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DIE LIEBE UND DEN TOD WILLKOMMEN HEISSEN

So navigiere ich mein Piratenschiff. Durch Gewitterwolken. Hochschwanger mit Blitz und Donner. Die schwarzen Segel vom Sturmwind bis zum Zerreissen gespannt. Die Niederkunft des Unwetters wird das Land erschüttern. Und mit dem Unwetter komme ich.

Das Gift wirkt in meinem Blut…

Ich bin der Rächer der Verlorenen. Jener, die von der Nacht verschluckt wurden. Oder erfroren sind, ob der Kälte der Menschenherzen. Ich rase durch die Dunkelheit. Schaum um die Mundwinkel. Blutigen Schaum. Weil ich die Zähne zu lange zusammengebissen habe. Um das allgegenwärtige Leid ertragen zu können. Das Leid jener, die im Schatten des Wachstums versinken. Verschüttet werden. Unter den Lawinen der Gewinnausschüttung. In den Ozeanen der Optimierung ertrinken. Und die Anderen lachen laut darüber. Die Auslöser. Die Profiteure. Die Nutzniesser.

Es sind immer die Anderen, die lachen!

Während ihre Opfer weinen. Bis ihre Augen von salzigen Tränen aufgelöst werden. Trauern. Bis ihre Seelen austrocknen, zu Wüstenlandschaften verkommen. Bluten. Bis ihre Herzen zu leeren Schläuchen zusammenschrumpfen, die sodann traurig über jenen Wäscheleinen hängen, die von einer alten Spinne namens Zeit einst aufgespannt worden sind. Damals. Bevor alles war.

Das Gift kocht in meinem Blut…

Diese Welt sehnt sich nach einem Sturm, der alles durchschüttelt. Oben und unten. Links und rechts. Arm und reich. Frau und Mann. Sehnt sich nach einem kosmischen Schüttelbecher, der die Elemente derart durcheinander wirbelt, dass die alte Ordnung vergeht und einem neuen Zustand weicht. In dem das Wort Ordnung keine Rolle mehr spielen darf. Weil es seine Glaubwürdigkeit verspielt hat. Und mit ihm verlässt seine böse Schwester und Komplizin, die Unterordnung, das Spielfeld. Richtung Verbannung. Richtung Vergessen.

Diese Welt sehnt sich nach einer Dunkelheit, in der alle Katzen grau sind, die neue Gelegenheiten schafft, neue Begegnungen, neue Bewegungen. Die neue Gewächse im Boden entstehen lässt, deren Keime vom hellen Licht des Tages ausgebrannt würden. Sehnt sich nach einer heilsamen Dunkelheit, die Fünfe gerade sein lässt, keine Transparenz bringt (höchstens transparente Babydolls, Chemises und Negligees). Die keine klaren Verhältnisse schafft. Sondern ihr Füllhorn über uns ausschüttet, randvoll mit Rausch und Lust. Ein mächtiges Beben der Leiber, Sinne und Seelen auslöst.

Das Gift tobt in meinem Blut…

Auf das am Ende – endlich – jene Müdigkeit folgt, die einen langen tiefen Schlaf ermöglicht. Durchwoben von seltsamen Träumen, die gleichsam Mütter neuer Realitäten sind. Denn solche brauchen wir. Dringend!

Deshalb habe ich dieses Piratenschiff an den Himmel gesetzt, habe ich meine Besatzung zusammengesucht. In allen vier Ecken dieser Welt und noch in ihren tiefsten Winkeln. Sie besteht aus Träumerinnen und Träumern, Trinkerinnen, Trinkern, Nymphomaninnen, Satyren, Haschischraucherinnen und Opiumessern, Revolverbräuten und Messerwerfern, halluzinierenden Poetinnen und Poeten des Seins.

Hemmungslos berauschten Seelen, die nicht um Erlaubnis fragen, zerfetzte Kleider an tätowierten Leibern tragen. Ihre Herzen erfüllt vom Puls der Musik. Die Liebe und den Tod willkommen heissen. Und kein Vermögen benötigen. Da sie nicht kaufen. Sondern klauen.

Diebe in der Nacht.

Von jenen Anderen klauen, die Elend sähen, Zahlen ernten, welche auf Paper gedruckt werden, um dann Geld zu heissen, Macht zu bedeuten.

So schiesst unser Schiff durch Sturmwinde und Gewitterwolken. Hinab auf Eure geschundene Welt. Die Rache der Enterbten und Entrechteten ist angekommen. In Deinem Wohnzimmer. In Deiner Küche. In Deinem Bett. Also steh auf.

Reih’ Dich ein. Schliess’ Dich uns an. Unter schwarzen Segeln, unter der Totenkopf-Flagge – und mit einer massiven Ladung im Schiffsbauch, Rumfässer und Rauschgift – schaffen wir unsere Anderswelt. Im Zeichen der Lust, die nun endlich Ewigkeit erhält. Unter Vernachlässigung aller Pflichten, denn die haben – weiss der Teufel – schon genug Unheil angerichtet!

Das Gift vermischt sich mit meinem Blut…

Wir segeln also hinan, direkt ins Auge Gottes. Durchdringen SEINE Hornhaut, danach die Linse, penetrieren den Glaskörper, dringen durch den Sehnerv in SEIN Gehirn vor, legen dort den entscheidenden Hebel um. Und Mühsal sei Freude, Himmel sei Erde, Hölle sei Paradies…

…hoppla, da betritt gerade jene Dame mit der Augenklappe meine Kajüte, ansonsten lediglich mit Netzstrümpfen und Strumpfgürtel bekleidet. Und zwei Butteln Rum hat sie auch mitgebracht – Johoo! Adieu miteinander. Ich melde mich an einem anderen Tag. Falls es für uns jemals wieder einen Tag geben sollte.

Das Gift hat seine Schuldigkeit getan.

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Autor: Christian Platz

Lebt in Basel. Arbeitet überall. Reist recht viel. Vor allem nach Asien. Und in den Deep South der USA. Verdient sein Geld seit über einem Vierteljahrhundert mit Schreibarbeiten. Vorher hat er als Pfleger in einer Irrenanstalt gewirkt. Hat mehrere Bücher veröffentlicht. Spielt seit 40 Jahren fanatisch Gitarre, zwischendurch singt er auch noch dazu. Schreibt unter anderem für Kult. Ist manchmal gut aufgelegt. Manchmal schlecht. Meistens so mittel. Sammelt Bücher, CDs, Filme, Artefakte. In einem psychisch leicht auffälligen Ausmass. Verfügt, bezüglich der Dinge, die er sammelt, über ein lexikalisches Wissen. Platz ist einerseits ein Wanderer auf dem Pfad zur linken Hand. Andererseits Neofreudianer mit Waffenschein. Liebt Blues und Voodoo, Rock'n'Roll und die schwarze Göttin Kali. Trinkt gerne Single Malt Whisky aus Schottland. Raucht Kette. Ist bereits über 50 Jahre alt. Macht einstweilen weiter. Trotzdem wünscht er nichts sehnlicher herbei als die Apokalypse.

WARNHINWEIS:
Dieser Mann tritt manchmal als katholischer Geistlicher auf, stilecht, mit einem besonders steifen weissen Kragen am Collarhemd. Dies tut er in gänzlich irreführender Art und Weise und ohne jegliche kirchliche Legitimation. Schenken Sie ihm - um Gottes Willen - keinen Glauben. Lassen Sie sich nicht von ihm trauen, ölen oder beerdigen. Lassen Sie sich von ihm keinesfalls Ihre Beichte abnehmen. Geben Sie ihm lieber Ihr Geld.

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