Die Muhme, ja die Base war es, sie hat es mir ins Ohr geflüstert, unmittelbar nach meiner Geburt: «Oh Mensch, du lebst so kurz. Und bist so lange, bist so lange tot.»
Dieser Satz wurde gleichsam mein Sprungbrett. In ein Leben voll von rabenschwarzen Sünden, Blutsünden, Todsünden, Erbsünden. Schliesslich hatte ich acht katholische Urgrosseltern und 16 katholische Ururgrosseltern.
Schwarzes Schaf. Entstiegen einem Sumpf aus libidinösen Innuendos und Zwangsvorstellungen.
Süsse Zwangsvorstellungen. – Wie Weihrauch. Verbrannt an den Altären einer Libido, die frei von Zeugungsgedanken ist, aber durchdrungen von Fröhlichkeit, so wie Weihnachten, gleichzeitig ernst wie eine Bergpredigt oder ein Beerdigungsgottesdienst.
Und der Goldrand besteht aus jenem bitter-süssen Gefühl der Übertretung. Wie damals, in wundersamen Kindertagen, wenn man einen Frosch töten und sezieren durfte, in der Schule. Das Blattgold besteht eben gleichsam aus der Überwindung einer redundanten Scham, die man nur um dieser Überwindung Willen installiert hat.
Wir brauchen ihn nicht mehr, jenen reinen Schauer des Lebens.
Wir haben ihn durch eine forschende, unruhige, wunderbare Perversität ersetzt, die unsere Fingerspitzen kitzelt, von innen.
Als wir das Kaufhaus in Brand steckten, haben wir dies bloss getan, um im Flammenmeer eine Nummer zu schieben. Komplett mit Neunundsechzig, Hündchen, griechischem Entr’acte sowie einem Feuerwerk vulgärer Wortkaskaden. Während wir zur Sache gingen, wussten wir keineswegs, ob wir die Übung überleben würden.
Leicht angebrannt haben wir es geschafft. Danach haben wir endlich wieder so etwas wie Kraft in unseren morschen Knochen gespürt.
Früher haben sie aus anderen, aus profunderen Gründen Kaufhäuser angezündet.
Wir halten diese Gründe in Ehren. Doch sind wir anders gepolt. Wir haben Ideologie durch Tollwut ersetzt. Wir sind die Hunde der letzten Stunde, Schaum vor dem Mund, immer feucht, immer steif. Auf der Suche nach dem süssesten Tod.
Für uns. Sowie für all’ jene Anderen, gross und klein.
Jede Strasse ist eine Einbahnstrasse, jeder Weg ein Irrweg, unter einem fahlen Mond, der Unglück verheisst.
Das Leben ist ein elektrischer Stuhl. Kaum ist unsere Geburt erfolgt, werden wir angeschnallt. Die Elektroden werden angeschlossen. Der Stromschlag dauert einige Jährchen. Und dann heisst es: Adieu, goodbye, arrivederci.
Wir sehen uns gewiss nicht mehr wieder!
Wir sind Vertreterinnen und Vertreter jener letzen Ideologie, die nur ein Ziel kennt: Die Spannung erhöhen! Bevor wir gehen müssen, gehen dürfen. Jenseits davon kennen wir keine Moral: Verwüstung, Verschwendung, Verbrennung, diese Worte prangen auf unserer Flagge.
Denn wir wissen, dass dieser alte blaue Planet uns aus einem einzigen Grund hervorgebracht hat, dies ist offensichtlich, um sich selbst zu erlösen, sich seinen Todeswunsch zu erfüllen, den er schon lange gehegt hat.
Spätestens seit der Huronischen Eiszeit.
Und weil wir unseren alten blauen Planeten lieben, fördern wir seinen Untergang. So gut halt, wie wir es in unseren kurzen, harten, hitzigen Existenzen zu tun vermögen.
Die Muhme, ja die Base war es, sie hat es mir ins Ohr geflüstert, gleich nach meiner Geburt: «Oh Mensch, du lebst so kurz. Und bist so lange, bist so lange tot.»
Dieser Satz wurde gleichsam mein Sprungbrett. Als ich endlich Richtung Westen gehüpft bin. Glücklicherweise angesichts eines wogenden Busens. In jenes Land ohne Zeit, das eben die Destination aller Reisenden ist.
I’m walkin’ my way back home, Baby!