Da bin ich jetzt also in Biarritz angekommen, auf Einladung von Harley Davidson, ein bisschen am Wheels & Waves abzuhängen, und dann schiffts. Ja, scheisse, oder? Kommst endlich mal ins legendäre Europäische Surfermekka, denkst wird lustig, ein bisschen böse Töffs anschauen und nette Surferinnen und so, dann dann werdens nur Töffs. Ok, die waren zum Teil recht böse. Und ein paar von den Bösesten waren die Young Guns aus Rapperswil.
„Über zwei Dinge sollst Du Dich nicht aufregen, Du kannst Sie sowieso nicht ändern: Die Steuern und das Wetter“, so pflegte mein Vater zu sagen und das fiel mir in dem Moment wieder ein. Also egal. Wir gehen erst mal essen, in ein kleines Restaurant am Strand, und dort vorerst an die Bar, es gab Mojitos, und es schien mir ein guter Moment zu sein, Mojitos zu trinken. Wir waren eine lustige Truppe, aus ganz Europa waren nationale Harley-Davidson Companys in Begleitung von je etwa drei Journalisten aus dem entsprechenden Land in dieses Restaurant gekommen, eine Art Welcome-Drink-Dinner-wasauchimmer, und das lustige bei Harley Davidson ist immer, dass alle immer so tierisch stolz darauf sind, privat eben auch eine Harley zu fahren, die meisten jedenfalls, und dieser kollektive Stolz verbindet die Harley-Fahrer und niemand muss dem anderen etwas beweisen, hat ja jeder von ihnen eine Harley, das machen solche Abende so entspannt und fröhlich. Wir trafen dann noch Kai von Rokker Jeans, die sind auch hier, wir assen Schnecken, Meeresfrüchte und Fisch, und irgendwann mitten in der Nacht fand mein Magen diese Kombination nicht mehr so gut und gab den Rest zurück.
Am anderen Morgen dann das Frühstück verpasst, Kaffee ging auch, irgendwie wars sonnig, irgendwie nicht, der Himmel wusste es selber nicht, was er sein wollte, vielleicht wars auch einfach ein Customizer-Wetter, ein umgebautes Schlechtwetter, und ich ging aufs Gelände, mit all den Brands und Bikes, so eine Art Biker-Chilbi, inkl. Hamburger und Hotdog-Stand. Wir trafen andere Schweizer, die man nur von entfernt kannte, in dem Moment zoomte es sie aber ziemlich nahe heran, weil man ist ja nicht in Hinwil, man ist in Biarritz, ist nicht grad auf dem Weg, dahin muss man wollen, das verbindet, drum. Abends dann in die Halle, wo all die Exponate ausgestellt sind, jeder interessiert sich für jeden, Frauen hatte es kaum, es war so eine Art „Offener-Bromance-Hippiespirit-Jeans-und-Leder-Style“. Als wären alle auf Drogen, aber das war nicht so, auch hätte es gar nicht soviel Bier gehabt, um diese Glückseeligkeit in diesem grossen Fabrikraum, vollgestellt mit den abgedrehtesten Umbauten, hervorzurufen. Es war die schiere Freude an der Idee, an der Umsetzung, egal auf was für einer Basis, Honda, Harley, Eigenfabrikat, wenn einer was drauf hatte, dann machte er was draus und dann sah man das auch. Und man sah eine Menge.
Und das lustige bei den Customizern ist, dass alle immer so tierisch stolz darauf sind, irgendwelche Motorräder umzubauen, und dieser kollektive Stolz verbindet die Customizer und niemand muss dem anderen etwas beweisen, schweisst und schraubt ja jeder von ihnen und weiss drum, was es heisst, das machen solche Abende so entspannt und fröhlich. Bumm, da haben wirs wieder. Cool, oder? Da brauchen die Surfer gar nicht auch noch hier zu sein, ihr Spirit ist es. Jeder ist offen, so scheint es jedenfalls, interessiert, was der andere macht, ob Superstar oder Newcomer, dem Europa-Chef von Harley-Davidson ging beim Anblick dem flachgehaltenen und rohverschweissten Racer grad der Laden runter. Über eine halbe Stunde hatte er die Jungs ausgefragt, was, wie und so, und den Freaks aus Rapperswil ging die Brust auf. Es war so ein Moment wo jeder merkte, die Young Guns könnten mal was richtig Grosses werden hier. Ich traf Yonnis und Aramis, die gehörten auch zu dieser Truppe, wir rauchten eine, Aramis zeigte mir auf Insta seine Bilder, die er gemalt hat, wir tauschten ein bisschen Musik aus und er meinte, sie hätten hier ein Haus gemietet, für zwei Wochen, alles in allem etwa zwanzig Leute, er wusste auch nicht mehr so genau, aber ich sollte doch noch mitkommen, sie hätten alles da, Gitarren, Amps, sogar ein Drum, das hätten sie alles im Bus mit runtergenommen, das machten die immer so, wenn sie irgendwo hingingen. Also ging ich mit hin, wir machten ein bisschen Musik, kochten, tranken, rauchten, machten wieder Musik, irgendwie hatten immer etwa vier Leute eine Gitarre in der Hand und es wurde gejamt, dann kam wieder jemand Neuer rein, sagte „Hallo“, ging irgendwann schlafen, die einen blieben nur zwei Tage, die anderen länger, und ein paar hatten noch das Rennen am nächsten Tag, und den einen mussten sie holen, weil er auf dem Töff eingeschlafen war und die Polizei ihn gefunden hatte und solche Geschichten. Vier Stunden Schlaf bei Sound und Volllicht reichen, wenn man Zwanzig ist, in meinem Alter zahlt man noch relativ lang dafür. Aber für Momente wie diese, legt man gerne ein paar Tage hin.
Es war fünf, als ich ins Hotel zurückkam. Und irgenwann am frühen Nachmittag aufgewacht. Es reichte, um nochmals kurz aufs Gelände zu gehen, ein paar Sachen für die Familie einzukaufen, Shirts und so, nochmals einen Hotdog reinzudrücken und ein Bier hinterher, dann gings auch schon wieder zurück. Flieger wartete. Bzw. hätte eben nicht gewartet. Schön wars in Biarritz, die Sonne wird sich noch ärgern, dass sie nicht gekommen war, sie hat was verpasst, und zwar ein paar ziemlich inspirierende Tage.