Die Taxi fahrende Gilde ist in letzter Zeit immer wieder Gesprächsthema No. 1. Mit aufregenden Aktionen machen sie auf sich aufmerksam, demonstrieren gegen Ungerechtigkeiten gegenüber ihrer Berufsgattung und wollen damit die Strassen landauf, landab für sich frei halten. Kult konnte mit einem Taxifahrer, nennen wir ihn Amir C., ein aufschlussreiches Gespräch führen.
Kult: Guten Tag, Herr C.. Schön, dass Sie sich einen Moment Zeit nehmen konnten für unsere Leser. Sie und Ihre Kollegen sind ja sehr aktiv auf und neben unseren Strassen.
Amir C.: Ja, es ist wichtig, dass Bevölkerung und Bundesrat uns endlich zuhört, wir…
Kult: Nein, Herr C., nun setzen Sie sich hin und hören erst einmal mir zu. Wir kennen Ihre Anliegen und diejenigen Ihrer Kollegen. Sie werden ja nicht müde, uns, Ihren Kunden, Ihre Bedürfnisse lautstark um die Ohren zu schlagen. Wir wissen, dass Sie die Ärmsten sind, dass der Kampf auf den Schweizer Strassen immer härter wird, und dass man Ihnen und Ihren Genossen das Leben immer schwerer macht.
Amir C.: Aber…
Kult: Wie gesagt, Herr C., nun ist das Wort bei uns, Ihren Kunden. Ich korrigiere: Ihren ehemaligen Kunden – und wir sind zahlreich. Wir haben uns einst von Ihnen durch die Gegend chauffieren lassen. Nein, nicht von Ihnen, sondern von Fahrern, die etwas länger im Gewerbe sind als Sie. Sie, Herr C., sind noch nicht lange genug dabei. Denn Sie dachten sich vor nicht allzu langer Zeit: «Autofahren? Kann ich. Auto? Habe ich. Fachprüfung? Werde ich auch irgendwie schaffen.» Dass Sie sich auch noch die Frage «Braucht es mich überhaupt?» hätten stellen sollen, ist Ihnen natürlich nicht in den Sinn gekommen. Denn wenn Sie keine Arbeit haben, können Sie ja einfach wütend werden und den Staat zu Hilfe schreien. Weil der ja schuld trägt an Ihrer Misere, und weil man Sie einfach besser schützen müsste.
Ich sage «haben uns chauffieren lassen», weil wir es heute nicht mehr tun. Und das hat mehrere Ursachen: Sie haben Ihren Service in den Abgrund geritten und werden gleichzeitig immer teurer, dass die Unverschämtheitsgrenze längst überschritten worden ist. Jeder hat schon Ungeheuerlichkeiten mit Ihnen erlebt und zahlreiche weitere zu hören bekommen. Da wären beispielsweise die Fahrtenverweigerungen, wenn Ihnen eine Strecke nicht lukrativ genug scheint. Dies, obwohl Sie per Gesetz einer Beförderungspflicht unterliegen. Darauf pfeifen Sie aber, wenn Ihnen eine Distanz zu kurz ist. «Kannst du zu Fuss gehen» entstammt nicht unserer Fantasie, sondern ist ein vielfach gehörtes Zitat. Steigt man dann trotzdem mal in eines Ihrer Taxis, hat der Fahrer keine Ahnung, wo sich das Ziel befindet, geschweige denn, welches der schnellste Weg dahin ist. Begegnet man Ihnen im Strassenverkehr, sind Sie in rasantem Tempo unterwegs. Ausser, Sie haben Fahrgäste an Bord. Dann schleichen Sie knapp (oder weniger knapp) unter dem Tempolimit, halten sich penibel genau an die Verkehrsregeln. Sie praktizieren Zeitverzögerung, dass es sogar einem italienischen Fussballer peinlich wäre und verhalten sich damit wie ein Primarschüler, der mit extra grossen Buchstaben schreibt, damit sein Aufsatz mehr Seiten füllt. Das Ziel könnte offensichtlicher nicht sein: Die Zitrone noch etwas mehr auspressen als eigentlich möglich. Die Zitrone: Ihr Kunde – der Saft: seine Kohle.
So. Und nun schneiden wir noch das Thema ‹Uber› an, denn darüber hätten Sie sich ganz bestimmt auch noch ausgelassen, wären Sie in diesem Interview auch tatsächlich zu Wort gekommen. Wissen Sie was? Ich bin begeisterter Uber-Kunde, leidenschaftlicher User, überschwänglicher Sterne-Verteiler und grosszügiger Trinkgeldgeber, wenn ich sicher und speditiv am Zielort angekommen bin. Möchten Sie gerne wissen, weshalb ich so gerne mit Uber unterwegs bin? Weil der Service in den allermeisten Fällen top ist. Natürlich gibt es auch bei dieser Firma schwarze Schafe. Weniger bei Uber Black, mehr bei Uber Pop, der H&M-Linie in der Personal Driver Modewelt. Dass sich diese in gesetzlicher Grauzone bewegen, ist den meisten bewusst. Aber wissen Sie was? Ich lasse mich noch so gerne von einem Familienvater nachhause fahren, der sich am Wochenende einen Batzen dazu verdient, und er kriegt von mir am Schluss ein Extra-Tinkgeld obendrauf, weil die Entlöhnung in dieser Organisation zugegebenermassen nicht sehr fair ist. Aber das ist nicht Ihr Problem, Herr C., und das interessiert sie auch gar nicht, denn Sie interessieren sich in erster Linie für sich selber.
Sich für seine Rechte einzusetzen ist natürlich legitim. Das sollte jeder tun, manchmal kann sogar eine Gewerkschaft helfen. Wo kämen wir aber hin, wenn jeder seinen Arbeitsplatz durch den Staat schützen lassen wollte? Subventionieren am liebsten, sich aber vor allem von unliebsamer Konkurrenz befreien, mit Gesetzen, Verordnungen und Verboten. Ich möchte jetzt gar nicht die Bauern und ihren Direktzahlungen ins Spiel bringen. Aber dem kaufe ich seinen Bio-Käse mit Handkuss ab, solange sein Produkt stimmt. Und ich bin auch bereit, doppelt so viel dafür zu bezahlen als für einen holländischen Halbhartkäse.
Ob Ihnen die Tendenz nun gefällt oder nicht, Herr C.: Schon bald werden wir uns ohnehin nicht mehr über Sie ärgern. Seit gestern werden Wiesen von Rasenmäherrobotern gemäht, staubige Stubenböden von Staubsaugerrobotern gereinigt, erste Felder werden heute von automatischen Mähdreschern befahren, Züge und Busse beginnen führerlos unterwegs zu sein, und in absehbarer Zeit werden wir zuhause von unbemannten Taxis abgeholt. Eine schöne, neue Welt, nicht wahr? Ich rate Ihnen, die Zeit bis dahin kreativ zu nutzen und eventuell noch etwas an Ihrem Dienstleistungsverständnis zu arbeiten. Sie wissen nicht, wovon ich spreche? Das habe ich mir schon gedacht.
Ich bedanke mich für dieses interessante Gespräch. Adieu, Herr C..
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