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SO MITTEL-GEIL: DAS BRENNENDE HAUS DEINER SEELE

Ich habe Dich rausgetragen. Aus dem brennenden Haus Deiner Seele. Dabei wären wir beide fast erstickt. Doch als wir den Flammen entflohen waren, unters Himmelszelt getreten sind, hatte sich die Umgebung verändert. Sie war keineswegs besser geworden. Wo früher saftiges Gras wuchs, lag nun grauer Staub – und dieser entsteht bekanntlich auf der Grundlage toter Menschen und Tiere. Wo früher Bäume in die Höhe ragten, stramm und stolz – wie die angeschwollenen, ansehnlichen, neugierigen Zipfel der sieben Zwerge, wenn sie dem Schneewittchen an einem schönen Samstagabend beim Striptease zuschauen dürfen, der ja jeweils als erotisches Tänzchen beginnt und als hemmungslose Porno-Schau endet –, standen nun Galgengerüste, die bekanntlich nur eine Fruchtsorte hervorbringen: Leichen. Wo einst Hügel sich erhoben, gähnten nun bodenlose Abgründe. Ja, das Haus Deiner Seele war niedergebrannt. Schutt und Asche. Danach gab es auch da draussen keine Welt mehr, keine Menschen mehr, auch keine anderen Kreaturen. Ausser uns. Und ich war Dein Retter. Ich wusste nicht, wer das Haus Deiner Seele in Brand gesteckt hatte. Ob die Motive dafür der Liebe oder dem Hass geschuldet waren, der Unachtsamkeit oder der Pyromanie. Aber ich sah das Resultat, sah Deine Augen, supermassive schwarze Löcher, die mich in Untiefen zogen, von denen ich nicht einmal geahnt hatte, dass sie existieren. Deine Kleider waren angekokelt. Trotzdem sahen sie sehr ansprechend aus. Wie experimentelle Reizwäsche aus der Designerwerkstatt von «Hiroshima Mon Amour». Sie akzentuierten Deine exquisiten Körperformen aufs Exzellenteste. Und da sagtest Du, mit jener tiefen, rauen, heiseren Stimme, die Dir das Feuer geschenkt hatte: «Du bekommst Deinen Belohnungssex. Ich bin zu allem bereit.» In den Ruinen eines Rummelplatzes haben wir es miteinander getrieben. Auf verstümmelten Karussellpferdchen, in entgleisten Achterbahnwagen, im Schattenlabyrinth der halbzerfallenen Geisterbahn. Wir haben alles gemacht, alles, was Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich vorstellen können, alles, was die Fachkräfte der Sexualpsychologie sich ausmalen können, alles, was das Kamasutra, der Freiherr von Krafft-Ebing, der göttliche Marquis hergeben. Und später haben wir sogar noch neue Dinge erfunden, deren Beschreibung scheitern muss. An der Schallgrenze der Sprache. Dann sind wir eingeschlafen. Als wir wieder aufwachten, verspürten wir mächtigen Durst. Doch es gab kein Wasser, keinen Wein, keinen Whisky mehr. Nur noch jene faulig riechende Brühe, die da und dort ekelhafte Pfützen bildete. Wir hatten Hunger. Doch gab es keine Lebensmittel mehr, keine Früchte, die man hätte pflücken, keine Tiere, die man hätte töten, zerlegen, essen können. So beschlossen wir, Unzucht zu treiben. Bis uns die Erschöpfung ums Leben bringen würde. Dies haben wir getan. Es war anstrengend. Dann sind wir gestorben. Wimmernd. Danach kam nichts mehr. Immerhin waren wir als letzte Kreaturen unseres Planeten krepiert, als allerletzte.

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Autor: Christian Platz

Lebt in Basel. Arbeitet überall. Reist recht viel. Vor allem nach Asien. Und in den Deep South der USA. Verdient sein Geld seit über einem Vierteljahrhundert mit Schreibarbeiten. Vorher hat er als Pfleger in einer Irrenanstalt gewirkt. Hat mehrere Bücher veröffentlicht. Spielt seit 40 Jahren fanatisch Gitarre, zwischendurch singt er auch noch dazu. Schreibt unter anderem für Kult. Ist manchmal gut aufgelegt. Manchmal schlecht. Meistens so mittel. Sammelt Bücher, CDs, Filme, Artefakte. In einem psychisch leicht auffälligen Ausmass. Verfügt, bezüglich der Dinge, die er sammelt, über ein lexikalisches Wissen. Platz ist einerseits ein Wanderer auf dem Pfad zur linken Hand. Andererseits Neofreudianer mit Waffenschein. Liebt Blues und Voodoo, Rock'n'Roll und die schwarze Göttin Kali. Trinkt gerne Single Malt Whisky aus Schottland. Raucht Kette. Ist bereits über 50 Jahre alt. Macht einstweilen weiter. Trotzdem wünscht er nichts sehnlicher herbei als die Apokalypse.

WARNHINWEIS:
Dieser Mann tritt manchmal als katholischer Geistlicher auf, stilecht, mit einem besonders steifen weissen Kragen am Collarhemd. Dies tut er in gänzlich irreführender Art und Weise und ohne jegliche kirchliche Legitimation. Schenken Sie ihm - um Gottes Willen - keinen Glauben. Lassen Sie sich nicht von ihm trauen, ölen oder beerdigen. Lassen Sie sich von ihm keinesfalls Ihre Beichte abnehmen. Geben Sie ihm lieber Ihr Geld.

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