in

Kleine Tode, 2: Atemlos

Ihr Gesicht verändert sich nur langsam. Ihr Atem geht schneller, aber ihre Lippen bleiben ruhig. Ihre Augen erlöschen langsam, sie wird sie bald schliessen. Nun ist ihre Welt etwas, was niemand sonst sehen kann. Es beginnt langsam. Es ist nicht so, als ob sie aufgeben würde, aber ihr Herz schlägt nun schneller, die Luft wird knapp und die Wellen beginnen. Es wird chaotisch, es gibt keinen Ausweg mehr. Alles ist dringend jetzt, ihr Gesicht ist nicht mehr friedlich und die Wellen rollen nun von tief unten heran.

Aber du wirst nicht aufgeben.

«Deine Augen sind zu, wenn du kommst.»

«OK, deine auch.»

«Ist ja nichts schlimmes.»

«Stimmt.»

Es gibt kein grösseres Loch. Nie ist die Verlorenheit grösser. Ich bin so einsam und alles ist so eng. Ich müsste noch lauter schreien, bevor ich komme. Obwohl ich weiss, dass ich noch dasein werde, habe ich trotzdem Angst nicht mehr dazu sein. Die Erlösung ist Auflösung und du kannst mich erkennen. Ich will nur kommen und ich bin dir ausgeliefert. Ich will. Unbedingt. Ich will nicht. Unbedingt.

Ihr Gesicht wird zu ihrem Körper. Ihre Lippen sind geöffnet, feucht, irgendwie ist da Panik, jetzt. Alles wird unerträglich. Wenn es funktioniert kann sie fast nicht mehr atmen, und eigentlich ist es schön so, obwohl ich ihr das gar nicht antun will. Ich will sie sanft und froh machen, will ihr zeigen, dass ich sie liebe, eigentlich will ich sie nicht quälen und trotzdem tue ich es.

«Wir sollten da nicht drüber reden.»

«Aber wir können ja nicht allein sein, wenn wir kommen, das ist ja auch blöd.»

«Wir kommen immer alleine, da können wir lange reden.»

«Aber ich will ja bei dir sein. Nahe.»

«Das ist irgendwie unmöglich, ich weiss auch nicht.»

Mehr als alles andere, möchte ich jetzt kommen. Ich verstehe dich nicht. Weiss nicht, warum es immer noch dauert und dauert. Es ist vorbei. Lass mich, aber du lässt mich nicht. Warum muss ich als Erster aufgeben. Jedes Mal. Naja, nein, nicht jedes Mal. Porno schauen wäre schon einfacher. Lass mich, lass mich. Schnell, einfach, jetzt.

«Wir sind doch keine Tiere.»

«Wir können’s nur hoffen.»

Im Moment als meine Zunge etwas tiefer geht, ich ihr den kleinen Finger doch noch ein bisschen in den Arsch stecke, ist es einfach toll, wenn es ihr kommt. Später werden wir uns im Grenzwert oder im ersten Stock im Goldenen Fass anlächeln, als hätten wir nicht den leisesten Schimmer von diesen Dingen. Aber natürlich möchte ich, dass du wieder kommst.

Trotzdem.

Gefällt dir dieser Beitrag?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Autor: Andy Strässle

Andy Strässle umarmt Bäume, mag Corinne Mauch und verleugnet seine Wurzeln: Kein Wunder, wenn man aus Blätzbums stammt. Würde gerne saufen können wie Hemingway, hat aber immerhin ein paar Essays über den Mann zu stande gebracht. Sein musikalischer Geschmack ist unaussprechlich, von Kunst versteht er auch nichts und letztlich gelingt es ihm immer seltener sich in die intellektuelle Pose zu werfen. Der innere Bankrott erscheint ihm als die feste Währung auf der das gegenwärtige Denken aufgebaut ist und darum erschreckt es ihn nicht als Journalist sein Geld zu verdienen.

Sonne, Drinks, Musik und das schon heute

16. AUGUST 1977: HEUTE VOR 40 JAHREN IST EIN KÖNIG GESTORBEN