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Advent, Advent, mein Leben brennt

Ach, die Weihnachtszeit. So besinnlich und schön, voller Ruhe und Gelassenheit.

Bullshit.

Noch nie war die Oh-so-fröhliche für mich so oh-so-beschissen wie dieses Jahr. Angefangen bei den Bettelbriefen, die mir, obwohl gut gemeint, höchstens ein müdes Lächeln aus dem gefrorenen Gesicht kitzeln, weil ich mir zu Weihnachten selbst nur eine Dose Ravioli kaufen kann, über die Zilliarde Menschen, die sich Tag für Tag auf 273 Weihnachtsmärkten zwischen Glühwein- und Hipster-Food-Ständen hindurchwälzen, bis hin zu dieser verdammten Mariah Carey.

Alles geht mir auf den Sack und das nicht wegen der alljährlichen Nikolaushysterie, die unweigerlich und pünktlich wie ein Uhrwerk bei den ersten Anzeichen der weissen Winterfreude einsetzt, sondern weil mir das Leben (oder soll ich sagen: ich mir selbst) mal wieder einen richtig dicken Knüppel ins Vorderrad geschmissen hat.

Weihnachten ist geil, wenn man Weihnachten richtig geniessen kann. Will heissen: feierabendlicher Glühwein mit guten Freunden, entspannte Abende zuhause, dick eingehüllt in Kuscheldecke und Kakaoschwaden und Christmasshopping mit einem vollen Bankkonto. Die Realität sieht momentan leider eher nach einem Glas Sodaclub-Wasser am Küchentisch, so endlosen wie unerfüllenden Netflix-Eskapaden und gähnender Leere im Geschenkkässeli aus. Und das ist erst die Spitze des Tannenbaums.

Was, wenn man zu dieser Zeit der Andacht und Freude in einer ausgewachsenen Sinnkrise steckt? Dann können einem all die gut gelaunten Rotnasenfratzen mit ihren glühweingetränkten Wollhandschuhen mit Wonne am Allerwertesten nuckeln, bis ihnen Lametta aus den Ohren baumelt. Dann wird aus “All I Want for Christmas is You” ziemlich zackig ein “All I Want for Christmas is for You to fuck off”, aus Weihnachtsguetzli werden Wurfgeschosse und aus dem lustigen Onkel mit dem weissen Bart wird ein hilfloses Opfer besorgniserregender Gewaltfantasien.

Doch in der stillen Nacht, nachdem all die jinglenden Bells verstummt sind und Wham! endlich der unsägliche Hahn zugedreht wurde, bleibt die Gewissheit: das Jahr ist bald vorbei. Es zeigt sich am Horizont eine Chance, nächstes Jahr alles besser zu machen, im nächsten Jahr nicht wieder von vorne in die Scheisse zu watscheln und sich trotz aller Widrigkeiten auf das Gute zu konzentrieren. Denn schlussendlich ist der Dezember auch nur ein Monat, der eigentlich überhaupt nichts dafür kann, dass sich Jesus genau ihn zum schlüpfen ausgesucht hat. Und in Sri Lanka ist’s auch nicht kalt und hat keinen Schnee. Selber schuld, wenn du dir dein Flugticket zu den Schirmchendrinks erst für Januar gekauft hast.

Was ich damit sagen will: auch wenn du dir jetzt die Füsse totfrierst, die Sonne nur noch durchs Bürofenster siehst und zu jedem noch so unpassenden Zeitpunkt ein Spendenformular ins Gesicht geklatscht bekommst, so ist doch eines sicher: dein Leben geht weiter, auch wenn’s grad nicht so aussieht. Lass’ dir ein Paar prächtige Christbaumkugeln wachsen, bind’ dir eine Lichterkette um die Birne und shine on!

Glaube mir: du bist ein weitaus grösseres Geschenk als diese behämmerte Rituals-Duftkerze, die du deiner Mutter für’s Gästeklo gekauft hättest, wenn dein Geld nicht so sorglos in Gin Tonics und Winterklamotten geflossen wäre.

Ho-Ho-fucking-Ho.

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Autor: Yannick Lippuner

Was kann man über diesen Typen erzählen? In etwa das: Ist im Zürcher Oberland aufgewachsen, aber war dort nie zuhause. Wohnt in der schönsten Stadt der Welt, aber liebäugelt mit Barcelona. Hat Wirtschaft studiert, aber nur vier Semester. Wollte einmal Anwalt werden, aber lieber doch nicht. Ist 25, aber was heisst das schon. Macht viel, aber kann nur die Hälfte. Lebt im Moment, aber verpasst ihn gelegentlich. Ist etwas wild geraten, aber bereut das bisweilen am Sonntag. Tanzt durch die Nacht, aber geniesst jeden Tag. Riecht gerne Kaffee, aber hasst den Geschmack. Kann nicht ohne Musik, aber mag manchmal die Stille. Hat zwar Verstand, aber hört meist aufs Herz. Ist sehr weltoffen, aber hasst Ignoranz. Liest gerne, aber leider nur selten. Sieht gerne Neues, aber reist zu wenig. Hätte gerne Ordnung, aber weiss nicht, wie das geht. Ist sehr umgänglich, aber hasst Small Talk. Vergisst jeden Namen, aber meint das nicht böse. Vergisst allgemein alles, aber versuchts trotzdem immer wieder. Steht auf Blues & Soul, aber spielt Electronica. Arbeitet als Texter, aber weiss nicht wie das passiert ist. Sollte nicht so viel trinken, aber eis nimmi no. Schreibt neu für kult, aber immer nur montags. Enchanté.

The Foreigner: Black Dawn – Unnötigste Fortsetzung aller Zeiten!

Diese Leichtigkeit, diese Schwere, diese Fülle, diese Leere