Er sass wieder dah, schaute zum Fenster hinaus, dachte daran, einfach aufzuhören mit dem Denken. Es müsse doch noch eine gute Sache sein. So viele Menschen würden das machen. Wovor sollte er sie denn warnen wollen? Und wer ist «sie»? Diejenigen, von denen er glaubte, wüssten es nicht? Es lag ja alles da. Für jeden zugänglich, der gehen will, für jeden ersichtlich, der sehen will. Man müsste nur ein paar Fragen stellen. Und dann weiterfragen, wenn die Antwort nicht stimmen kann. Warum aber sollte er eigentlich ganz einfach nicht auch einmal keine Meinung haben können? Es schien ihm ein ungewohnter Gedanke, er kannte das Gefühl nicht, keine Meinung zu haben. Aber die Idee gefiel ihm. Dabei dachte er nicht daran, zu meditieren. Sich durch die totale Abstinenz der Gedanken zur Quelle der Essenz hinzubewegen, nein, er dachte eher so daran, sich keine Gedanken zu machen. Denken tut ja jeder, dachte er, das sei ja nicht das Problem, aber Gedanken machen sie sich nicht. Jedenfalls nicht über die Sachen, über die er sich Gedanken machte. Er wollte auch mal sich keine Gedanken machen über Sachen, über die er sich immer Gedanken macht. Also fing er an, aufzuhören.
Er fing damit an, nicht wissen zu wollen, was in der Zeitung steht. All die Sachen über Amerika und die EU und Russland und China und so, die Politik, die Börse, die Arbeitslosenquoten, all die Sachen wollte er nicht mehr wissen. Manchmal fiel sein Blick auf einen Blick-Aushang, an der Kreuzung, wenns Rot ist, an der Tankstelle daneben, „Putin“ und „Krim“ stand drauf, und er schaute wieder weg, er wollte das nicht gesehen haben. Er wollte sich keine Gedanken machen darüber, ob, wer, wieso, doch nicht, alles anders, aber wenn, und warum denn nicht. Er schaute weg, auf ein Schild, „Plakate anbringen verboten“ und er dachte sich, „Hier mach ich mir ja auch keine Gedanken, ich kann es ja schon teilweise», über Sachen, die ihn nicht stören, oder die ihn nicht interessieren, oder mit denen er leben kann, darüber hat er sich ja noch nie Gedanken gemacht. Also konnte es doch nicht so schwierig sein. All die Sachen in der Wirtschaft, in der Politik, die Entwicklung der Gesellschaft, einfach gleich behandeln wie Pferdewetten und Waschmittelwerbung. Man ist mit allem irgendwie konfrontiert, man muss einfach ausblenden. Beziehungsweise, das Unterbwusstsein blendet aus. Und er dachte sich, wenn er all die Sachen, die er für wichtig und richtig hielt, wofür er sich deshalb verpflichtet fühlte zu kämpfen, wenn er all dies beim Unterbewusstsein einfach als „interssiert mich nicht“ registrieren könnte, er dann automatisch „News“ auf Papier oder an den Wänden oder auf den Bildschirmen oder am Nebentisch ausblenden könnte, er würde es zwar sehen und lesen und hören, aber es würde ihn etwa so beschäftigen wie Pferdewetten oder Waschmittelwerbung.
Und die Idee gefiel ihm immer besser, was für ein glückliches Leben müsste das sein, nichts zu wissen, weil man gar nichts wissen will, und einem auch das nicht einmal bewusst ist. Er müsste sein Leben nur noch nach dem Wetter richten. Er würde wieder Freude haben. Er würde wieder Freunde haben. Die er danach trotzdem nicht mehr sehen müsste. Das würde sich von alleine regeln, er hätte dann ja nur noch seine Ahnung. Die Absenz der eigenen Meinung, wie sich das anfühlt, das wollte er wissen. Und das wollte er auch herausfinden.