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Das Böse im Advent

Fire and brimstone, Ladies and Gents, fire and brimstone: Vor Weihnachten quellen die Albträume aus ihren schleimigen Löchern, prall und fies, wie der fauligste Abfall aus dem schwärzesten, namenlosen Ghetto von Kolkata, wie fette, böse, mörderische Clowns, deren Humor auf den Namen Schmerz hört, die im Menschenschlachthof wirken und werkeln; die dort, nebst fröhlicher Metzelei, während der gleitenden Arbeitszeit, die kreativsten, degeneriertesten, libidinösen Freuden geniessen – weit jenseits von DeSade, Krafft-Ebing und Dr. Kinsey, weit jenseits der Schallmauer der Erträglichkeit.

Dazu lachen sie bis zum Nabelbruch, unter dem Motto: Das Schlachtmensch lebt ja sowieso nimmer lange, da kann man sich ja wohl noch ein Spässchen erlauben.

Manche dieser Albträume vergiften die Psyche dergestalt, dass dann noch der ganze nächste Tag ein widerwärtiges Gewand trägt – und der übernächste sowieso – und so weiter – ad infinitum.

In den Winterschatten wohnen Dämonen. Du siehst sie nicht. Doch sie sehen dich. Sie werden zustechen, wenn du ihnen den Rücken zukehrst.

Sie werden aus Schatten heraus zustechen.

Nicht erbrechen, nuuuuuur würgen

Zudem werden sie – aus unaussprechlichen und stets obszön flutschenden und schmatzenden Körperöffnungen – ein Gas verströmen, dessen Geruch wahre Abgründe der Übelkeit auslöst.

So eine tiefe, existenzielle Übelkeit, die alles erfasst.

Dabei ist dir zum KOTZEN schlecht – und alles dreht sich, alles dreht sich. Du windest dich, steckst dir den Mittelfinger der rechten Hand tiiiiiiief in den Hals.

Aber du kannst nicht erbrechen, nur endlos würgen, selbst wenn du noch den Zeigefinger zur Hilfe nimmst und dann noch den Ringfinger. Würgen. Ohne jegliche Möglichkeit der Erlösung.

Endlose Krämpfe

Und wenn wir gerade so schön dabei sind: Deine Därme sind aufgebläht, schmerzhaft, drängend, in vorher nie gekannter, rumpelnder Dauerbewegung, doch auch hier gibt es keine Erleichterung. Nur endlose Krämpfe.

Darmstadt ruft, doch die Würste kommen einfach nicht!

Sie werden nie mehr kommen. Genauso geht es deiner Blase. Sie ist bis zur aller-aller-äussersten Grenze gefüllt. Sie dehnt sich schmerzhaft bis zu ihrem maximalen Fassungsvermögen aus – gewiss sogar noch darüber hinaus: Drängende Pein in der hauseigenen Abwasserzone. Doch du kannst sie nicht entleeren.

Trotzdem platzt sie nicht. Sie schwillt weiter an – und schwillt weiter – immer weiter.

Die bittere Frucht der Furcht

All diese drängenden Schmerzen lösen natürlich furchtbare, alles dominierende Angst aus.

Mehr als nur Todesangst, Angst vor jenen noch ekligeren Dingen, die dich nach deinem Ableben zweifellos erwarten. Phobia überschwemmt deine Psyche, fegt alle nur denkbaren emotionalen, intellektuellen und rationalen Ebenen mit leichter Hand hinweg.

Deine Fantasien, deine Erinnerungen, deine Abneigungen, Vorlieben sowie jegliche Fassung und Konzentration werden von diesem Tsunami der Furcht unwiederbringlich zerschmettert.

Glaube, Liebe, Hoffnung brechen unter dieser Flut zusammen, Spielkartenhäusern gleich, die einem Erdbeben – der Stärke 9,5 auf der nach oben offenen Richter-Skala – ausgesetzt sind. Jawohl, es ist die furchtbarste Angst, welche hier, mit den unerträglichsten physischen Schmerzen zusammen, ein Duett aus der Hölle aufführt.

Denn die bittere Frucht der Furcht soll euer Gnadenbrot sein!

Eitriger Aussatz

Doch das ist noch nicht alles, Liebe Brüder und Schwestern. Gleichzeitig juckt es dich überall, dringlich, als hätte sich die akuteste Allergie mit dem eitrigsten Aussatz vereint – und gleich noch die Hämorrhoiden mit an Bord geholt.

Doch du kannst dich nicht kratzen. Deine Arme, deine Finger sind nämlich gelähmt, hängen unbrauchbar in der Gegend rum.

Auch deine Sinne, allesamt, erfahren nun höchste Pein. Der Geschmack in Deinem Mund ist unerträglich. Als wäre eine Ratte nicht nur langsam und qualvoll auf Deiner Zungen verendet, sondern danach auch noch sechs lange Wochen dort liegengeblieben, fortwährend pechschwarze faulige Flüssigkeiten der Verwesung ausstossend.

