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Chill’s, Alte!

Man kann von den jungen Leuten halten, was man will. Zwar sprechen sie eine Sprache, mit welcher wir Erwachsenen nurmehr schlecht als recht klarkommen, aber was sie sagen, hat manchmal auch Gehalt.

Zugegeben, nicht gerade sehr häufig. Meist handelt es sich in ihren Unterhaltungen um Belanglosigkeiten, die auf Sex hinauslaufen, oder auf Drogenkonsum, oder auf beides. Wir möchten aber einen Ausspruch herauspicken, der Mustergültigkeit hat, und den man sich auch als anspruchsvoller Mensch zu Herzen nehmen sollte – oder gerade deswegen.

„Chill’s, Alte!“ (Kurzform „Chill’s“) kommt ursprünglich aus dem Englischen ‚to chill‘ und bedeutet so viel wie ‚abkühlen‘, in neuerer Zeit auch ‚beruhigen‘, ‚entspannen‘. Diese jungen Leute fordern sich mit dieser Äusserung also dazu auf, es etwas ruhiger anzugehen, und das ist ein durchwegs löblicher Ansporn.

Regen Sie sich auch gerne und oft über alles Mögliche und Unmögliche auf? Über das aktuelle Weltgeschehen, beispielsweise? Oder über den Trottel vor Ihnen? Oder die Praktikantin an der Expresskasse? Oder die Leserbriefschreiber in Ihrer Morgenlektüre? Oder den verpasste Zug? Oder das in der Pfütze liegende Zigarettenpäcklein? Oder Ihre Überstunden? Oder über Waschküchenärger mit Ihrem Nachbarn? Oder einen gerissenen Schuhbändel? Oder über die Sie umzingelnde Massenverblödung?

Gerade jetzt, hier, an Ort und Stelle und stante pede nachhaltig etwas gegen einen solchen Ärger zu unternehmen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Warum also nicht der jugendlichen Aufforderung folgen und sich vorerst einfach mal etwas beruhigen, es chillen? Geht nicht, sagen Sie? Geht doch, sagen wir! Sehr einfach sogar. Sie brauchen dafür keine Hilfsmittel, müssen sich noch nicht mal von da wegbewegen, wo sie sich gerade befinden – und es klappt sogar beim Autofahren (wobei Sie jetzt natürlich nicht am Autofahren sein sollten, wenn Sie diesen Beitrag lesen).

Es geht um eine Übung, und die ist ganz leicht: Lösen Sie bei geschlossenem Mund Ihren Unterkiefer vom Oberkiefer, so dass die Zähne nicht mehr aufeinanderbeissen. Und jetzt lösen Sie Ihre Zunge vom Gaumen. Die klebt aus unerfindlichen Gründen immer da oben und sorgt dafür, dass Sie sich verspannen. Jetzt werden Sie bemerken, dass sich Ihre Schultern nach oben und nach vorne gezogen haben. Stimmts? Dann runter mit den beiden, schön sinken lassen und eventuell noch leicht schütteln, um sie zu lockern. Inzwischen ist die Zunge bestimmt wieder am Gaumen. Lösen Sie sie erneut. Und jetzt werden Sie feststellen, dass sich nicht nur Ihre körperliche Anspannung verflüchtigt, sondern dass sich gleichzeitig auch etwas von Ihrer Aufregung gelegt hat. Atmen Sie langsam durch die Nasenlöcher tief ein und aus, und Sie werden dabei bemerken, dass nun alles nicht mehr ganz so arg ist. Vorausgesetzt natürlich, es ist auch nicht ganz so arg. Und das ists ja meist auch nicht, wenn wir ehrlich zu uns selber sind. Jedenfalls nicht, wenn es sich um eine der oben genannten Lappalien handelt. Das aktuelle Weltgschehen natürlich ausgenommen.

(Bild: pexels.com)

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Autor: Pete Stiefel

Pete konnte pfeifen, bevor er der gesprochenen Sprache mächtig war – und an seinem ersten Schultag bereits schreiben. Trotzdem ist er da noch einige Jahre hingegangen. Danach schrieb und fotografierte er fürs Forecast Magazin, für Zürichs erstes Partyfoto-Portal stiefel.li, fürs 20 Minuten, MUSIQ, Q-Times, Party News, WORD Magazine, war Chefredaktor vom Heftli, lancierte das Usgang.ch Onlinemagazin – und er textete für Kilchspergers und von Rohrs Late Night Show Black’N’Blond und Giaccobo/Müller. Er trägt (vermutlich) keine Schuld daran, dass es die meisten dieser Formate mittlerweile nicht mehr gibt.

Irgendwann dazwischen gründete er in einer freien Minute seine eigene Kommunikationsagentur reihe13, die unterdessen seit weit über 13 Jahren besteht. Er ist mittlerweile in seiner zweiten Lebenshälfte, Mitinhaber vom Interior Design Laden Harrison Interiors, schrieb unterdessen Pointen für Giacobbo / Müller, Black 'n' Blond (mit Roman Kilchsperger und Chris von Rohr und irgendwann auf dem Planeten Kult gelandet. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein grosser Schritt für Pete.

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