Wieso wird das Negativdenken heutzutage so verpönt? Wir wissen natürlich, dass es uns nicht weiterbringt. Und trotzdem steckt es in uns. In unseren Ängsten, vergangenen Erlebnissen, in unseren Adern. Das natürlichste der Welt. Die Rede ist hier wohlgemerkt von einer kleinen Dosis, nicht von Schwarzmalerei, die Überhand gewonnen hat und uns in die Depression zerrt. Ich spreche von ein bisschen Negativität, die nicht schaden kann.
Sind nicht alle Denker ein bisschen negativ? Wer nachdenkt, sieht auch stets die Kehrseite der Medaille. Als logische Konsequenz sucht man nach allen Variationen, nach dem fehlenden Teil der Gleichung, bis man ihn findet. Realisten suchen sehr wohl auch nach Optimierungsmöglichkeiten, oft nach Wegen aus dem Sumpf heraus, in dem sie manchmal fast schon zu tief steckten. Wie mache ich das halb leere Glas nun doch noch voll? Oder soll ich mich mit dem halb vollen elend betrinken und es dann ganz leer stehen lassen? Die Gradwanderung ist gefährlich und führt manchmal haarscharf am Untergang vorbei. Sie ist aber auch interessant, erfordert Anpassungsfähigkeit und Entwicklung.
Sind Optimisten nicht Menschen, die Angst haben vor der Wahrheit? Zum Selbstschutz? Sind sie feige, gar unfähig sich den negativen Herausforderungen des menschlichen Daseins zu stellen?
Teilzeit-Schwarzmaler haben mehr Gründe um zu lachen. Über das Ironische, das Groteske, das Tragische, das Lächerliche, das Dramatische. Sie habe ich lauthals lachen gehört, aus tiefstem Herzen. Schreien vor Lachen, mit Tränen in den Augen, manchmal stundenlang. Nur zu gut kannten sie die Abgründe, das schwarze Loch, um zu lange darin verharren zu wollen. Sie saugen das Leben in sich auf. Runter in die brennende Hölle und wieder rauf zum Regenbogen.
Optimisten hingegen, hörte ich nie nach Luft schnappen vor Freude. Sie sind zwar immer heiter und kichern fast unaufhörlich (als müssten sie sich immer wieder von der Realität ablenken), aber nie aus tiefem Innern und nie besonders lange. Das Gute ist sowieso immer so nah. Die Lebensfreude ist zu selbstverständlich geworden, um sie sich in schlechten Momenten sehnlichst herbeizusehnen.
Hat man jedoch schwere Schicksalsschläge zu verkraften, lernt man kurzzeitig totaler Positivdenker zu sein. Doch muss man sich bewusst sein, dass einen die Realität, kurz vielleicht sogar, der Pessimismus, immer wieder einholt. Die Kunst ist es beiden Seiten anzunehmen. Erst wenn man das Negative akzeptiert hat, ihm immer wieder in die Augen sehen kann, wird man seine optimistische Ruhe im Herzen finden.
Nur wenn die Tiefs abgrundtief sind, können die Hochs auch himmelhoch sein. Nur wer auch schwarz malt, weiss die ganze Farbpalette zu benutzen.
In Wahrheit sind Optimisten die Leidenden. Sie lachen weniger lang und erst noch weniger intensiv. Sie leben weniger und erst noch weniger intensiv.
Einigen wir uns darauf, dass der Realist, doch ziemlich lebenswert und äusserst optimistisch ist.