in

Die Liebe in Zeiten des Facebook

Ach, die Liebe. Sie ist etwas Wunderbares.

Man trifft sich das erste Mal. Sanfte Bande knüpfen sich. Wann wird man sich wiedersehen? Wen fragt man nach der Nummer? Es knistert. Warten beim Telefon. Die Vögeli pfeifen. Man gibt sich Mühe. Schleicht sich morgens ins Bad und tut, als ob man beim Erwachen keinen Mundgeruch hätte… Wunderbar.

Früher zumindest.

Heute ist es eher so, dass man sich morgens um fünf im Club vor dem endgültigen Absturz (oder erst danach) noch den gefälschten Facebook-Namen durch den Techno hindurch zubrüllt. Weil man eben als Frau die Nummer nicht rausgeben soll. Weisch. «Prin Zässli» – «HÄ?» – «PRIN ZÄSSLI. MITEME ABSTAND. WEISCH ICH HAN EBE NÖD MIN RICHTIGE NAME… EGAL. SÄG DU EIFACH DIN NAME!» – «THOR THUNDERBOLT GCFÄN» – «WIÄ SCHRIIBT ME DAAAAS?»

Und so weiter. Keine sanften Bande, die sich knüpfen. Mehr so eine Facebook-Sexualkeule direkt in die Fresse. Geht Prin Zässli dann am Sonntagmorgen um 17.10 Uhr noch immer etwas angeschlagen auf Thors Facebook-Page (falls sie sich denn noch an seinen Namen erinnern kann), lauern dort viele Gefahren.

Gefahr Nummer eins: Der Beziehungsstatus. Der ist in der Realität nämlich gerne mal anders als im Club morgens um fünf – und da rede ich nicht nur von den Jungs. Wenn da also „In einer Beziehung mit Natalie GCFan Forever“ steht, dann weiss Prin Zässli sofort: Thor kam, Thor sah, Thor verlor.

Ist Thor jedoch Single, beginnt hier eine lustige Reise durch seine momentane Situation und, fast noch spannender, durch seine Vergangenheit. Zuerst natürlich alle Fotos durchschauen und nach Frauen scannen. Da ist eine, die ständig Bilder von Thor und sich selber an GC-Matches postet und BFF daneben schreibt. Die ist hübsch. So mit Rehaugen und Grübchen. Schlampe! Schnell deren Profil stalken. Die ist auch Single. Da sieht sich unser Prin Zässli bereits in zehn Jahren und mit drei Kindern von Thor für seine grosse GC-BFF-Liebe verlassen werden. «Hoffentlich kann ich das Haus behalten und bekomme das Sorgerecht», denkt Prin Zässli. So sind sie eben, die Prin Zässinnen.

Sie klickt sich weiter durch das 1078 Fotos umfassende Bilderarchiv von Thors Vergangenheit (2007 bis 2014) und trifft auf einen Schnappschuss von ihm mit einem… KIND! ALARM! «Bester Götti im Universum», steht daneben. UFF. JÖÖÖÖÖ! Und da passiert der Fehler: Unser Prin Zässli klickt, ohne nachzudenken, auf «Like».

SHIT SHIT SHIT! Uralter Facebook-Anfängerfehler. Wie peinlich. Jetzt könnte er noch denken, sie interessiere sich für ihn. Was stimmt. Aber das soll er ja nicht wissen. Unser Prin Zässli überlegt, sich kurzerhand von Facebook abzumelden und eine von denjenigen zu werden, die anderen ständig Vorträge darüber halten, wie viel freier sie sich fühlen, seit sie aus dieser Sekte ausgetreten sind – nur, um sich zwei Wochen später wieder anzumelden.

Sie entscheidet sich dagegen, weil sie ja so den Thor nicht mehr stalken könnte. Eine Message schreibt sie ihm selbstverständlich nicht. Das soll er machen. Und so zuckt sie jedes Mal, wenn ein Chatfenster aufspringt, ein bisschen zusammen und wird jedes Mal, wenn Bambi GC-BFF wieder ein Bild postet, rasend eifersüchtig und beschliesst, dass «BFF» bei den beiden Code für «Best Fuck-Friend» ist. Scheiss-Bambi. Scheiss-Thor. Scheiss-Facebook. Geht sie halt mit ihrem schwulen besten Freund auf Shoppingtour. «MIR DOCH ALLES EGAL!»

Auf der anderen Seite der Stadt nimmt Thor Thunderbolt GCFän gerade zum 36. Mal seinen ganzen Mut zusammen und schreibt Prin Zässli eine Message. Und das, obwohl sie viele Freunde hat, die FCZ-Fans sind – das hat er überprüft, als er sich am Mittwochabend durch ihre gesamte Chronik gestalkt hat.

Doch in dem Moment lädt dieser blöde, gestylte Hipster-Freund von ihr schon wieder ein Bild der beiden hoch. «Frustshopping mit BFF». Na super. «Nämed oi doch es Zimmer…»

…und löscht die Message.

So ist sie, die Liebe in Zeiten des Facebook – manchmal weit poetischer, als man annehmen mag.

 

Bild: students.ch

Gefällt dir dieser Beitrag?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Autor: Yonni Meyer

Yonni Meyer (*1982) wuchs dort auf, wo’s mehr Kühe als Menschen gibt. Und das war gut so. Kantonsschule in der Nordschweizer Provinz (Hopp Schafuuse). Studium im Welschland (Sprachen und Psychologie). Umzug an die Zürcher Langstrasse 2011. Seither konstant kulturgeschockt. Ende Juli 2013 Geburt des Facebook-Blogs „Pony M.“
September 2013 Einstieg bei KULT. Ab 2014 Aufbruch in die freelancerische Text-Landschaft der Schweiz. Meyer mag Blues. Meyer mag Kalifornien. Meyer mag Igel. Meyer mag Menschen. Manchmal.

Facebook Profil

Die besten 5, Langstrasse-Special

Dein Weekend mit einer Crack-LSD-Schorle intus