in

Zu viel Öffentlichkeit

Die News-Junkies sind eine bemittleidenswerte Spezies. Kaum furzt irgendwo jemand, muss ein News-Ticker her, der im Minutentakt über die verschiedenen Duftstärken des Furzes berichtet. Dazu exklusive Interviews mit Leuten, die auch von diesem Furz gehört haben und Leuten, die Leute kennen, welche angeben, sich ein paar Tage vorher noch auf dem selben Kontinent wie der Furzer aufgehalten haben und drum Bescheid wissen. Und dann Bilder von Büropflanzen, die unter dem Furz zu leiden haben und verwackelte Videosequenzen, die zeigen, wie Menschen an dieser Büropflanze vorbeigehen, als Beweis, dass da einer gefurzt hat. Und dann sind diese News-Junkies die halbe Nacht wach, ereifern und ergeifern sich über jeder Nullmeldung, schreiben Kommentare auf sozialen Netzwerken, posten Bilder und Links, mischen sich in andere Kommentare ein, blocken die, die eine andere Meinung zum Furz haben, beschimpfen grundsätzlich alles, was von der eigenen Meinnung abweicht, denken dabei, dass sie informiert und engagiert sind und merken nicht, dass das Gift, dass sie über ihren Bildschirm in ihre Hirnwendungen spritzen gleichermassen aus ihren Fingerkuppen hinausquellt, auf die Tastatur ihres Computers, der Eingangstür zu ihrer Online-Beiz. Seit sich die sozialen Medien etabliert haben, muss man nicht mehr vor die Tür, um öffentlich zu sein. Man kann in seiner verrotteten und langweiligen Hütte hocken, sich an den Eiern kratzen, und trotzdem irgendwie an der Öffentlichkeit sein. Denn Öffentlichkeit ist wichtig, sonst nimmt sich der News-Junkie selber gar nicht wahr, und das Schöne an dieser Öffentlichkeit ist, dass man sich dabei nicht zeigen muss. Und dass so niemand sieht, wie der eigene Geist an dieser konstanten Öffentlichkeit langsam erodiert. Denn so sehr der News-Junkie regelmässig seinen Schuss braucht, so sehr will er nicht, dass man ihm seine innere Leere anmerkt. Was zwar ein respektabler Wunsch ist, aber im Grunde genommen vor allem bestätigt, dass er halt doch nur ein Junkie ist, der irgendwann an seiner Droge zugrunde geht.

Gefällt dir dieser Beitrag?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Autor: Rainer Kuhn

Rainer Kuhn (*1961) hat das ganze Ding hier gegründet, aufgepäppelt, fünf Mal neu erfunden, vorher Werber, noch vorher Betriebsökonomie studiert, noch vorher Tennislehrer gewesen. Dazwischen immer mal wieder ein Kind gemacht. Wollte eigentlich mal Pferdekutscher im Fex-Tal werden, später dann Pfarrer. Im Herzen ein Landbub, im Kopf dauernd unterwegs. Schreibt drum. Hat ein paar Gitarren und ein paar Amps in der Garage stehen. Macht Musik, wenn er Zeit hat. Hat er aber selten. Blues und Folk wärs. Steht nicht gern früh auf. Füllt trotzdem die Kult-Verteilboxen jeden Monat mehrmals eigenhändig auf. Fährt Harley im Sommer. Leider mit Helm. Mag Mainstream-Medien nicht. Mangels Alternativen halt Pirat geworden. Aber das ist manchmal auch streng.

Facebook Profil

Reklame, die wir gerne öfter sähen, heute: VW.

Es ist okay