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Dick ist doof (Teil 4)

Fortsetzung von «Dick ist doof» (Teil 3)

Erfolg
Somit war also alles perfekt: Die Säfte schmeckten, ich verspürte zu keinem Zeitpunkt ein Hungergefühl (obwohl ich nicht wie empfohlen mit drei Tagen Nahrungsreduzierung begonnen hatte) und, was noch viel wichtiger war: Mein Gewicht ging gleich in den ersten Tagen runter. Wer geschickt ist weiss, dass man am Morgen am leichtesten ist. Folglich stellte ich mich von Tag 1 an jeden Morgen auf die Waage. Natürlich nach dem Verrichten aller Geschäfte, ich schneuzte und Spuckte jeweils auch noch und putzte mir die Ohren, um kein überflüssiges Gramm mitzuwiegen. Nackt, denn ich merkte sehr schnell, dass meine Boxershorts 100g wiegen. Die Tara gilt es ja abzuziehen, lernten wir schon in der Primarschule.

Viel Zeit…
In den ersten paar Tagen waren schnell mal 2-3 Kilos weg, fort, in Luft aufgelöst. Ich weiss schon: «Diät XY», Kapitel 1: „Zuerst verliert Ihr Körper Wasser.“ Mir egal, was runter ist, trage ich nicht mehr mit mir rum. Und schliesslich mache ich diese Kur ja, um leichter zu werden. Entschlackung, zusätzliche Vitamine und positive Stoffe? Schöne Nebenerscheinung. Aber ich will den Gürtel enger schnallen müssen. Die erste Woche war verhältnismässig schnell geschafft. Mir fehlte nichts. Im Gegenteil: Dank fehlender Mahlzeiten wurde mein Tag automatisch länger, zusätzlich verlängert durch ausbleibende Kaffeepausen. Das Zeitbudget fürs Entsaften war in etwa gleich wie dasjenige fürs Zubereiten und Besorgen täglicher normaler Mahlzeiten. Ein erstes einschneidendes Ereignis war dann das Wochenende. Dieses verbringe ich üblicherweise damit, etwas Hübsches zu Kochen und dies mit netten Menschen zu verspeisen. Oder in gesellschaftlichem Rahmen ein Restaurant zu besuchen, hinterher in Bars oder ins Kino… Was bleibt von einem Wochenende minus all diese Nettigkeiten? Zeit, viel Zeit. Zeit, viel nachzudenken.  Und Serien zu gucken. Und dazu keine Chips zu essen. Aber wer lässt sich davon schon die Laune verderben!

Woche zwei verlief nahezu identisch. Die Säfte schmeckten weiterhin, was fehlte, war etwas Warmes im Magen. Ausser Tee, aber ich hasse Tee. Lieber friere ich und setze mich auf meine Hände, um sie aufzuwärmen. Was sich allerdings herauskristallisierte, war die Tatsache, dass Fruchtsäfte DEUTLICH besser schmecken als Gemüsesäfte. Es schien mir eine vertretbare Sünde zu sein, mehr von denjenigen Säften zu mir zu nehmen, die auch etwas Freude bereiten. Was ich mir zudem als Fremdkörper (und somit = böse) gönnte, waren Fisherman’s  Friends, von denen ich  gar dann und wann ein Ecklein abbiss. Damit meine Zähne das Beissen nicht ganz und gar verlernen. Gewichtsverlauf im Vergleich zur Vorwoche: Mehr oder weniger identisch. 2’500 bis 3’500 tägliche Minuskalorien zeigten ihre Wirkung.

