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“Eine fucking Nachricht bei Facebook!” – Von der Provinz-Punkband zum Lieblings-Roadie von Zebrahead

Von Gastautor Dustin Mertes

Eigentlich war Tommy Barg selbst Gitarrist einer kleinen Punkrock-Band, doch dann wurde er durch eine simple Facebook-Nachricht zu höherem berufen…

Als „magischen Monat“ bezeichnet der aus Bitburg, Deutschland stammende Tommy Barg auch über fünf Jahre später noch den November 2011, als er mit seinem Kumpel und Mitbewohner Daniel Lindner in einer Studentenbude in Gießen rumspinnt und sich entschließt, seine Lieblingsband „Zebrahead“ auf Facebook anzuschreiben.

„Ich hab zu Daniel gemeint: „Ey, pass mal auf, die sind in Wiesbaden in 2 Wochen. Lass uns die einfach mal anschreiben, ob die Bock haben, dass wir nach Wiesbaden kommen und ein Musikvideo für die machen. Kostet nix, wenn’s denen gefällt, können die es online stellen, wenn nicht – drauf geschissen. Kein Risiko für irgendwen. Im schlimmsten Fall haben wir einen coolen Abend mit Zebrahead verbracht.““

„We would be intersted in this…..“

„Zebrahead“ sind eine kalifornische Punk-Rock-Band aus Kalifornien, die seit Beginn ihrer Karriere vor über 20 Jahren mittlerweile rund 2 Millionen Tonträger verkauft haben und sich mit unzähligen Touren den Ruf einer nimmermüden Live-Band erspielt haben.

Den Moment, als plötzlich eine Antwort von der eigenen Lieblingsband kam, beschreibt Barg als fast surreale Erfahrung:

„Da habe ich nichts mehr ausgehalten. Ich dachte, dass ist das Höchste der Gefühle, ich lerne Zebrahead kennen bei einem Videodreh.“

Zwei Wochen später fahren sein Kumpel und er nach Wiesbaden, dürfen den Soundcheck filmen und werden anschließend von der Band zum Thanksgiving-Dinner eingeladen. Thomas und Daniel filmen die Show, schneiden das Material zusammen und sind angefixt. Beide wollen mehr. So fragen sie nach einigem Überlegen bei der Band an, ob sie die beiden jungen Filmemacher mit auf die anstehende Sommerfestival-Tour nehmen würde, aus der dann eine Live-Dokumentation entstehen könnte.

Die Band reagiert verhalten, möchte erstmal das fertige Video sichten. Beide Lager bleiben aber in Kontakt. Thomas erinnert sich noch genau, wie er dann eine neue E-Mail von Zebrahead im Postfach sieht: „We would be intersted in this…..“

Um die Miete bezahlen zu können, nimmt Thomas einen Studienkredit auf und beginnt mit seiner Lieblingsband durch Europa zu touren. Rückblickend kann er sein Glück auch heute noch nicht fassen: „Eine fucking Nachricht bei Facebook!“, rekapituliert er kopfschüttelnd und ergänzt, dass die beiden Filmemacher auch wahnsinniges Glück bei der Lieblingsband-Auswahl hatten:

„Die Jungs sind so entspannt und nett, das sind einfach die freundlichsten Menschen, die ich jemals kennengelernt habe und haben null Allüren. Darüberhinaus sind sie auf der Bühne genau wie im echten Leben, da dreht sich alles um Party, Spaß und geile Action.“

Auf die Frage ob die Klischeevorstellungen, die man als Außenstehender so mit dem Tourleben verbindet, zutreffen, muss er sich das Lachen erstmal verkneifen: „Die Klischeevorstellungen passen nicht nur, die sind sogar noch schlimmer als man sich es vorstellt. Du fährst mit einer kalifornischen Punkrock-Band im Tourbus durch die Gegend, die total auf Party aus sind. Da passiert halt schonmal das ein oder andere. Da sitzen immer irgendwelche Mädels mit im Bus, irgendwas ist da immer am Start.“

„Einladen, ausladen, und den ganzen Bumms wieder Kästen-weise reinschleppen…“

Das Tourleben besteht aber natürlich nicht nur aus Party. Tommy kümmert sich hauptsächlich um Merchandise und klassische Roadie-Tätigkeiten. Bei einer Band wie „Zebrahead“ ist die Tour-Mannschaft noch mehr als überschaubar. Die Big Player im Genre, wie „Blink 182“ oder „Green Day“, fahren die Mega-Produktionen und eine Band wie „Zebrahead“ rangiert zwar deutlich über dem Underground, aber eben noch nicht mit den wirklich großen Budgets. So muss Tommy Barg nicht nur Merchandise unter’s Volk bringen, sondern muss auch beim Aus- und Einladen mit Anpacken: „Das hört sich alles immer so schön an mit einer Band auf Tour zu sein, aber bei einer Band von der Größe hat man ein paar Helfer vom Club und das war’s. Ansonsten schleppst du die ganze Backline alleine hoch. Aber wir wissen ja wofür und vor allem für wen wir es machen.“

Dabei ist es nicht unbedingt einfach nur vom Touren zu leben. „Zebrahead“ sind eine der fleißigsten Bands im Live-Business und bieten ihrer Crew dadurch relativ regelmäßig Verdienstmöglichkeiten, aber in Europa, wo Tommy bisher wenn dann unterwegs ist, sind es trotzdem nur Phasen. Der Festival-Zyklus im Sommer, mehrere kleine Tourneen über das Jahr verteilt und immer nach Veröffentlichung eines neuen Albums eine große 6-8-wöchige Tour.

