeit. Wer schon mal jemanden verloren hat, der weiss wovon ich hier schreibe. Und als Bruce Springsteen lachend die Bühne des Stade de Geneve betrat, umgeben von einer Aura von Spass und Lebensfreude, war für mich die Welt für ein paar Stunden wieder in Ordnung.

Springsteens Musik ist für mich einfach pure Wahrheit. Ich meine jeden Aspekt des Lebens in seinen Texten zu erkennen. Und vorallem die wohl grundlegendste Attitude, welche jeder Mensch tief in sich selbst verwurzelt haben sollte, nämlich niemals aufzugeben und stets Hoffnung auf bessere Zeiten zu haben, auf bessere Lebensumstände. High Hopes. Bruce Springsteen ist der Rocky Balboa der Musiker.

Und nun, zwei Jahre nach dem Kracheralbum “Wrecking Ball”, präsentiert uns Springsteen, König des Heartland Rock, sein neuestes Werk, “High Hopes” genannt. Ein Titel ganz nach meinem Geschmack. Springsteen arbeitete auch bei dieser Scheibe wieder mit den Produzenten Ron Aniello und Brendan O’Brien zusammen und holte sich zudem seine aktuelle Muse Tom Morello mit an Bord. Morello, ehemaliger Gitarrist von Rage Against The Machine, tourte letzten Herbst als temporärer Ersatz für Steve Van Zandt mit der E-Street Band und gilt als grosser Bewunderer von Springsteen. Dieser fand ebenso gefallen an seinem Aushilfskrachmacher und zog ihn in den Kreativprozess mit ein. “High Hopes” entstand.

Und warum Morello Springsteen ausgerechnet den Titeltrack ans Herz gelegt hat, werde ich nie verstehen. Der Song “High Hopes” ist in meinen Ohren die zweitschwächste Nummer in Springsteens Katalog. Nur “Coin’ Cali” aus dem Tracks-Album kann ich noch weniger leiden. “High Hopes ist weder Rock, noch Pop, noch Folk, noch Country, noch Rap, “High Hopes” ist einfach nichts. Eine ganz hässliche Nummer.

Der Song “Harry’s Place” erzählt die Geschichte eines kleinen gefährlichen Gangsters. Der verfolgende Beat von Max Weinbergs Drums hetzt den Hörer förmlich durch seine Laufzeit. Geile Nummer. Darauf folgte mit “American Skin (41 Shots)” ein bereits bekanntes Stück, welches nun endlich seine Studioversion erhielt. Weit besser als die Live-Version auf dem Essential-Set.

Der vierte Track “Just like Fire would” ist keine Springsteen-Nummer, sondern ein Cover der Australischen Rockband “The Saints”. Das Original und auch Springsteens Cover sind fette Nummern. Well done.

“Down in the Hole” erinnert stark an “I’m on Fire”, ohne jedoch den sexuell angedeuteten Inhalt übernommen zu haben. Nett. Kann noch wachsen.

“Heaven’s Wall”, halb Gospel, halb Rock, kann man hören, aber ist definitiv nicht jedermanns Geschmack.

Mit “Frankie fell in Love” folgt mal wieder eine der seltenen lockeren Nummern des Bosses. “Good morning, good morning, the church mouse is snorring, news is out all over town, Frankie fell in Love.”, einfach ein lockerer Song.

“This is your Sword” scheint irgendwie vom “Wrecking Ball”-Album gefallen zu sein. US-Irischer Folkrock, dessen Lyrics mir jedoch nicht sonderlich zusagen. “This is your sword, this is your shield, this is the power of love revealed” können von mir aus Sunrise Avenue singen, für Springsteen sind diese Zeilen zu seicht. Der Song hat aber groove. Knapp genügend.

“Hunter of invisible Game” ist ein interessantes Stück, welches mit einem schwer zu deutenden Text aufwartet, und wohl mit Mehrmalshören wachsen wird.

Und dann folgt Track Nummer 10, das Brett. Die Atomic Bomb des Albums. Als würden Gozilla und King Kong zusammen die ganze Welt zerlegen. Ein Urknall. “The Ghost of Tom Joad”, ein Stück, welches schon 1995 auf dem gleichnamigen Album in einer Akkustikversion erschienen ist, wurde hier erwachsen. Tom Morello unterstützt Springsteen hier nicht nur instrumental sondern auch stimmlich. Und Springsteen und Morello ergänzen sich perfekt. Rockmusik wie sie im Buche steht. Der heisseste Song des ganzen Albums.

“The Wall” ist eine ruhige Nummer, welche Springsteen einem New Jersey-Rocker der Sechziger gewidmet hat, der in Vietnam gefallen ist. Schönes Teil.

Das Album wird abgeschlossen durch “Dream Baby Dream”, im Original von der Band “Suicide”. Eine wunderschöne Nummer. So darf man gerne ein Album abschliessen.

Das Album “High Hopes” wird nicht als Highlight in die Geschichte Bruce Springsteens eingehen. “High Hopes” ist ein solides Album, welches den Rockern und Springsteen-Fans gefallen wird. Aber ich würde mich trotzdem freuen, würde demnächst wieder ein Album vom Boss erscheinen, welches wieder eine ganze Geschichte erzählen wird, nicht nur einzelne, nicht so richtig zusammenpassende Episoden.

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Autor: Dominik Hug

Mitdreissiger. Basler. Auch im Erfolg stets unzufriedener FCB-Fan. Filmkritiker. Leidenschaftlicher Blogger. Strassensportler. Apple User. Hat eine Schwäche für gute Düfte. Liest eBooks. Hört gerne Rockmusik. Fährt einen Kleinstwagen. Geht gerne im Ausland shoppen. Herzkalifornier. Hund vor Katze. Hat immer eine Sonnebrille dabei. Gelegentlicher XBox-Zocker. Hat 2016 überlebt.

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