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Ich, der Vollpfosten-Mörder

Was bisher geschah: Aus unserer Sommer-Serie «Zürcher Vollpfosten» – Heute: Werdplatz-Pfosten

Jetzt fühle ich mich schlecht. Ich habe zwei Vollpfosten auf dem Gewissen, Jumbo 1 und Jumbo 2. Und das ging so: Mir sind mitten auf dem Werdplatz in Zürich zwei Pfosten aufgefallen, die irgendwie nicht dort hin zu passen schienen. (Der gewiefte Leser erkennt die Vergangenheitsform in diesem Satz.)

Wie es in der Kult Redaktion üblich ist, lassen wir solche Fragen nicht einfach auf uns sitzen, sondern wir bündeln unser gesamtes Investigationsjournalismus-Wissen und machen uns im Dienste unserer Leserschaft auf und lassen nicht locker, bis der Sachverhalt restlos geklärt ist. Die Publikation von Vermutungen, Gerüchten und Halbwahrheiten überlassen wir unseren Kolleginnen und Kollegen aus dem Boulevard-Journalismus.

Mir schien der Weg angemessen, der zuständigen Stelle bei der Stadt Zürich ein Express-Kontaktformular zuzustellen. Zuständig ist in diesem Falle das Tiefbau- und Entsorgungsamt. Dass diese beiden Ämter so lücken- und insbesondere erbarmungslos zusammenarbeiten, hätte ich nicht im Traum gedacht. Im speziellen das Entsorgungsamt – mehr dazu jedoch später.

Besagte Anfrage habe ich vorgestern Nachmittag abgeschickt, die Antwort kam blitzartig heute Vormittag in Form einer elektronischen Mail:

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Sehr geehrter Herr Stiefel,

Ihre Email vom 12. August 2015 haben wir erhalten. Vielen Dank.

Die Pfosten, die Sie auf dem Werdplatz erwähnen, mussten ursprünglich zwecks Schutzes eines Kandelabers gestellt werden. In der Zwischenzeit hat das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ein neues Beleuchtungskonzept erstellt und es konnte damit auf einen Kandelaber verzichtet werden. Die ausführende Unternehmung hat in gutem Glauben die schützenden Pfosten wieder gesetzt, jedoch ohne Rücksprache mit uns zu halten.

Da die erwähnten Pfosten nun keinen eigentlichen Zweck mehr erfüllen, werden wir diese zeitnah wieder entfernen.

Wir danken Ihnen für Ihren Hinweis und wünschen Ihnen weiterhin viel Freude auf den schönen Plätzen unserer Stadt.

 

Freundliche Grüsse
W.Z.
Leiter Strassen

Kopie an:

i.A.

C.A.
Leitende Assistentin Werterhaltung

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Nun gut, werden Sie sich sagen. Eine freundliche Reaktion seitens Tiefbauamt. Schneller als gedacht, höflich formuliert, kundenfreundlich. Kurz nach der Lektüre dieses Antwortmails bin ich über besagten Platz geschlendert, in der Absicht, bei einem nahen Detailhändler einige Nahrungsmittel zu besorgen. Ich begegnete den beiden altbekannten Pfosten, dank meiner intensiven Recherche hatten sie nun einen Namen: Jumbo. Jumbo heisst diese Art Pfosten, die in der Stadt Zürich eingesetzt werden, wenn es um den Intensivschutz schützenswerter Objekte geht. Für Jumbo 1 und Jumbo 2 gemäss städtischer Auskunft also ein Kandelaber. «Danke Jumbos, dass ihr dem Kandelaber so treu die Stange gehalten habt. Bis später, ich muss jetzt schnell einkaufen gehen.» Bis später? BIS SPÄTER??? Ich war gerade mal eine Viertelstunde weg, ich schwör, da komme ich wieder zurück, spaziere über den Werdplatz, und ZACK! JUMBO 1 UND JUMBO 2 SIND WEG! Vom Erdboden verschluckt oder ausgespuckt. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich, eine düstere Vorahnung. Und siehe da: In der Ausfahrt des Platzes, auf welchen man eigentlich nicht einfahren dürfte, stand ein oranges Fahrzeug mit Ladefläche. Ich bin gerannt, atemlos. Jumbo? Jumbo? Und da: Keuchend beim Kleinlaster angekommen werfe ich einen zaghaften Blick auf die Ladefläche. «Jum… Jumb… Jumbo…?» Ein dicker Kloss im Hals verhindert mehr Worte des Mitgefühls. Und da fährt der orange Vollpfosten-Leichenwagen auch schon auf und davon.

Das war sie also, die kurze Geschichte von zwei Vollpfosten. Sollten Sie ebenfalls auf Ungereimtheiten im keimfreien Stadtbild stossen, wenden Sie sich bitte unverzüglich an die Kult Redaktion. Wir werden weiterhin alle Hebel für Sie in Bewegung setzen und für Ruhe, Ordnung und Sicherheit sorgen. Versprochen.

Kandelaber

(Abb. zeigt: Die guten alten Zeiten, als Jumbo & Jumbo noch eine Aufgabe hatten. Foto: Google Street View)

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Autor: Pete Stiefel

Pete konnte pfeifen, bevor er der gesprochenen Sprache mächtig war – und an seinem ersten Schultag bereits schreiben. Trotzdem ist er da noch einige Jahre hingegangen. Danach schrieb und fotografierte er fürs Forecast Magazin, für Zürichs erstes Partyfoto-Portal stiefel.li, fürs 20 Minuten, MUSIQ, Q-Times, Party News, WORD Magazine, war Chefredaktor vom Heftli, lancierte das Usgang.ch Onlinemagazin – und er textete für Kilchspergers und von Rohrs Late Night Show Black’N’Blond und Giaccobo/Müller. Er trägt (vermutlich) keine Schuld daran, dass es die meisten dieser Formate mittlerweile nicht mehr gibt.

Irgendwann dazwischen gründete er in einer freien Minute seine eigene Kommunikationsagentur reihe13, die unterdessen seit weit über 13 Jahren besteht. Er ist mittlerweile in seiner zweiten Lebenshälfte, Mitinhaber vom Interior Design Laden Harrison Interiors, schrieb unterdessen Pointen für Giacobbo / Müller, Black 'n' Blond (mit Roman Kilchsperger und Chris von Rohr und irgendwann auf dem Planeten Kult gelandet. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein grosser Schritt für Pete.

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Muss man haben: Eine Wohnung in der Zürcher Europaallee

immer diese ausländer und so.