
Sonar in Barcelona ist für die Technobranche mittlerweile sowas wie der Härdöpfuläsete bei Bergbauern – hier wird geerntet. Lob und Eigenlob. Man schmückt sich mit eigenen Federn, oft aber mit fremden. Und auch sonst war dieser Trip nach Barcelona die Offenbarung einer hilflosen Industrie, die mal eine revolutionäre Subkultur war und jetzt den Sellout Point Of No Return erreicht hat. Wenn da nicht Monika Kruse und vor allem Animal Trainer gewesen wären, die den Ruf der Szene legère gerettet haben. Mit letzteren haben wir uns köstlich darüber unterhalten.
Seltsamer „Underground“-Kosmos
Tausende Klüngel von Label-Mikro-Kosmen bilden an diesem Wochenende ein „Underground-Universum“, in dem man gerne unter sich bleibt. Keine Touristen. Keine Besucher, die nicht in den Dress- bzw. Face-Code passen. Wippende, wichtig tuende Coolness Addicts sollen’s bitte sein. Solche, die keinen Manager-Of-The-Manager-Of-The-Manager-Job oder Hinterhof-VIP-Plämpu um den Hals haben, müssen zumindest eine Social-Media-Follower-Armada vorweisen können.
Ein seltsamer „Underground“-Kosmos, in dem herrischere Regeln gelten, um dabei zu sein, als in von den selbst ernannten Königen der Nacht gehassten Kommerztempeln. Und diese wiederum sind musikqualitativ sogar hochstehend programmiert (Justice, Nicolas Jaar, HVOB, etc.), aber von oktoberfestähnlichem Publikumsauflauf (regelrecht) gezeichnet und ohne Taxi (die sich in der Nacht in Luft auflösen) nicht zu erreichen.
Monika Kruse’s spontane Backstage-Einladung
Und trotzdem gibt’s wohltuend „normale“ Lichtblicke am Techno-Himmel dieses Sonar-Wochenendes: Monika Kruse, ihres Zeichens Labelchefin von „Terminal M“ und Szene-Ikone, hat mich im Hotel zu ihrer Labelnight ins R33 eingeladen. Backstage, wohlgemerkt. Einfach so. Nachts, bei meinem traditionellen Vor-der-Lobby-Gute-Nacht-Zigarette-Rauchen und ihrem Auf-Die-Managerin-Warten. Als würde man sich tausend Jahre kennen, quatschte sie mit mir über alles, was uns gerade so beschäftigte. Berlins Szene, die Sonar-Eigenheiten und Kopfweh. Ein sehr launiger Moment, gefolgt von einer fetten privaten Partynacht, wo uns die Grande Dame des Techno persönlich mit Champagner begrüsste. Nochmals herzlichen Dank, Moni – dit war Weltklasse!
La Terrazza mit Animal Trainer – Das Sonar-Highlight
Und Animal Trainer, die unangefochtenen Pornostars der Schweizer Techno-Szene, luden uns freundlicherweise in die Terrazza an die Sonntagsschlussverkaufsfeier vom Kultlabel Jackmode ein, welche sich als konkurrenzloses Wochenend-Highlight erweisen sollte. Mit Samy Jackson, dem einen Teil von Animal Trainer, habe ich mich dann, wie sich’s bei amtlichen Techno-Acts gehört, über Iron Maiden, dems Herz voms Altstetten, die zweifelhafte Existenz von EDM (Einfältig Doofe Musik, Anm. d. Red.) und Rocco Siffredi unterhalten. Rein ins philosophische Gelümmel.
Kult: Hey Samy – du kommst ursprünglich aus der Metalszene. Wie erobert man als bärtiger Mensch mit Hang zu brutalen Gitarrenriffs als Techno Act Animal Trainer die Welt?
Sammy: Metalszene, das war als Teenager. Aber isch immer no ims Herz.
Ims Altstette-Herz?
Natirlic. Im’s Altstette-Herz. Wo ich jetzt hinziehe.
Was? Ims Altstette? Voll ims Downtown?
Voll drin, Mann. Ims Ernst: Ich wollte nie auflegen, sondern Rockstar werden.
Bist du doch längst. Kannst du ein Instrument spielen?
Ich hab Musik studiert. Bin ausgebildeter Musiker, spiele Gitarre – und dann kam mir das Nachtleben in die Quere. Hab in Clubs gearbeitet. An der Bar. Im Vorläufer vom Hive. Im UG. Ende der 90er Jahre. In der Szene blieb ich stecken, bin DJ geworden. Dann hab ich im Fahrwasser der Hive-Eröffnung mit Adrian Flavour (der andere Teil von Animal Trainer, Anm. d. Red.) den Event „Rakete“ gegründet.
Rakete, aha. Du weisst aber schon, dass ich die Loco Motive Space Machine gemacht habe, bevor ihr die „Rakete“ hattet. Bitte für die Inspiration.
