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Über Netflix, Nerds & No Gos!

Ich gebs zu, den Titel habe ich so gewählt, weil ich Alliterationen liebe. Oder eher originelle Headlines. Als Journalistin und Buchautorin tüftelte ich schon immer gerne an einem guten Titel herum. Manchmal jahrelang… Er sollte aussagekräftig sein, im besten Fall eine feine Anspielung sein. So wie „Schokoladenpudding für die Seele“, der Titel meines zweiten Kochgeschichtenbuches. Hier wars natürlich jene auf Hühnersuppe für die Seele, die meine Mischpoche als jüdisches Penizillin schätzt bei Grippe, Liebeskummer, etc. Neuerdings wird ja Hühnersuppe als Superfood bezeichnet. Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass heutige Koch- und Esstrends sich geradezu schamlos an althergebrachtem Küchenwissen bereichern? Schamlos deshalb, weil ja niemand sagt: Also das habe ich im zerfledderten Kochbuch meiner Oma abgeschrieben. Die wusste ja, wie man Kutteln mit Tomatensauce und Kümmel kocht. Oder dass man auch nicht so perfekte Rüebli zu Rüeblisaft oder Kuchen verarbeiten kann. Nein.

Heute kochen lärmige und mir unsympathische HipsterköchInnen all die Rezepte unser Grosseltern und tun so, wie wenn sie alles soeben erfunden hätten. Prinzipell ist es ja gut, wenn Innereien oder eben krumme Rüebli wieder en vogue sind. Aber bitte dann nicht mit diesem Werhatserfunden (logo WIR!!) Anspruch. Kürzlich promotete ja die Kronenhallen-Bar so hipsterige Gesundheitsdrinks, die man aus den von einer dieser Omas-Rezeptbuchplagiatorin extra angelieferten (sicher mit dem Auto von weither…) krummen Rüebli mixen wollte. Mal ehrlich, wenn ich in die Kronenhalle gehe, will ich dort edle Cocktails serviert kriegen, kein gruusiges Pseudovintage-Rüebli-Gesöffs.

Moment hier geht’s ja nicht nur um den Titel und dessen Ableitungen. Kommen wir also zu Netflix. Neuerdings (juhu, schon wieder ein N) habe ich ja so ein Allesineinem-Swisscom Angebot. Ich telefonierte die längste Zeit – obwohl ich monatelang sozusagen stundenweise mit Mahnungen (also, jetzt müssen Sie dann aber subito umrüsten!!) bombardiert wurde, mein praktisches Analogtelefon aufzugeben, seelenruhig weiterhin mit diesem. Und oh Wunder, das angedrohte Package wurde währenddessen preislich immer günstiger. Also gab ich kürzlich nach und habe nun sogar Netflix dabei. Huch so viele Filme und Serien. Bis zum N-Day holte ich mir die als DVD in der Zürcher Pestalozzi-Bibliothek. Fast alle Bibi-Filialen kann ich zu Fuss ansteuern. Da ich eine passionierte Stadtfussgängerin bin, waren mir die Bibi-Gänge sehr lieb.

Auch weil man in den diversen Filialen herrliche Charakterstudien betreiben kann: In Personal-Nerdistik. In einer sieht der Leiter immer so aus, wie wenn er vor Sekunden ungestrält und im Pischama eingetrudelt wäre. Daneben gibt es das schmallippig schnippische Frölein, das alle Fragen abschmettert. Die frauenbewegte, stark tätowierte Butch, das signalrothaarige Crossgender-Wesen (vermutlich furznormal), die ewige, gehetzte Praktikantin, die immer alle Bücher einräumen muss, während die anderen Bibiletten demonstrativ Kafi im Hinterkämmerli schlürfen. Ich kenne längst die Nerdigsten, die schon säuerlich gucken, wenn man sich gaaanz zögerlich der Service-Theke nähert. (Zur Ehrenrettung, es gibt auch nette…) Da haben sie etwas gemeinsam mit dem üblichen Buchladenpersonal, das gerne zu verstehen gibt, dass Beratung der Kundschaft eine unterintellektuelle Zumutung sei. Trotzdem, ich gehe gerne hin. Weil die DVD-Auswahl erstaunlich reichhaltig ist. Ausserdem gibt es in der Stadt Zürich seltsamerweise keine städtischen Bibliotheken, bloss diese private, die eine saftige Gebühr verlangt. Vermutlich kein Rezept, die Jungen zum Lesen zu animieren. Das nur so n-ebenbei (schon wieder ein n!).

