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Museum für Grossvater: er setzte immer alles am falschen Ort aufs Spiel

Über zwei Jahre lang und bei drei Umzügen hatte Harald Szeemann (1933-2005), den heute viele als Schweizer Museumsleiter und international tätiger Kurator kennen, Grossvaters Habe mit sich herumgeschleppt. Als Szeemann nach der Arbeit an der Dokumenta 5 1972 zunächst ohne Auftrag blieb, gestaltete er seine Wohnung um und widmete die entstandene Ausstellung dem Grossvater: «Ein Pionier wie wir». Das abenteuerliche Leben von Etienne Szeeman drehte sich rund um den Beruf des Friseurs – der Grossvater war Perückenmacher, Coiffeur und Erfinder einer eigenen Dauerwellenmaschine. Diese Biographie steht zudem im Zusammenhang mit der europäischen Migrationsbewegung im Zuge der Kriege im 20. Jahrhundert, was den Lebenslauf zusätzlich spannend macht.

Wichtiger Leitfaden für Harald Szeemann und die Ausstellung waren die gefundenen Memoiren –  einer Art Tagebuch von Etienne Szeemann.  Begonnen mit dem Satz «Mit Gott fang an, mit Gott hör auf, das ist der beste Lebenslauf» wird in der ehemaligen Wohnung von Harald Szeemann die Geschichte des gebürtigen Ungaren (1873) in Form von mehr als 1000 Objekten erzählt, die in Gestellen geordnet sind und so in einen Zusammenhang gestellt werden. Bis zu seinem Tod (1971) ergab sich mit der Sammlung eine Riesenfülle von Belegen eines erfüllten Lebens. Dazu gehörten auch die Wanderjahre durch Ungarn, Rumänien, Griechenland und der Türkei, die ihn später auch nach Wien, Karlsbad, Wiesbaden, Berlin, Hamburg, Paris, Nizza und London führten. Die Schweiz spielte eine wichtige Rolle: 1904 übersiedelte Etienne Szeeman mit seiner Familie nach Bern und erhielt 1919 hier das Bürgerrecht. Daraufhin sammelte der Grossvater weisse und rote Haare von seinen Kunden und klebte sie zu einem Schweizerkreuz zusammen. «Grossvater war in erster Linie Coiffeur. Dieser Kunst gehörte sein Leben» und er wusste genau, was ihm bekam. So blieb er immer gesund. «Reich wurde er aber nie, weil er stehts am falschen Ort alles aufs Spiel setzte.» schrieb sein Enkel.

Reich wurde er wohl nicht, der Grossvater – aber durch die Ausstellung lebt er auch nach dem Tode weiter.

«Ich habe mir zwei Säkli genäht, eines fürs Geld, das andere für meine Schriften, denn auf Diese muste man sehr aufpassen, denn wenn da etwas fehlte, wurde man eingespert, und per Schub und Begleitung des Gendarms in die Heimat-Gemeinde gefahren, an jeder Grenze Ablösung des Gendarms, der Heimat-Gemeinde wurde dann Rechnung gestellt, das musten Eltern oder Verwandte bezahlen, oder man muste Selbst dafür aufkommen.»  (Auszug Tagebuch/Siehe Foto weisse Tasche)

Harald Szeemann
Grossvater: Ein Pionier wie wir
Juni – 2. September 2018
Gerechtigkeitsgasse 74, 3011 Bern
Die Ausstellung mit Objekten und diversen Fotos und Dokumenten findet sich in der ehemaligen Wohnung von Harald Szeemann.

In den 60er Jahren Leiter der Kunsthalle Bern, wobei er einiges auf den Kopf stellte, wird zwischen Juni und September 2018 an Harald Szeemann zum 100 Jubiläum der Kunsthalle Bern erinnert. Verschiedene Aktivitäten wie Vorträge und Ausstellungen finden in Bern statt.

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Autor: Sabine Hunziker

Man behauptet, dass Katzen sieben Leben haben. Nacheinander. Manchmal glaube ich, dass ich auch sieben Mal lebe, dies aber nebeneinander und immer wenn ich einen chinesischen Glückskeks breche und esse, dann seht da auf dem Zettel: „machen Sie jetzt nicht den gleichen Fehler!“

Was ist zwischen Geburt und Tod eingeklemmt? Nach einer Schneiderlehre, einem Uni-Studium und ein paar geschriebenen Büchern später ist mein nächstes Ziel eine Boxschule in Mexiko zu eröffnen.

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