Ah ja – danke nochmals! (Gelächter)
Das heisst, ich kriege jetzt endlich meinen Anteil?
Logisch (lacht)! Während diesen „Raktenzeiten“ wurde ich Vater, dachte mir, vielleicht wäre das Nachtleben nicht mehr so meins. Aber falsch: Es blieb Teil meines Lebens und, zusammen mit der ganzen Hive-Connection, entstand daraus Animal Trainer. Mittlerweile verdienen wir mehr Geld als DJs als wir als Heavy-Metal-Musiker je verdient hätten.
Eben. Animal Trainer ist ja nach Oleg Troshok (War der DJ-Name des Schreibers, anno 2004 – 2007, Anm. d. Redaktion) der geilste Künstlername der Welt.
Ja eh – Oleg Troshok ist klar die Nummer 1. (Gelächter)
Es gibt immer einen, der über allem steht.
Und das kann ich gut akzeptieren.
Da führt kein Weg dran vorbei. (Gelächter) Wie kamt ihr auf den zweitgeilsten Namen der Welt?
Es gibt zwei Geschichten dazu. Es gab mal einen Porno von Rocco Siffredi, der „Animal Trainer“ hiess.
Die reicht doch.
Eigentlich ja. Die wahre Geschichte ist aber: Ein Kumpel von mir wollte damals, back in the days, ne Metalband gründen, die wir „Animal Trainer“ nennen wollten. Die Band hat’s nie gegeben. Adi und ich legten unter Adrian Flavour and DJ RX auf und wir wollten immer so einen Bandnamen. Da ruft mich Adi an und sagt am Telefon: „Der Veranstalter will endlich unseren Bandnamen: Wie heissen wir?“ Das erste, was aus mir rausbrach, war: „Animal Trainer!“
Ein genialer Geistesblitz.
Danke. Das sah Adi nicht so, er meinte: „Animal Trainer ist scheisse!“ (Gelächter). Und ich so: „Ja, ich find’s auch nicht so geil, aber mir kommt grad nichts anderes in den Sinn.“ Er so: „Ach Mann…. Ok, ich sag’s ihm mal so. Wir können ja den Namen immer noch wechseln.“
Der Rest ist Geschichte.
Das geilste ist, wenn du vor zehn Jahren Animal Trainer gegoogelt hast, waren die ersten zehn Resultate nur Pornos. Und jetzt kommen die Pornos erst auf so Seite 10. Wir sind also bigger als Rocco Siffredi. Und die Pornoindustrie. (Gelächter)
Und deshalb wollen euch die Leute sehen. Ihr seid ein Crowd Magnet. Wie kommt das? Nebst eurer animalischen Anziehungskraft?
Schau, wir nehmen uns nicht zu wichtig. Wir waren auch nie so berechnend kopflastig, feiern ja selber gerne ne gute Party. Einen guten DJ macht aus, wenn er aus dem Ärmel raus gute Laune verbreiten kann. Wir haben nie auf dem Coolness Radar den Serious Shit machen wollen. Wir waren nie zu lustig, aber auch nie zu ernst. Etwas Education ist sicher wichtig, du musst auch mal nen Hit auflegen, aber sonst muss der Act aus dem Bauch kommen.
Wie deine herrliche SocialMedia Challenge mit Lee Van Dowski.
Wir haben uns den Blödsinn immer privat geschickt. Jetzt posten wir’s uns auf die Wall. Aber krass, was das für ne Resonanz gab. Viele sprechen mich deswegen an. Jetzt ziehen wir’s schon nur deshalb durch.
Ich lach mich regelmässig halb tot darüber. Das ist grosses Content-Marketing-Kino. Das sage ich, als Experte.
Danke.
Nun sind wir ja live & direkt backstage an eurem Off-Event in der Terrazza in Barcelona an der Sonar. Das Festival wirkt überkommerzialisiert. Ähnlich wie die Street Parade es viel zu lange war und dieses Jahr endlich den Turnaround macht. Weg von EDM und Bauerndisco hin zu purem Techno. Die Musik steht wieder im Vordergrund.
Ich supporte das sehr. Habe es ja falsch gefunden, dass die Parade diese Entwicklung genommen hat. 1991 wurde sie ja gegründet, als man noch Acid House spielte, etc. – und dafür stand die Parade ja auch. Für Subkultur. Das hätte sie immer müssen. Sie ist ja aus dieser Subkultur, aus dem Underground, entstanden. Und dass da plötzlich Robin Schulz & Co. spielen, hab ich immer falsch gefunden. Diese Kommerzheinis haben da nichts verloren. Die haben rein nichts mit Subkultur zu tun.
