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Über Till vom Vice über Bonnie Rotten

Das Vice und das Kult haben ja manchmal was miteinander. Nichts Ernstes, mehr so ein bisschen knutschen dann und wann. Der Till und ich schauen manchmal, was der andere so macht und wenns dem einen gefällt was der andere macht, dann kanns vorkommen, dass er mitmacht. Aber mehr so im Hintergrund, weil Geschichten klauen wir uns in der Regel nicht.

Diese Geschichte auch nicht, auch wenns mich gejuckt hat, denn Till Rippmann hat Bonnie Rotten da. Bonnie Rotten ist eine Pornodarstellerin. Sie hat dieses Jahr an den AVN den Preis für die beste Gruppensex-Szene bekommen. Das ist etwa so wie der Oskar für die beste Nebenrolle. Bonnie ist also wer.

Till kennt den Lars Rutschmann. Lars hat ein Shirt mit Columbo drauf, ansonsten produziert er Pornos und Bonnie ist in Zürich, weil hier im Kino Roland an der Langstrasse Szenen Ihres neuen Films „Rollergirl“ gedreht werden. Sie ist also hier, um zu ficken. Und Till, um sie dabei zu beobachten. Und ich, um Till dabei zu beobachten. Das war die Idee zu dieser Geschichte.

Ich treff mich also mit Till am Donnerstag um halb elf vor dem Kino Roland. Lars ist auch da und Bonnie und einer der die Kamera hält, bei Pornos ist das dann meistens auch gleichzeitig der Regisseur und der Cutter. Dann hats noch eine mit einem Block, wahrscheinlich die Aufnahmeleiterin, die Bonnie dann sagen wird, wann sie zu ficken hat. Bonnie ist eher klein. Und hat Spinnenweb auf die Titten tätöwiert. Nebst ein paar anderen Sachen. Sie hat Rollschuhe an, ich nehm mal an, wegen dem Titel des Films. Wir gehen rein.

Drinnen warten der Till und ich erstmals. Man sagt uns, wir sollen uns im Kinosaal hinsetzen und warten. Man sagt uns auch, dass wenn dann nachher gefilmt wird, man eventuell unsere Gesichter unscharf sehen könnte und dass, wenn wir das nicht wollen, wir wieder raus müssen. Uns ist das egal, wir denken, dass die Chance, dass uns jemand sagt, er habe unsere Gesichter in einem Pornofilm gesehen, doch eher klein ist. Wir bleiben also sitzen. Vorne an der Wand hats zwei WC-Eingänge. Einer für Männer und einer für Frauen. Das WC für Männer muss viel öfters gereinigt werden als das andere. Die abgewetzten roten Samtpolster müssten auch öfters gereinigt werden. Wir machen eingetrocknetes Sperma aus. Vorne läuft ein Porno auf der Leinwand. Logisch. Sind ja auch im Roland. Alle sind da. Auch der Hauptdarsteller. Er sitzt ein paar Reihen weiter vorne und wichst sich mal in Stimmung. Bonnie fehlt. Sie ist noch auf der Toilette, muss eine Analspühlung machen. Wenn sie Anal-Szenen dreht, und sie dreht heute Analszenen, dann darf sie jeweils einen Tag lang nichts essen und muss ein paar mal ihren Darmausgang spühlen, damit dann alles auch reibungslos abläuft.

Till ist entspannt. Er sagt, er sei gestern mit ihr essen gegangen und dann zu sich in die Wohnung und auf der Dachterrasse noch ein paar Fotos fürs Vice gemacht. Er weiss also, was auf ihn zukommt. Einzige die eingetrockneten Spermaflecken auf dem Polster stören ihn. Wären sie nicht eingetrocknet, würden sie ihn mehr stören. Ich frage ihn, ob man an der Kasse auch Regenmäntel mieten kann, die man sich während dem Dreh über den Schoss legen kann. Kann man nicht. Wir müssen uns also beherrschen.

