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1995

Heute habe ich von einer jungen Frau gelesen, die gerade ihr erstes Kind bekommen hat. Neben dem Bild der frisch gebackenen Mama und ihrem sehr engerling-artig anmutenden Spross stand „Nadine M. (*1995) mit ihrem Kind…“

1995. Geboren 1995. Wahnsinn.

1995 war ich 13 Jahre alt. Ich war ein pummeliger Teenager mit einer Frisur, die sehr fest nicht für meine lockigen Haare gedacht war – aber alle hatten sie und deshalb wollte ich sie auch. Vorne so bitz länger, hinten kürzer und dann in den Nacken so ausrasiert. Ganz ganz schlimm. Das tragen heute nur noch Leute, die aus irgendwelchen Tälern einmal pro Jahr an die Street Parade kommen.

Um meinen Hals trug ich 1995 ein Lederband, an dem geschätzte 7 Millionen Plastik-Nuggis in den unterschiedlichsten Farben baumelten. Je mehr Nuggis, desto cool. Genauso trendy waren diese mit bunten Stoffen bespannten Metallbänder, die man sich ums Handgelenk schlagen konnte. Davon hatte ich ebenfalls ca. 850’000. Meine Lieblinge waren diejenigen mit Neonfarben drin, weil die dann am Klassenfeez im Schwarzlicht leuchteten, wenn man zu Dr. Alban, Rednex oder 2Unlimited so richtig abshakte.

Mein Stylevorbild zu der Zeit war Marusha und so leuchteten meine Augenbrauen denn sehr oft in sattem Grün, während ich mit meinen gefälschten Buffalo-Schuhen durch die Gegend stampfte wie ein Elefant auf LSD.

Ich fing dann – clever, wie ich war – mit 14 an zu rauchen. Supercool. Auf dem Land war das damals fast Pflicht, ausser man war ein Streber. Und natürlich trank ich RedBull. Das war zu jener Zeit noch illegal, wenn ich mich recht erinnere und wir fühlten uns wie die krassesten Underdogs, wenn wir im Skilager aufs Dach rauskletterten, Nirvana hörten, RedBull tranken und rauchten. Es smellte sehr like Teen Spirit. Ich mochte Nirvana nicht, das war aber völlig egal. Ich hätte 24h am Stück Rammstein gehört, wenn ich dadurch dazugehört hätte – und deshalb bleibt mir ein bisschen die Hoffnung, dass ¾ der Justin Bieber Hörerinnen ihn eigentlich Scheisse finden und ihn sich nur anhören, weil sie nicht aus der Reihe tanzen wollen. Wie ich damals 1995.

Wenn ich meine Eltern gewesen wär’, ich glaube, ich hätt’ mich verprügelt. Rückblickend kann ich nur den Hut davor ziehen, wie stoisch sie mein Teenager-Ich Mitte 90er über sich haben ergehen lassen.

Und so bin ich denn froh, dass ich nie wieder eine Jugendliche sein muss. Nie nie wieder. Und ich lasse die 90er hinter mir, im Gedenken an Bravo Hits, Dr. Sommer und 15 tote Tamagotchis. RIP Tamagotchis.

 

https://www.youtube.com/watch?v=xKosZpiYrXw

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Autor: Yonni Meyer

Yonni Meyer (*1982) wuchs dort auf, wo’s mehr Kühe als Menschen gibt. Und das war gut so. Kantonsschule in der Nordschweizer Provinz (Hopp Schafuuse). Studium im Welschland (Sprachen und Psychologie). Umzug an die Zürcher Langstrasse 2011. Seither konstant kulturgeschockt. Ende Juli 2013 Geburt des Facebook-Blogs „Pony M.“
September 2013 Einstieg bei KULT. Ab 2014 Aufbruch in die freelancerische Text-Landschaft der Schweiz. Meyer mag Blues. Meyer mag Kalifornien. Meyer mag Igel. Meyer mag Menschen. Manchmal.

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