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GIMMA MIT (P)LATTE DES JAHRES

Ich sagte im Jahr 2008 zu Ben Harper „Hey man, I think Hip Hop killed Rap – would you agree?“. Er war perplex. Schaute auf den Boden, zu mir, dann weg, und nach sekundenlangem An-die-Wand-Starren wiederum nickend zu mir zurück „Mate, that is amazing what you just said – you are so right, this is more than true!“. Es folgte eine aufgeregt geführte Retrospektive auf die Geschichte und die pingpongartige Aufzählung der einzig wahren Rap-Helden, angefangen bei Kurtis Blow über Grandmaster Flash & The Furios Five bis hin zu Ice-T, A Tribe Called Quest, Public Enemy, RUN DMC, Beastie Boys und den allmächtigen N.W.A. 

Damals, in den 80ern, war Rap noch eine strassen- und hinterhofgesellschaftliche Sache. Brennende Mülltonnen. Scheissklamotten. Eine Menge sozialer Probleme, gefährliche Beats und zweihundert Dezibel Attitüde. Richtig viel Attitüde, Mann. Das Meiste, was heute unter dem Prädikat „Hip Hop“ verkauft wird, ist eine über Zeitlupenbeats gequasselte Fashionreklame in Endlosschlaufe inklusive Projektionsfläche für überdimensionale Silikonärsche. Das hat nullkommanichts mit der ursprünglichen Idee dieser Gegenbewegung der sozial Ausgegrenzten (erst hauptsächlich in den New Yorker Stadtteilen Harlem & Bronx) zu tun, die Ende der 70er und Anfang der 80er mindestens so radikal war wie Punk. 

Punk der Rapszene

Der Punk der Schweizer Rapszene ist GIMMA. Einer, der tatsächlich Scheisse gefressen hat. Mit sieben Schöpflöffeln gleichzeitig. Sich durch’s Leben kämpfen musste und als aufstrebendes philosophisches Megatalent einem biederen Schweizer Publikum erklären sollte. Hat er wirklich einen an der Waffel? Oder doch alles „nur Show“? GIMMA nutzte das nach Schubladen und Sensationen dürstende Medieninteresse von Anfang an. Er machte es gekonnt zu seinem Instrument und schoss in die Charts, schneller als man mit Wut getankten Mercedes-Limousinen zertrümmerte Verlagseingangstüren reparieren konnte. 

Von der Chart-Elite aus grüssend fand er es lustig, ähnlich wie Scooter, die Musikindustrie und ihre Konsumenten zum Narren zu halten. Mal sehen, was man hier alles so anstellen kann. Er produzierte sogar ein Pop-Album. Mit (dem hervorragenden, aber natürlich nicht mit schwersten Gangsterketten behangenen) Roman Camenzind. Der Mittelfinger an Szene und Medien war riesig, und die Platte erfolgreich (eines von GIMMAs drei Top-Ten-Alben). Mit „Unmensch“ machte der Bündner dann wieder das, was er am besten kann: Deepen Scheiss mit soviel Flow & Skillz über fette Beats rhymen, als sei er Busta Rhymes’ Brother from another Mother.

2016: Zweites Buch und Schweizer Album des Jahres 

Nach dem heftigen „Mensch Si“ (Titeltrack feat. Carlos Leal) zog er sich ab 2012 zurück. Schrieb und veröffentlichte ein Buch. Nun, 2016, ein zweites. Beide sind lesenswert, erzählen seine wirklich krasse Geschichte mit einem ihm eigenen Sarkasmus, der auch als rabenschwarze Gesellschaftssatire durchgeht. Diese – wahren – Geschichten machen ihn zum härtesten und glaubwürdigsten Rapper der Schweiz. Einer, der aus der Hölle kam. Und den Himmel ohne inszenierten Anger lächerlich macht. GIMMAs Zorn und Verletzlichkeit sind echt. Das Leben machte ihn Hardcore. 

Diese Eigenschaften unterscheiden ihn von allen nach ihrer Gangster-Rapshow ins Klassenzimmer vor Mathe-Schülern stehenden Post Seminaristen. Von den mässig beeindruckenden Krass-HipHoppern mal abgesehen, deren Eigenbild in der Regel sehr stark vom Fremdbild abweicht. Mit vielen Post Punkbands ist es dasselbe, die meinen, wenn sie drei Akkorde spielen und sich drei Tage nicht waschen können, seien sie Punks. Nope, you are not. At all.

