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«Tazermania»: The heart of Rock’n’Roll

Oft totgesagt, wieder auferstanden und in komplizierte Kategorien – wie etwa «Postrock» – eingeteilt, bleibt Rock’n’Roll bis heute ein Geheimnis. Mit ihrem neuen Album «Tazermania» lassen Furlong das Herz des «Rawk» auf aufregende Weise weiter schlagen.

«Tazermania» eröffnet mit «Helter Skelter», was Wikipedia mit Holterdiepolter übersetzt, das Album geht also «Hals über Kopf» los, die Lyrics zeigen das nicht schlecht: «I’ve been drinking all night, Baby. I can’t feel my head no more. I’ve been looking for an answer, but I can’t even find the door. I’ve been talking to myself all night. Didn’t get a word I say.» Sängerin Vi Pie versucht vor dem Chorus etwas nützliches zu denken, aber «Baby» ihr Hirn ist tot. Auf der Homepage verschreibt sich die Band dem Gospel von «Rawk, Punk and Blues».

Eine weiteres Versprechen in der Bandbio erklärt, dass Furlong 2016 zusammengekommen seien, um Heavy Rock zu spielen, dabei aber die problematischen Seiten des Genres, wie überlange Gitarrensolos und hirnlose Texte auszulassen.

«Tazermania» (aufgenommen von V.O Pulver, in seinem «little creek studio») löst das Versprechen ein. Klar, da gibt es schon Gitarrenwände, Soli auch, aber beides grooviger und bluesiger als gewohnt. Was die Texte angeht, so spürt man schon in «Helter Skelter» verschrobenen Humor und spürt die Poesie verlorener Nächte und des nahenden Untergangs.

Furlong zeichnen für alle Songs und Lyrics gemeinsam, wie es auf der Plattenhülle steht. Klar wird aber schnell, dass Sängerin Vi Pie der Song «Y Thalassa Phonazi», der mit schwerem Bass und einem gesprochenen Intro beginnt und der sich um die Mittelmeer-Rettung von Flüchtlingen dreht, besonders am Herzen liegt. Hier singt sie zärtlicher als sonst: «Let us wait in the sand. Let the silence and the night come». Nach dem Ruf hin zum Meer kommt eine heavy Synthesizer-Gitarre zur Rhythmusgruppe hinzu. Und die Zuhörer ahnen, es ist gar nicht gut, was da mit den Leuten auf den Booten im Mittelmeer geschieht.

Um einen Moment bei Sängerin Vi Pie zu bleiben, ihre Stimme und die präzise, hektische Intonation erinnern an die Kompromisslosigkeit der frühen PJ Harvey. Gleichzeitig war die Sängerin aus Bristol immer etwas experimenteller ausgerichtet, ihre Bands sind viel weniger tight als Furlong und die Songs der Engländerin tasten mehr nach einem Arrangement, als dass es eins gäbe. Auch in den punkigen, wilderen Stücken bleiben Furlong kontrolliert, so dass die Spannung in den Songs nie abfällt.

Für Abwechslung und Tiefe übers ganze Album verteilt, sorgen auch die Duette zwischen Gitarrist Platz und Vi Pie. Auch dabei zeigen die beiden Musiker ein grosses Repertoire. So bleibt «Love is on the Line» vom Gesang her bluesig angehaucht, während etwa das wildere und immer mehr entgleisende «Meltdown», der Thematik angemessen, Punk und Unschuld verbindet, um im gemeinsamen Refrain die Sonne mit einem Schrei zu begrüssen.

«Meltdown» ist vielleicht ein gutes Beispiel für die Gitarrenarbeit auf dem Album. Die Solos sind dramatisch, richtig schön wild, aber eben kurz.

Hinter Vi Pie und Platz sorgen Bassist Nick Joyce und Schlagzeuger Dire D für einen satten Rhythmusteppich. Die Präzision und Präsenz der Rhythmusgruppe ist ein Markenzeichen von Furlong und lässt die Band erst richtig abgehen. Schlagzeuger und Bassist nehmen keine Gefangenen, was den Sound immer weiter vorwärts treibt.

Mit der Eröffnungsnummer «Helter Skelter» hat die Band die Latte hochgelegt. Als Album überzeugt «Tazermania» dadurch, dass die Spannung dank der Kreativität der Songs nie abfällt. Und ist die Scheibe mal im Player, wird es schwer sie wieder rauszubekommen, bei jedem Hören kann man Neues entdecken.

Was Gigs angeht, so ist es Sängerin Vi Pie, die verspricht: «Wir spielen mit dem Publikum, so wie eine Katze mit einer Maus spielt. Der Konzertbesuch erfolgt auf eigene Gefahr.» Während an den Gigs glücklicherweise weder Mäuse noch Besucher verschwunden sind, lohnt es sich auf jeden Fall Furlong live zu sehen. Die Band hat Drive, einen geilen Sound und ein Publikum, das abgeht und wirklich, wirklich auf die Gitarrensolos steht. Album und Gigs: Check it out.

FURLONG «Tazermania» runterladen:  iTunes, Spotify und Tidal

http://www.furlong.ch

http://www.facebook.com/furlongtheband

Fotos by Otto Böhne und Pix, Biel and Rock’n’Roll & Dirty Timmy Henry.

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Autor: Andy Strässle

Andy Strässle umarmt Bäume, mag Corinne Mauch und verleugnet seine Wurzeln: Kein Wunder, wenn man aus Blätzbums stammt. Würde gerne saufen können wie Hemingway, hat aber immerhin ein paar Essays über den Mann zu stande gebracht. Sein musikalischer Geschmack ist unaussprechlich, von Kunst versteht er auch nichts und letztlich gelingt es ihm immer seltener sich in die intellektuelle Pose zu werfen. Der innere Bankrott erscheint ihm als die feste Währung auf der das gegenwärtige Denken aufgebaut ist und darum erschreckt es ihn nicht als Journalist sein Geld zu verdienen.

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