Ersatzdrogen
Wer nicht darf, was er sonst gerne tut, würde dies meist ganz besonders gerne tun. Die Lust etwas zu essen war während meiner ganzen Kur ganz ausserordentlich ausgeprägt. Nicht in dem Sinne, dass ich auf einer Gratwanderung immer kurz vor dem Absturz ins Schlaraffenland gestanden hätte – aber ich habe von da oben mit wässrigem Mund und einem starken Fernrohr hinuntergeblickt. Ich habe Essensgerüche jeglicher Natur intensiv in mich aufgesogen, mir erst Bilder von Nahrungsmitteln angeschaut, später wieder einmal alle meine Kochbücher hervorgekramt. Gaumenporno Deluxe. Eine Statistik besagt, dass Männer täglich 18,6 und Frauen 9,9 Mal an Sex denken. Bei mir war das, was Essen angeht, ganz bestimmt dreimal so oft der Fall. CORDONBLEU! Kaum eine Situation, CHEESEBURGER! während der mir nicht irgend eine köstliche Mahlzeit SPAGHETTI CARBONARA! in den Sinn gekommen wäre. RINDERFILET MIT PILZRISOTTO! Und das war in der Tat gar nicht qual, sondern viel mehr sehr lustvoll. PIZZA! KÄSEPLATTE! POMMES! SONNTAGSBRATEN! Es war ja nicht so, dass ich nie wieder etwas essen würde. So konnte ich mich auf jedes einzelne Gericht vorfreuen und dabei beobachten, wie mir das Wasser im Munde zusammenlief. Um das Gefühl noch etwas zu intensivieren, begann ich auch Jamie Oliver’s YouTube Channel ‚FoodTube‘ zu folgen. Und, was mir offen gestanden am meisten Freude bereitete war, mein Fotoalbum zu durchforsten und auf Instagram meine bisher vertilgten Burger zu posten. Gut, das scheint manch einem wohl etwas masochistisch. Ich sage nur: Food Porn. Und ich mag Pornos.

Bye bye, Kraft und Energie…
Selbstverständlich gabs während der vier Wochen Verzicht auch unangenehme Momente. Einige sogar. Tatsache ist nämlich, dass einen Kräfte zusehends verlassen. Auch wenn man genügend Nährstoffe zu sich nimmt, fehlen dem Körper trotzdem die festern Nahrungsstoffe. Das äussert ich in Energielosigkeit, Müdigkeit und – nicht selten – Gereiztheit. Joe Cross wusste sehr wohl, weshalb er von der ersten Hälfte seiner 60 Tage nicht allzu viel berichtet in seinem Streifen. Als Gutelaunemensch eignet er sich viel eher als Motivator, als wenn er da steht und zugibt, dass er die Arme kaum mehr über die Horizontale bringt und länger oben halten kann, und dass es ihm bei grösseren Anstrengungen auch mal Schwarz wird vor den Augen. Besonders ätzende Schlappheitsattacken gelang es mir mit einer Extraportion Vitamine, beispielsweise in Form von Grapefruitsaft zu überbrücken. Dieser Kick half, den Rest des Nachmittages zu überstehen.

Ein weiterer Nebeneffekt war, dass mir Säfte nicht mehr schmeckten. Selbst wenn diese in den ersten beiden Wochen noch köstlich schienen. Überhaupt begann alles Entsaftete gleich zu riechen. Ganz egal in welcher Zusammensetzung, egal ob Gemüse oder Fruchtsaft. In dieser Zeit gönnte ich mir auch mal einen Frucht- oder Gemüsesaft vom Grossverteiler. Ungeachtet dessen, dass diese pasteurisiert und teilweise gesalzen waren. Beides eigentlich ein No Go in dieser Kur. Aber schliesslich galt es, die 30 Tage ohne feste Nahrung durchzustehen und sich gleichzeitig weiterhin ausreichend Vitamine und Nährstoffe zuzuführen. Da darf man auch mal beide Augen zudrücken, zudem verhilft Salz ebenfalls, verlorene Kräfte wiederzuerlangen. Eine meiner Spezialentdeckungen war der Sauerkrautsaft eines grossen Saftherstellers. Ob dieser tatsächlich leicht nach Speck riecht, kann ich hinterher nicht mehr beurteilen. Möglicherweise handelte es sich dabei aber auch bloss um eine kulinarische Fatamorgana, die meinen Sinnesorganen einen Streich spielte. Als richtige Belohnung sah ich allerdings Tomatensaft an. Dieser treue Begleiter schmeckt mir auch im richtigen Leben noch. Ganz im Gegenteil beispielsweise zu Karotten- (Schauder!) und Randensaft (Iiwääkpfui!). Letztere können mir vermutlich bis an mein Lebensende gestohlen bleiben.

