Die Tänzerinnen. Glänzende Körper im Schein massiv-goldener Feuerschalen. Eingeölt. Beinahe nackt. Bis auf den Muschelschmuck, der mitklapperte: Perkussion des Paradieses, die das Schwingen der Hüften, der prachtvollen Hintern und Busen begleitete.
Sowie die mageren Musikanten. Mit ihren Hörnern, ihren Trommeln und Harfen.
Das voluptuöse Bankett. Mit den Ziegenzungen in Aspik, der Krebsfleisch-Konfitüre, dem Schlafmohn-Blütenhonig, den frischen, luftigen, blütenweissen Broten.
Ach, die Brote…
Und erst die köstlichen Weine, die in schier unendlichen Strömen geflossen sind.
Die Poetenpriester. Mit ihren süssen, hohen, ihren singenden, durchdringenden Stimmen, anspielungsreiche Oden verkündend. Preisend die pralle Lust des Fleisches, welche die Seelen nährt. Preisend das Blut und den Speichel, in denen der Mut und der Übermut wohnen. Preisend die Erde und den Himmel, die unsere Heimat sind.
Die unzähligen Tier- und Menschenopfer. Vergnügt geschlachtet. Auf den Altaren der Vergänglichkeit.
Und schliesslich die Gäste. Rotwangig. Leuchtende Augen. Verströmend den Duft seltener Parfüme aus dem Orient.
Heisse Nacht, heitere Nacht, heitere Lustbarkeit und Grausamkeit.
Doch dann kam der Sturm. Plötzlich. Ohne den leisesten Hauch einer Ankündigung. Ganz im Gegenteil. Er hat das schöne Fest in die Hölle gefegt, zerfetzt, in Stücke gerissen, verteilt über den gesamten Planeten.
Und auf den Sturm folgte der Regen. Ein schwerer, ein harter, ein erbarmungsloser Regen, der alles wegschwemmte, was Menschenhand jemals geschaffen, sodann noch das Erdreich aufweichte, fortspülte, bis bloss noch graue Felsen übrig geblieben sind: Knochen der Welt.
Dabei hatten die Propheten doch derart lange in den Eigenweiden der Pelikane gelesen, die zwar erbärmlich gestunken haben. Nach fauligen Fischen. Die jedoch präziseste Auskünfte über kommende Ereignisse zu geben vermöchten; so sagten immerhin jene grossmächtigen Magier, als Vorgesetzte der Propheten, die hoch oben auf jenem Berg wohnten, der alle anderen Berge überragte.
Nach dieser ausführlichen Lektüre verkündeten die Propheten nämlich, dass nun der ewige Sommer angebrochen sei, der nimmermehr getrübt werden könne: Eine unendliche Ära der Lustbarkeiten.
Also hatten die Herrscherinnen der Welt glänzende, prunkvolle, ausschweifende Feste angeordnet. Um den ewigen Sommer gebührend zu empfangen, zu umarmen, zu feiern. Mit allen Sinnen.
Die günstigen Prophezeiungen waren jedoch nichts als tragischer Irrtum, bittere Illusion. Wie sich schon bald herausstellen sollte.
Denn im Himmelreich der Götter hatte – noch während die Feste emsig vorbereitet wurden – eine Revolution stattgefunden. Die Göttinnen und Götter der unbändigen, unbeschwerten Lust, jener lachenden Trunkenheit, in deren Nabelnest Liebe und Schmerz so mühelos zu einem wunderbaren Amalgam zusammenfliessen, waren über Nacht gemeuchelt worden.
Von einer missgünstigen, einer grausamen, eifersüchtigen, einer neuen Götterschar, die sich lediglich am Darben, am Heulen und Zähenknirschen, am Untergang ihrer Subjekte zu erfreuen vermochte.
Und während die Menschen ihre Feste vorbereiteten, kochten diese bösen neuen Gottheiten jenen Sturm zusammen, den sie just dann von der Leine liessen, als die Feierlichkeiten ihrem Höhepunkt entgegentrieben.
Nur wenige Menschen haben diesen Sturm überlebt. Sie ziehen nun mühselig durch karge graue Felslandschaften und ernähren sich von den wenigen bitteren Kräutern und sandigen Wurzeln, die das Unwetter überstehen konnten. Nomaden der Traurigkeit, Brüder und Schwestern des Schattens, getrieben lediglich von Durst und Hunger. Ewige Wanderer auf der Suche nach Nahrung. Da bleibt kein Raum mehr für Gefühle.
Alle gegen alle, heisst das neue Gesetz.
Und eines schrecklichen Tages erscheint der Engel der Grausamkeit am fahlen Himmel. Er ruft mit krächzender Stimme, so qualvoll – ach – für Ohren und Gemüter:
„Umnachtete Seele. Blutendes Hirn. Zuckende Leiber im Feuer der Schmerzen. Eure Herzen zerquetscht. Wie Weintrauben unter den tanzenden Füssen der Dämonen. Wenn einer euch Heilung verspricht, hat er sich Tausendundelfmal geirrt. Denn die Zeit der Steinigungen ist angebrochen, die Zeit der Brüche und Verbrennungen. Und ihr werdet am Ende nur noch Futter für die Zahnräder der Zeit sein. Zu traurigem Staub zerrieben. Zwischen den Mahlsteinen der Götter. Keine Hoffnung! Keine Hoffnung! Keine Hoffnung!“
Nun lacht er. Wie ein infernalischer Ziegenbock. Und verschwindet. Ein Schwefelwölkchen hinterlassend, einen so genannten Engelsfurz.
In jener Vergangenheit, die ja noch gar nicht so lange vorbei war, hatten sich die Menschenkinder gegenseitig immer jene beruhigende Formel vorgesagt, von der Hoffnung nämlich, die zuletzt sterben würde. Doch nun müssen sie es einsehen: Zuletzt ist jetzt!