in

Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der kann mich mal!

Ich hasse unpünktliche Leute. Leider ist die Abneigung einseitig, denn unpünktliche Leute glauben ja, dass ich soo nett bin – nämlich auf sie in aller Seelenruhe zu warten. Dem ist aber nicht so. Neulich hatte ich mich mit einer recht gut Bekannten zum Nachtessen verabredet. Sie schlug halb acht vor, also sass ich zur vereinbarten Zeit in der Beiz, die sich schnell füllte. Es wurde zwanzig vor, dann viertel vor, ich war hungrig und wurde zunehmend sauer. Schliesslich stand ich auf und ging. Das Handy klingelte so gegen fünf vor acht, sie war dran, sie sei unterwegs, ob ich die SMS nicht gelesen hätte? Nein, hatte ich nicht. Ich bin keine Aufdasdisplaystarrerin, ausserdem, als ich nachsah, war da keine SMS. Ich sagte, ich sei gegangen, keine Lust mehr auf ein Essen, sie sagte, sie hätte eben nicht eher fortgekonnt? Hä?

Jemand, der mit mir auf eine Zeit abmacht, das schon Tage voraus, so dass man sich sagt: Ich gehe zeitig los, denn da wartet jemand auf mich, halte ich für normal. Das Gegenteil für krank. Eine Textnachricht zu senden, wenn es einige Minuten Verspätung gibt, wegen Stau oder sonstwie Unerwartetem, das habe ich auch schon gemacht. Aber einfach von sich aus die Meeting-Time zu ändern, das ist pure Arroganz.

Auch weil die Unpünktlichkeit ja dann auf dem Rücken der anderen ausgelebt wird. So kassierte ich gestern die Parkbusse, weil jener Kollege viel zu spät erschien, meine Parkzeit dann nicht mehr ausreichte. Er jedoch hatte ganz relaxed gecruist, um den optimalen Parkplatz und noch schnell eine Erledigung einzuschieben. Da komm ich verarscht vor. Auch unpünktliche Doc-Termine sind das Letzte. Ich kann verstehen, wenn ich zehn Minuten oder auch äs biz länger im Wartezimmer warten muss. Doch mehr als eine Dreiviertelstunde wie neulich bei der neuen Ärztin, die mit der vorherigen Patientin noch in aller Ruhe dies und das tun musste. Hallo?, hat sie keine Tagesplanung, was, wenn ich das nächste Mal bei ihr auch irgendwann erscheine, weil ich mich vorher verkalkuliert habe mit viel wichtigeren Leuten und Dingen? Wenn die mich noch einmal so lange hocken lässt, bin ich subito woanders.

Ich weiss nicht, wieso mich Unpünktlichkeit so aufregt? Sicher auch, weil Unpünktliche die Pünktlichen megabünzlig finden. Sicher auch, weil Unhöflichkeit so grassiert. Man kommt lifestylemässig immer zu spät, fläzt sich an den Tisch, isst grusig, unterhält sich schnoddrig, tippt auf dem Phone herum, lässt die Blicke schweifen. Und findet sich total cool. Alles Signale, dass er/sie eigentlich lieber woanders und was anderes tun würde. Was kann das schon sein, das frage ich mich allerdings, wer sich so benimmt, hat ja wenig im Hirn und im Herz.

Den Vogel schoss vor einigen Jahren ein wiederentdeckter Jugendschwarm ab, den ich bei mir zum Essen einlud. Ich hatte alles vorbereitet, zog mich um, zuuufällig rief ich kurz vor Dinnertime meine Mails ab, da stand, er würde eine ganze Stunde später erscheinen, zu viel Verkehr. Hallo? Beim zweiten Essen segelte er wieder verspätet rein, erklärte, er müsse nach dem Kafi gleich noch ins Tessin fahren, gaanz wichtiger Termin. Beim ersten Mal hätte ich ihn gar nicht mehr reinlassen sollen. Ich hätte mir alles Weitere mit diesem Kotzbrocken erspart. Beim zweiten Mal, so riet mir eine Freundin, hättest du doch einfach sagen sollen: Ja, dann fährst du jetzt gleich weiter, dann bist du viel schneller dort. Und ihn mit diesen Worten gleich speditiv rausschieben sollen.

Na ja, man wird nur durch Erfahrungen ja auch ein wenig klüger. Zum Beispiel schätze ich pünktliche Menschen um so mehr. Ich merke, die schätzen mich, sie brechen rechtzeitig auf, weil sie sich freuen, mich zur vereinbarten Zeit zu treffen. Sie wollen auf mich nicht länger warten und auch mich nicht warten lassen. Und was ist mit den Anderen? Also, wenn man nach maximal zehn Minuten Gnadenfrist einfach aufsteht und geht, statt äusserlich geduldig und innerlich kochend zu warten, hat man das Problem ja bereits gelöst!

Foto: Auf dieser Bank sass ich noch vor fünf Minuten, dann war ich mal weg, weil Sie noch nicht da waren!

Gefällt dir dieser Beitrag?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Autor: Marianne Weissberg

Marianne Weissberg, studierte Historikerin/Anglistin, geboren in Zürich, aufgewachsen in Winterthur, ist ganz schön vollreif. Also eigentlich schon ewig da, was sie in ihren Knochen und im Hirn spürt. Lange Jahre verschlang das Lesepublikum ihre wegweisenden Artikel und Kolumnen in guten (und weniger guten) deutschsprachigen Zeitungen und Magazinen. Persönlichkeiten aus Film, Literatur und Musik wie etwa Robert Redford, Isabel Allende und Leonard Cohen redeten mit der Journalistin, die ganz Persönliches wissen wollte, und es auch erfuhr. Irgendwann kam sie selbst mit einer Geschlechter-Satire in die Headlines und begann in deren Nachwehen ihre zweite Karriere als Buchautorin. Auch hier blieb sie ihrer Spezialität treu: Krankhaft nachzugrübeln und unverblümt Stellung zu beziehen, bzw. aufzuschreiben, was sonst niemand laut sagt. Lieblingsthemen: Das heutige Leben und die Liebe, Männer und Frauen – und was sie (miteinander) anstellen in unseren Zeiten der Hektik und Unverbindlichkeit. Und wenn man es exakt ansieht, gilt immer noch, jedenfalls für sie: Das Private ist immer auch politisch – und umgekehrt.

Sonst noch? Marianne Weissberg lebt mitten in Züri. Wenn sie nicht Kolumnen oder Tagebuch schreibt, kocht sie alte Familienrezepte neu, betrachtet Reruns von „Sex and the City“, liest Bücher ihrer literarischen Idole (Erica Jong, Nora Ephron, Cynthia Heimel) oder träumt davon, wie es gewesen wäre, wenn sie nicht immer alles im richtigen Moment falsch gemacht hätte. Aber das wäre dann wieder so ein Thema für einen neuen Kult-Text.

Die Tops für den Osten nach dem Sommerschlaf

DIE BESTEN 3 IN BERN