Bei derartigen Live-Marathons quer durch Europa „rollt der Rubel“ laut Barg, aber dass muss dann auch nochmal für eine längere Zeit reichen. Nur von den Touren leben ist bei einer Band dieser Größe mehr als schwierig, weil das regelmäßige Einkommen fehlt. Tommy Barg arbeitete auch schon bei „Farin Urlaub“ auf Tour und wenn eine Band cool drauf ist, fährt er auch schonmal ohne Entlohnung eine Woche mit ihnen durch Deutschland, bis „Zebrahead“ dann wieder vor der Tür steht.

Selbst nochmal auf die Bretter zu steigen und dem Traum auf der anderen Seite der Bühne nachzujagen, hält er für reichlich unrealistisch:

„Wenn du jetzt als Band noch was reißen willst, musst du auf jeden Fall extrem gut sein und irgendwie was anderes machen. Dazu braucht man das krasseste Management im Rücken, das sich Vollzeit mit Social Media und Gigs-Klarmachen beschäftigt. Auf den Touren [mit Zebrahead] haben wir so viele Vorbands gesehen, die so megagut waren, aber die halt einfach nur Vorbands sind und auch kein Geld verdienen.“

Ähnlich düster sind auch seine Erfahrungen in der regionalen Live-Szene, die er mit seiner eigenen Band, den „Homecoming Kings“ sammeln konnte: „Da hat man sich schon den Arsch aufreißen müssen, um irgendwo mal irgendwelche Gammel-Gigs spielen zu dürfen.“ Seine Highlights waren privat organisierte Proberaum-Partys auf dem Bitburger Flugplatz.

Ein Signal gegen die Angst

Ein negatives Highlight erlebte Tommy auf Tour mit „Zebrahead“ im November 2015. Als die Band gerade durch Europa tourte, ereignete sich in Paris eine beispiellose Anschlags-Serie, der der an fünf verschiedenen Orten in der Stadt 130 Menschen getötet und 352 verletzt werden. Die Musikszene wurde hart getroffen durch die Attacke auf das „Eagles of Death Metal“-Konzert im legendären Bataclan-Theater, bei der allein 90 Menschen ihr Leben lassen. Barg erinnert sich, dass „Zebrahead“-Shows in Marseilles und Lyon um einige Tage verschoben wurden und dann mit erheblicher Polizeipräsenz und einem spürbar zusammengeschrumpften Publikum stattfanden. In Paris war die Lage anders:

„Vor der Halle sind halt die ganzen Armee-Dudes mit Maschinengewehren bestückt patroulliert. Da lag auf jeden Fall was in der Luft, das war schon unangenehm. Die Leute aus dem Publikum kamen danach zu uns, auch zu mir beim Merchandise. Die waren alle so dankbar, weil sie befürchteten, dass nie wieder eine Band nach Paris kommt. Die fanden das so geil, dass „Zebrahead“ dann tatsächlich noch gekommen sind und auch in Paris gespielt haben. Aber das ganze war schon nicht ohne.“

Als eine von wenigen zu dem Zeitpunkt tourenden Live-Bands spielten „Zebrahead“ ihren Paris-Gig und setzten damit ein überdeutliches Zeichen gegen die grassierende Angst.

Vielleicht mal durch die USA touren…?

Für die Zukunft spielt das Tour-Leben auch weiterhin eine große Rolle in Tommy Bargs Leben. Großformatige Wünsche für die Zukunft hat er diesbezüglich aber nicht, Glück hatte er mit der Kontaktaufnahme zu „Zebrahead“ ja schon jede Menge: „Farin Urlaub war ja schon ’ne große Nummer. Das war halt mehr so’n Job. Auf jeden Fall saugeil, aber bei kleineren Bands finde ich das familiäre Feeling so geil. Du bist halt 6 Wochen auf engstem Raum mit deinen Freunden unterwegs. Und so ’ne kleinere Nummer ist auch viel abenteuerlicher.Würde aber gerne mal durch die USA mit Zebrahead touren. Nur um die Unterschiede mal zu sehen.“

Wie es weitergeht, kann man auf seinem Blog Snuckout oder auf der entsprechenden Snuckout-Facebook-Seite verfolgen, wo er dem Leser das Tour-Leben nochmal so richtig schmackhaft macht: „Mit der Lieblingsband auf Tour gehen? Den ganzen Winter snowboarden? Den Sommer in der Sonne verbringen? Und dafür bezahlt werden? Alter! Bin dabei! Mein Name ist Tom und ich schmeiß die Bude hier. Hier gibt’s Stories aus meinem Tour- und Reiseleben, Blicke in den Tourbus und ein paar Reisetipps… Und ab geht die wilde Fahrt!“

Über die musikalischen Video-Projekte von Tommy und Daniel, kann man sich auf der Homepage von ChiliCake Films oder auf der dazugehörigen Facebook-Seite informieren.

 

 

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Der 30jährige Dustin Mertes studierte Englisch und Deutsch an den Universitäten Trier (Deutschland) und Fullerton (USA) und schreibt für das in Trier ansässige Online-Magazin 5vier.de. Dustin ist selbst passionierter Musiker und liebt es zusammen mit seiner Freundin Tamara die Welt zu bereisen.

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Autor: Gastautor

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