Meine Rede. In den letzten 10 Jahren musste man sich an die Off-Parties wie Lethargy flüchten, um sowas wie Subkultur zu finden. Heuer spielt Matador als Headliner. Das ist äusserst positiv. Btw. Wofür bist du im Hive zuständig?
Ich arbeite im Büro, bin das Internet des Hives.
Dann rutschst grad noch so durch. Weisst du, wann ich euch Matador angeboten habe?
Nein.
Vor zehn Jahren. Als Animal Trainer noch für Porno stand.
Wirklich?
Ja, ich war sein erster Manager und heute noch gut mit ihm befreundet. An der Street Parade sehen wir uns wieder. Ich kann ihn dir vorstellen. (Gelächter) Der Grund war: Ihr wolltet noch seine Entwicklung beobachten.
Das haben wir jetzt zehn Jahre lang gemacht. (Gelächter)
Genau, und wir haben ihn zu Richie Hawtin transferiert. Er flog extra nach Dublin, um Matador zum Essen einzuladen und zu signen. Ich sag das natürlich, um in einer imaginären Entdecker-Wunde zu stochern, aber auch, weil diese Anekdote sauber zur nächsten Frage führt: Ist Erfolg planbar?
Ja, mittlerweile schon. Gewisse Karrieren von einigen Herren sind klar am Reissbrett entstanden.
Zum Beispiel?
Ist ja offensichtlich, wer jetzt in der Championsleague spielt. Businessmässig, meine ich. Die haben sich Hits zimmern lassen. Da steckt viel Marketing und Business dahinter. Ich komm da aus ner anderen Ecke, die Musik stand für mich immer im Vordergrund. Und klar, kann man das auch anders machen. Sicher ist, wenn du dann die 30’000 Euro Gage willst, dann musst du berechnend sein. Wir haben ja auch unsere Managements, überlegen uns unsere nächsten Schritte, klar. Wir sind Teil eines Wirtschaftszweigs. Es hat sich alles professionalisiert. Die Clubs, die DJs, die Agenturen. Ist nicht mehr wie früher, wo einfach bitz Rocknroll gemacht hast. Und doch sage ich: Die Entwicklung des Ganzen ist ungesund. Die Schere zwischen Superstar und Mittelfeld ist immer grösser geworden. Früher waren Richie Hawtin und der unbekannte DJ näher beieinander als jetzt. Wir spielen jeden Gig als wäre es unser letzter – und würden für unsere Arbeit zu einer fünfstelligen Gage auch nicht nein sagen.
Die habt ihr noch nicht?
Über Geld redet der Schweizer nicht.
Komm schon… (Gelächter). Wie nimmt man den Schweizer im Ausland wahr. In Kolumbien zum Beispiel?
Kolumbien ist super. Wir sind viel auf Südamerika-Tour: Brasilien, Ecuador, Kolumbien, etc. Und allgemein ist der Südamerikaner nicht der allerzuverlässigste, da musst du immer wieder am Ball bleiben. Und das sind wir. Mit unserer Schweizer Zuverlässigkeit.
Die Frage war aber: Haben die Südamerikaner einen besonderen Zugang zu Schweizern?
Die meisten denken, die stehen nur auf Samba und so Zeugs. Stimmt überhaupt nicht. Die gehen voll ab zu unserem Sound, tanzen auch zu Schweizer Techno bis zum Umfallen.
Zum Schluss natürlich das Thema Iron Maiden. Ich hab dir schon oft gesagt, dass du endlich mal einen Maiden-Track spielen sollst (Schreiber und Interviewte sind beide grosse Fans der Heavy-Truppe Iron Maiden, Anm. d.Red.). Natürlich lachen wir dabei. Aber komm: Würdest du das mal tun?
Wenn, dann wäre ich wohl der erste, der’s tun würde.
Ja eben. Und welchen Track?
Run To The Hills.
Come on, es muss mehr krachen. Das ist das „YMCA“ von Maiden.
Ok: The Trooper.
Also, auf den können wir uns einigen.
Ich weiss schon, du willst, dass ich „The Rhyme Of The Ancient Mariner“ spiele.
Logisch!
Aber der ist viel zu lang.
Es gibt kein viel zu lang.
Es ist der längste Heavy-Metal-Song der Geschichte.
So what?
Oida Foida. (Das war wienerisch, Anm. d. Red.)
Deal?
Nein.
Ok – Lass uns einen trinken gehen. Da drin geht’s ab.
Gute Idee.
(An der Bar) Was trinkst?
Wodka Shot.
Gute Idee – Prost!
Prost!
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Wir empfehlen folgenden Animal-Trainer-Event für Party Animals:
Sonntag, 16. Juli 2017 -> Rakete presents “Daydance feat. Mobilee Records” auf der Hiltl Dachterrasse.
Hier geht’s zum Vorverkauf: https://v3.ticketino.com/v3/de/Event/event/66613