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Kampfsport wie zu Urzeiten – Lektionen in den Sägespänen

Ich als Wrestling-Fan kann mich gut einmal mit etwas Schwingsport abfinden. «Hosenlupf» ist die in der Schweiz ausgeübte Form des Ringens, aber ohne glamouröse oder furchterregende Kostüme, mit weniger Show und keiner Erzählung darin, und man sieht kaum jene körperliche Geschicklichkeit, wie sie ein Wrestler haben muss. Ruhig und bedächtig im Hintergrund bleibt das Publikum an den Festbänken mit einen Humpen Bier vor sich hocken, um das Ganze zu beobachten.

Schwingen ist echt kämpfen – ohne doppelten Boden wie mit zuvor abgemachten Abläufen. Statt wallendem Trockeneisrauch fliegen Holzspäne herum. Eine nüchterne Ansage wie «Altstätter Tobias auf den Platz» ersetzt die fauchenden Monologe im Wrestling-Ring. Die Kämpfenden selber bleiben garantiert im Späne-Kreis, und das Publikum schmeisst keine Papierserviettenkugeln, leere Pappbecher oder angegessene Hot Dogs nach den Verlierern. Ich muss bei diesem Anlass auch nicht ruckartig von meinem Platz aufstehen, weil zwei muskelbepackte Boys in meine Richtung hechten, ihre Kämpfe in den Stuhlbereich verschieben und vieles kurz und klein schlagen, was ihnen in den Weg kommt.

Alles ist so ruhig auf diesem Hügel mitten in den Berner Alpen. Das Gras ist grün, und Kuhglocken klingeln in der Ferne. Sonnenbestrahlt ist das Festzelt, und die vier oder fünf blassgelben Kreise liegen da, mit schlichten Kuhschnüren von den Mamas, Papas und restlichen Familienmitglieder abgeschirmt. Knaben gehen in die mit Holzspänen gepolsterten Flächen und versuchen ihre Gegner mit «Anschwüngen» zu Fall zu bringen. Da es auf dieser Alp weit und breit kein Mädchen hat, das in einer Schwinghose aus Zwilch steckt, muss ich wohl oder übel jetzt nur von Jungs sprechen. Jungs kämpfen in den Spänen, fallen und kommen wieder hoch – die Gesichter verzerrt vor Anstrengung. Es geht darum, den Gegner auf den Rücken zu drehen und so einen Moment halten zu können. Kampfrichter beurteilen die Szene, und wenn ein Bube gewinnt, dann jubelt er nicht (jedenfalls nicht sofort), sondern hilft dem Verlierer wieder auf die Beine und fegt ihm mit der Hand Holz von Rücken und Seite.

Zur Stärkung gibt es im Zelt Bier, das bei dieser Hitze leicht taumelig macht und Bschüssig-Hörnli mit Käse aus grossen Töpfen. Weitergegeben habe ich schon mal den Fleischkäse, der auch mitgeliefert wurde. Das esse ich nicht, und hier unter den Stoffplachen ist es jetzt kaum auszuhalten. Mein Blick fällt noch auf den Gabentempel, in dem lauter praktische Sachgegenstände wie Werkzeugkoffer und Elektrogeräte stehen und Ehrengaben wie Kuhglocken mit beschrifteten Bändern als Erinnerung an das Fest. Das ist der Lohn für stundenlanges und monatelanges Training. Im Wrestling-Club würden jetzt die Zuschauer nach der Show zu den Tischen strömen, um noch eines der Fanshirts mit Autogramm ergattern zu können. Ist der Letzte aus dem Saal gegangen, bleibt ein Platz der Zerstörung zurück – aber man fühlt sich unheimlich gut und aufgeputscht von einer Überdosis Adrenalin. Man hat das Event überlebt. Schlussgang. So schlicht wie es angefangen hat, so endet das Knabenschwingen auf dem Hügel – die einzige Herausforderung jetzt ist es, das Auto aus dem improvisierten Parkplatz heraus zu manövrieren.

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Autor: Sabine Hunziker

Man behauptet, dass Katzen sieben Leben haben. Nacheinander. Manchmal glaube ich, dass ich auch sieben Mal lebe, dies aber nebeneinander und immer wenn ich einen chinesischen Glückskeks breche und esse, dann seht da auf dem Zettel: „machen Sie jetzt nicht den gleichen Fehler!“

Was ist zwischen Geburt und Tod eingeklemmt? Nach einer Schneiderlehre, einem Uni-Studium und ein paar geschriebenen Büchern später ist mein nächstes Ziel eine Boxschule in Mexiko zu eröffnen.

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