Nach zwei Wochenenden Binge-Watching der Serien The Good Wife, Grace & Frankie, Alias Grace (nach Margaret Atwood, total überschätzt by the way), einer Schmonzette mit Robert Redford und Jane Fonda, war ich völlig vereinsamt. Gerade war ich bei Versailles eingestiegen, da fuhr mir der Hexenschuss ins Kreuz. Zu wenig Bewegung. Glotzen statt spazieren. Es war mir auch längst aufgefallen, dass auf Netflix a) bei weitem nicht all die Serien verfügbar sind, die als DVD in der Bibi lagen, beziehungsweise b) eben sehr viele, die ich in der Bibi gar nie auslieh, weil ich nix mit Vampiren, Aliens, gebotoxten Glamour-Vamps (als Hausfrauen, als Gefängnissinsassinnen, als Konzern-Intrigantinnen, etc) am Hut habe. So lag ich also mit Rückenweh und zuviel Netflix-Droge da und sehnte mich nach dem befriedigenden Versorgen der fertig geguckten DVDS und dem gemütlichen Zurückbringen zu den interessanten Nerds in meinen Bibi-Filialen. Ich denke, das wars dann mit Netflix.

Und nun zum No Go. Das möchte ich noch zu der #metoo-Kampagne sagen: Es ist gut, dass Abuser, die sich dank ihrer Macht – und/oder einfach weil sie fälschlicherweise glaubten, sie seien unglaublich attraktive und interessante Männer – an Frauen und Männer heranmachen konnten, blossgestellt werden. Wobei man aufpassen muss, dass das nicht in eine Hexerich-Jagd ausartet. Trotzdem möchte ich doch mal auf uns Frauen verweisen. Haben Sie schon mal eine Prominente auf dem roten Teppich gesehen, die ähem ganz normal gekleidet war? Vielleicht Frances McDormand, die kürzlich erklärte, sie sei es leid, sich als ewig begehrt zu geben. Und das Foto von ihr sah wunderbar ungekünstelt aus. Auch ungestrält, jedoch immer noch attraktiv, also nicht wie jener Bibi-Nerd. So möchte ich uns Frauen gerne sehen. Frauen haben eine Verantwortung für sich selbst und andere. Die moderne Frau kann nicht schreieen: Mann stellt uns dauernd nach. Aber handkehrum als tittenwackelnde Verfügbarkeit herumstöckeln. Das ist Heuchelei und eben ein NO GO! (das letzte N, quasi).

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Autor: Marianne Weissberg

Marianne Weissberg, studierte Historikerin/Anglistin, geboren in Zürich, aufgewachsen in Winterthur, ist ganz schön vollreif. Also eigentlich schon ewig da, was sie in ihren Knochen und im Hirn spürt. Lange Jahre verschlang das Lesepublikum ihre wegweisenden Artikel und Kolumnen in guten (und weniger guten) deutschsprachigen Zeitungen und Magazinen. Persönlichkeiten aus Film, Literatur und Musik wie etwa Robert Redford, Isabel Allende und Leonard Cohen redeten mit der Journalistin, die ganz Persönliches wissen wollte, und es auch erfuhr. Irgendwann kam sie selbst mit einer Geschlechter-Satire in die Headlines und begann in deren Nachwehen ihre zweite Karriere als Buchautorin. Auch hier blieb sie ihrer Spezialität treu: Krankhaft nachzugrübeln und unverblümt Stellung zu beziehen, bzw. aufzuschreiben, was sonst niemand laut sagt. Lieblingsthemen: Das heutige Leben und die Liebe, Männer und Frauen – und was sie (miteinander) anstellen in unseren Zeiten der Hektik und Unverbindlichkeit. Und wenn man es exakt ansieht, gilt immer noch, jedenfalls für sie: Das Private ist immer auch politisch – und umgekehrt.

Sonst noch? Marianne Weissberg lebt mitten in Züri. Wenn sie nicht Kolumnen oder Tagebuch schreibt, kocht sie alte Familienrezepte neu, betrachtet Reruns von „Sex and the City“, liest Bücher ihrer literarischen Idole (Erica Jong, Nora Ephron, Cynthia Heimel) oder träumt davon, wie es gewesen wäre, wenn sie nicht immer alles im richtigen Moment falsch gemacht hätte. Aber das wäre dann wieder so ein Thema für einen neuen Kult-Text.

Jetzt auch noch das: Himmel von US-Kampfpilot belästigt. (Die Woche 47/2017)

Die Lust an der Lust