Visionen, inneres Feuer, Intelligenz und meterdicker Mittelfinger ans Establishment

Punk und Rap sind Lebenseinstellungen, die vor allem mit Visionen, innerem Feuer, messerscharfer Intelligenz und meterdickem Mittelfinger ans Establishment zu tun haben. Das alles ist GIMMA – und er hat damit zufälligerweise das mit Abstand beste Schweizer Album des Jahres geschrieben. Auf „Megaschwiizer“ rollen die Beats so fett, dass man, um sie einzukleiden, die Grösse „Äquator“ erfinden müsste. Und GIMMA philosophiert über Leben, Tod und Verderben so spielerisch, als würde er ein Calanda nach dem anderen saufen.

Seine ausserirdischen Rap-Skillz werden auch in der folgenden Anekdote verdeutlicht, welche zudem seinen unbestrittenen Status des helvetischen Freestyle-Kings unterstreicht:

Dieser eigentlich unsichere, von Herzen freundliche, konfliktscheu wirkende Typ wurde während seiner Radio-Promotion-Tour von Planet 105 eingeladen, um in DÜLI’s Sendung gegen eben DÜLI („Die Eule“) hinter seiner (gar nicht mal so dunklen) Maske zu battlen. Dafür wurde GIMMA der Beat vorab geschickt, mit der Aufforderung / Weisung, doch einen Acht-Zeilen-Rhyme vorzubereiten.

Unvorbereitete Machtdemonstration auf Radio-Promo-Tour

Am Interview-Tag im Studio angekommen, beantwortete GIMMA die Frage, ob er den Beat angehört und die acht Zeilen vorbereitet hätte, mit dem Wort: „Nai“. Moderator DÜLI schaute ihn ungläubig an, weil GIMMA nicht mehr in sich hätte ruhen können als in diesem Moment, und meinte „Okay, dann machst vielleicht jetzt kurz was – wir haben noch paar Minuten. Ich selber bin vorbereitet“. GIMMA setzte sich gemütlich hin, packte den Moleskin raus, schrieb auf Kommando in nur 75 Sekunden (!!) wie ein Irrer – ohne einen Buchstaben durchzustreichen – acht nacheinander folgende Zeilen rein und fragte wie von Sinnen aufschauend: „Sölli vorraima?» 

„I rupf die Üüla usanand wiana grupfts Huahn,

Z nögschta Celine Featuring well du schluggsch Stuahl

Wiana Fräsi in der Schriinerai, steck na ina, druckanab und schick di als Berliner hei

Das isch nur en kliina Rhyme übers Spitta und Schlugga,

Figg di so tüüf in Racha wia Raketa nenns Bazooka

Eigentlich simer jo Fründe, wia «la vida» und «loca»

Lutsch Banana, friss Pilz und nenn mi Mario Gokart“

Hier der Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=hxIfTL5nXRg

Bewertung: Ein paar Psychologen-Abos für allfällige GIMMA-Freestyle-Gegner auf seiner kommenden Clubtour. Und den KULT-Lifetime-Pornesie-Award. Plus eine Hechtrolle vorwärts im nächstjährigen Bachelor für die „CH-Latte des Jahres“.

Hier zu kaufen:

https://www.cede.ch/de/music/?view=detail&branch_sub=0&id=1377391&branch=1

https://itunes.apple.com/ch/album/megaschwiizer/id1171722270

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Autor: Sascha Plecic

Wem sein Leben lieb ist, darf auf keinen Fall:

- Nicht wissen, wer Coco ist, und im Bodycount-Backstage vor Ice-T’s versammelter grimmiger South-Central-L.A.-Truppe mit ihr flirten
- Robb Flynn (Machine Head) sagen, dass Metallica die Village People der Bay Area sind - und bei ungläubigem Nachfragen seinerseits etwas beleidigt und viel lauter werdend darauf bestehen
- Iggy Pop sagen, dass er nur David Bowies Spielball war bzw. dieser ihn schamlos beklaut hat
- Im Grosi-Rägemänteli, mit einer orangen Schlumpfmütze und Spülhandschuhen bei der Bloodhound Gang zum Interview erscheinen -> Resultat: Er wurde u.a. von Evil Jared angepisst. Literally.

IRON PLECIC did it all - und hat’s überlebt.

Ich werde beten

5 fürs Züriwochenende