Für einmal überlasse ich einem Mann das Schreiben, der für Zürcher Nächte viel geleistet hat:
Dani Szakats
Daniel Szakats alias DiscoD hat seinerzeit und als Teil des Duos Smash FX (zusammen mit Plaza-Tony Bolli) das Genre Breakbeatz in der Schweiz etabliert. Auch heute noch hegt der umtriebige Akademiker ein Faible für frische Clubsounds, ob als Veranstalter (Kill Out) oder als DJ.
Wir brauchen die Street Parade!
Wir Schweizer haben oft Mühe mit dem eigenen Erfolg. Man muss nur die Kommentarspalten lesen, wenn Roger Federer mal wieder verloren hat, „Federer hätte eh schon lange aufhören müssen“, „Federer war nur so erfolgreich, weil er zu seinen besten Zeiten keine wahren Konkurrenten hatte“ sind noch die netteren Kommentare. In Zürich haben wir den weltbesten öffentlichen Verkehr, die SBB ist gemessen am Durchschnittseinkommen auch rekordverdächtig preiswert. Aber nein, wenn man der Zug mal 3 Minuten zu spät kommt ist der Skandal vorprogrammiert und die meisten lassen ihrem Frust freine Lauf. Und bei jeder Preiserhöhung stöhnt wieder das halbe Land.
Die Streetparade wird auch zu 90% schlechtgeschrieben: „Bauernkarneval“, „Spanner-Parade“, „Drogen-Party mit Messerstecherei“ und ähnliches wird getittelt. Gerade aus der Szene selber gibt es erstaunlich wenig Rückhalt für die Parade. Das ist schade, denn bei der Streetparade geht es in erster Linie um eines: Spass. Nich viel mehr und nicht viel weniger. Da Zürich im Vergleich zu anderen Metropolen eine eher langweilige, oft zwinglianisch-verkrampfte Stadt ist, tut ihr ein Event wie die Streetparade gut. Die Streetparade passt nicht zu Zürich, aber das ist genau das Gute daran. Zu Zürich passt viel eher ein Sächseleuten, das konsequenterweise von der Presse auch viel positiver aufgenommen wird, bzw bei weitem nicht so kontrovers diskutiert wird wie eine Streetparade. Dass das Sächseleuten auch noch von den Steuerngeldern subventioniert wird und die Streetparade nicht, wäre ein ganzes separates Thema für sich.
Viele Zürcher flüchten ja regelrecht aus der Stadt. Dabei ist am Streetparade Weekend quantitativ aber auch qualitativ mehr los als während dem ganzen Jahr. Man hat eine so grosse Auswahl an Stages, Parties und After-Parteis, dass sich bestimmt für jeden etwas finden liesse, der gerne Party macht und auf elektronische Musik steht. Sei es die Swiss Innovation Stage, wo die neueste Schweizer Talente oft zum ersten Mal vor einem grossen Publikum ihren Sound präsentieren dürfen, sei es im letzten Jahr die grosse Stage am Mythenquai wo Nervo wohl fast einmalig auf der Welt der Crowd gratis ihre Beats um die Ohren hauten. In der Rimini-Bar ist die Cityfox-Party mittleweile absolut legendär und stets ausverkauft. Die Lethargy in der roten Fabrik ist die mit Abstand beste und erfolgreichste Party überhaupt in diesen Gemäuern und wäre ohne Street-Parade so nie umsetzbar. Die Energy im Hallenstadion war 92-94 auch „State of the Art“ und legte mit seinen Line-Ups für die Techno-Stadt Zürich einen wichtigen Grundstein. Es gibt noch unzählige weitere Events und Orte während und nach der Streetparade, die man erwähnen könnte.
Aber natürlich sehen viele immer nur das Schlechte, wie die zugegebnermassen jährlich mässige bis grottenschlechte Street-Parade-Hymne, die silberhaarigen XTC-Trance-Raver, die peinlichen Street-Parade-Trucks aus Hinterpfupfigen mit DJ Gusti P. Ja, auch mir gefallen die Spanner nicht. Ja, auch ich renne nicht mehr den Trucks nach und nerve mich ab dem Sound. Was ich sagen möchte: Es gibt an der Street-Parade sehr, sehr viele coole Spots – man muss sie nur finden wollen. Es ist viel, viel einfacher sich aufzuregen ab dem, was einem nicht passt! Ich wünschte mir, die Streetparade würde einen grösseren Support gerade aus der Szene bekommen und die Macher würden eine breitere Unterstützung erfahren als bisher. Gerade auch im Vergleich zur Love-Parade in Berlin zeigt sich klar, dass sie vieles richtig gemacht haben. Dies verdient Respekt! Ich habe eine Vermutung, warum dass es aus der Szene selber so wenig Support gibt: Viele waren einfach selber nie Raver und verstehen das Gefühl gar nicht, welches die Streetparade ausdrücken will.