Bonnie kommt, setzt sich in die vorderste Reihe. Das Drehbuch schreibt vor, dass sie jetzt grad unheimlich spitz ist, weil im Pornokino, und sich anfängt zu fingern, während dann der Darsteller eine Reihe weiter hinten Wind davon bekommt, sich nach vorne beugt, ihre Titten anfasst und sie auf der Stelle zu stöhnen anfängt. Realistische Szenen sind die Stärke eines jeden Pornodrehbuchs. Sie stöhnt also, er steht auf und schwupps ist sein Schwanz erst einmal in ihrem Mund. Alles normal, passiert mir auch jedes Mal, wenn ich ins Kino gehe, also easy.  Es wird mit einer Einstellung durchgedreht. Die beiden rammeln sich schweissnass, der Kameramann dreht, mal näher, mal von oben, mal von hinten, irgendwann wird klar wieso nichts essen und Analspülungen, was der ihr alles reinschiebt. Irgendwann hebt er die Hand und will Pause. Es ist verdammt heiss hier drin. Die Szene wird nochmals gedreht. Ich geh mal eins rauchen, ich kenn die Handlung ja schon.

Draussen kommt ein kleiner schwarzer Kügelidealer zu Till. Er will 2,5 Millionen Diamäntchen, weil er seine Augen operieren muss. Till gibt ihm eine Zigarette. Das muss reichen. Der Kügelidealer will aber seine Diamäntchen, er sehe ja kaum was. Nur Farben. Drum die Diamanten. Till hat sie nicht. Ich auch nicht. Till sagt ihm, es wär jetzt ok, wenn er weitergehen würde, er hätte ihm ja nicht eine Zigarette gegeben mit der Idee, dass er jetzt stehenbleibt und ihn vollquatscht. Aber einer, der 2,5 Millionen Diamäntchen braucht, quatscht halt. Logisch. Wir gehen also wieder rein.

Bonnie stöhnt und schwitzt immer noch. Die beiden turnen über die vorderen Sitzreihen, als hätten sie drei Jahre keinen Sex mehr gehabt, und während er ihr also so einiges in den Arsch schiebt, sehe ich, dass Bonnie ein Tattoo von Conchita Wurst auf dem Rücken hat. Das sei nicht Conchita Wurst, das sei was anderes, mit ists egal, Ein Tattoo von Toni Bertoluzzi hätte mich mehr irritiert. Kurze Pause. Dann weiter. Ich nutze die Gelegenheit zu gehen. Einerseits bin ich müde, andererseits will ich nicht länger der Demontage meiner Porno-Illusionen Hand bieten.

Ok, wenn ich ehrlich bin, gehe ich vor allem aus einem Grund: Ich habe Angst, dass sich die eingetrockneten Spermaflecken auf dem Sitzpolster bei der schwülen Luft hier drin plötzlich wieder aufweichen.

Auf dem Nachhauseweg überlege ich mir, was für eine Geschichte ich machen will. Es fällt mir keine ein. Muss es eigentlich auch nicht. Pornos brauchen ja auch keine Handlung.

 

http://www.vice.com/alps/read/bonnie-rotten-ueber-squirting-analsex-diaeten-den-geschmack-von-drogen-im-sperma-und-nekromantik

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Autor: Rainer Kuhn

Rainer Kuhn (*1961) hat das ganze Ding hier gegründet, aufgepäppelt, fünf Mal neu erfunden, vorher Werber, noch vorher Betriebsökonomie studiert, noch vorher Tennislehrer gewesen. Dazwischen immer mal wieder ein Kind gemacht. Wollte eigentlich mal Pferdekutscher im Fex-Tal werden, später dann Pfarrer. Im Herzen ein Landbub, im Kopf dauernd unterwegs. Schreibt drum. Hat ein paar Gitarren und ein paar Amps in der Garage stehen. Macht Musik, wenn er Zeit hat. Hat er aber selten. Blues und Folk wärs. Steht nicht gern früh auf. Füllt trotzdem die Kult-Verteilboxen jeden Monat mehrmals eigenhändig auf. Fährt Harley im Sommer. Leider mit Helm. Mag Mainstream-Medien nicht. Mangels Alternativen halt Pirat geworden. Aber das ist manchmal auch streng.

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Schön war es, als es das Schauspielhaus Zürich noch gab.