Das Ende naht
Glücklicherweise neigte sich mein Experiment nun langsam aber Sicher seinem Ende zu. Die letzten Tage, während denen ich mich auch mal in ein Restaurant wagte und mich einem Fotoshooting mit frisch gebackenen Pizzas aussetzte, durften sich nun einem (vorläufigen) Schlussstrich nähern. Zwar gab ich mich zwischendurch auch mal dem übermütigen Gedanken hin, trotzdem die 60 Tage durchzuziehen. Aber die Lust darauf, endlich wieder auf etwas zu beissen, war stärker. Und schliesslich war der sich abzeichnende Erfolg ganz ansehnlich: Bis zum Tag 30 hatte ich ganze 12 Kilos abgenommen. Zwar lag ich damit leicht unter meiner Marke, die ich mir insgeheim gesetzt hatte – aber dieser Monat war, dessen bin ich mir sicher, nicht einfach ein spannendes Intermezzo, sondern der Beginn einer gesünderen und bewussteren Ära. Die Voraussetzung, damit mir die Kleider auch weiterhin passen, die es jetzt plötzlich wieder tun. Und um mir diese 12 Kilos so richtig deutlich vor Augen zu führen, stapelte ich in einem Lebensmittelgeschäft Mehlsäcke aufeinander, hob sie hoch und war ziemlich fassungslos darüber, dass ich dieses Mehrgewicht noch vor einem Monat unter meinen Klamotten herumgetragen hatte. Ohne zu murren. Diese Säcke jetzt in einer Papiertragtasche nachhause zu tragen hätte mir keinen Spass bereitet.

Ob ich diese Saftkur jemandem empfehlen würde? Unbedingt. Nicht als Diät, und nicht um abzunehmen. Da muss jeder den Weg für sich selber finden. Und eine solche Radikaldiät ist auch nicht jedermanns Sache. Wer aber nicht abgeneigt ist, sich und seinen Körper mal von einer völlig anderen Seite kennenzulernen und sich auch wieder einmal etwas besser zu spüren: Go for it! Es handelt sich hier um ein hervorragendes Kapitel Lebensschule: Kann ich Versuchungen und Reizen widerstehen? Was brauche ich wirklich, um zu überleben, und wo gebe ich mich einfach einer süssen, fettigen Verlockung hin? Ob eine, zwei, drei, vier oder gar mehr Wochen: Ich wünsche Ihnen viel Mut und ein aufregendes Ich-Kennenlernen!


Fortsetzung: Dick ist doof (Teil 5)

Was bisher geschah: Dick ist doof (Teil 1) – Dick ist doof (Teil 2) – Dick ist doof (Teil 3)

Full Movie: «FAT, SICK & NEARLY DEAD»:

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Autor: Pete Stiefel

Pete konnte pfeifen, bevor er der gesprochenen Sprache mächtig war – und an seinem ersten Schultag bereits schreiben. Trotzdem ist er da noch einige Jahre hingegangen. Danach schrieb und fotografierte er fürs Forecast Magazin, für Zürichs erstes Partyfoto-Portal stiefel.li, fürs 20 Minuten, MUSIQ, Q-Times, Party News, WORD Magazine, war Chefredaktor vom Heftli, lancierte das Usgang.ch Onlinemagazin – und er textete für Kilchspergers und von Rohrs Late Night Show Black’N’Blond und Giaccobo/Müller. Er trägt (vermutlich) keine Schuld daran, dass es die meisten dieser Formate mittlerweile nicht mehr gibt.

Irgendwann dazwischen gründete er in einer freien Minute seine eigene Kommunikationsagentur reihe13, die unterdessen seit weit über 13 Jahren besteht. Er ist mittlerweile in seiner zweiten Lebenshälfte, Mitinhaber vom Interior Design Laden Harrison Interiors, schrieb unterdessen Pointen für Giacobbo / Müller, Black 'n' Blond (mit Roman Kilchsperger und Chris von Rohr und irgendwann auf dem Planeten Kult gelandet. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein grosser Schritt für Pete.

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