Die Blendung wäre eine Erlösung

Dazu kommt das grelle Licht, es blendet dich dermassen, dass du zu erblinden glaubst, doch die Blendung wäre eine Erlösung, deshalb findet sie ja auch nicht statt, dafür kannst du deine Augen fortan nicht mehr schliessen.

Und das Licht wird immer noch greller.

Zudem wird dein Gehör gnadenlos malträtiert, alle wirklich schlimmen Geräusche, zum Beispiel der legendäre quietschende Kreidenschrei auf der Wandtafel, die kreischende Kreissäge oder ein radikaler Feedbackstoss – direkt aus einem superlaienhaften Soundcheck in einer Dorfmehrzweckhalle der Seventies -, haben sich zu einer schaurigen Kakophonie verbrüdert, die deine Trommelfelle schmerzhaft vibrieren lässt.

Bis das Blut unter Hochdruck aus deinen Ohren schiesst.

Trockeneisblock ist Kuschelbär

Gleichzeitig schwitzt du beim Einatmen derart, dass deine Kleider durchnässt sind, als wärst du voll ins Zentrum eines Wasserwerferstrahls geraten – und beim Ausatmen frierst du, wie du noch nie zuvor gefroren hast.

Ein Trockeneisblock wäre gegen deine Glieder ein echter Kuschelbär.

Das Atmen fällt dir unendlich schwer, deine Luftröhre agiert wie ein verrusstes Ofenrohr. Yes!

Die krallenbewehrten Finger des Teufels wühlen in deinen intimsten Körperkratern. Das fühlt sich an, als hätte man dir rotglühende Tauchsieder eingeführt. Ah ja – und die Zehennägel werden dir mit dem Sardinebüchsenöffner – du kennst die Dinger, sie werden zur Dose mitgeliefert – sauber, laaaaangsam, knirschend nach hinten gerollt.

Dasselbe gilt für die Fingernägel.

Es wird noch schlimmer. Viel schlimmer!

Und weisst Du was? Das alles wird nicht nur für immer so bleiben, bis in alle Ewigkeit. Es wird sogar noch schlimmer werden. – Progressiv, exponentiell, explosionsartig.

Du hast nämlich nur noch eine Kapazität. Die Leidenskapazität.

Und die Ewigkeit, ja die ist halt schon verdammt lange. Wenn du alle Schneeflocken einzeln zählen würdest, die je auf diese Welt gefallen sind, dann wäre am Ende noch nicht mal der allerkleinste Bruchteil der Ewigkeit vergangen.

Denn Ewig währt für immer, Liebe Gemeinded

Aber wir wollen und doch zusammenreissen, wollen auf die Zähne beissen, positiv denken, Weihnachtseinkäufe erledigen, das Anal Explorer Set vom Erotic Mega Store neben die Krippe legen, uns an Weihnachts-Apéros stockbesoffen lächerlich machen, fressen und saufen – als wie eine Million Sauen.

Wir wollen selig den Oh-Tannebaum in Brand stecken – und infolgedessen das ganze Logis, das ganze Haus, das ganze Viertel, die ganze Stadt, den ganzen blauen Planeten. Wir wollen Flammen sehen, lodernde Flammen!

Der Schmerz kommt, das Vergnügen geht, eine Welt wird geboren.

Resnu Retav

Ich jedenfalls geniesse die Adventszeit, denn ich habe gelernt, auch den furchtbarsten Albträumen noch ein süsses Tröpfchen Glück abzuquetschen.

Und das wünsche ich Euch allen auch: Ein ultrasüsses, dickflüssiges Tröpfchen Glück – aus einer goldenen Schnabeltasse.

In diesem Sinne: Nema. Tiekgiwe ni Tiekhcilrreh eid dnu Tfark eid dnu Chier sad tsi nied Nned. Nesöb med nov snu esölre nrednos, Gnuhcusrev ni thcin snu erhüf Dnu. Nregidluhcs nresnu nebegrev riw hcua eiw, Dluhcs eresnu snu bigrev Dnu. Etueh snu big Torb sehcilgät Resnu. Nedre fua os, Lemmih mi eiw, ehehcseg Elliw Nied. Emmok Hcier Nied. Eman nied edrew tgilieheg, Lemmih mi resnu Retav.

THE END

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Autor: Christian Platz

Lebt in Basel. Arbeitet überall. Reist recht viel. Vor allem nach Asien. Und in den Deep South der USA. Verdient sein Geld seit über einem Vierteljahrhundert mit Schreibarbeiten. Vorher hat er als Pfleger in einer Irrenanstalt gewirkt. Hat mehrere Bücher veröffentlicht. Spielt seit 40 Jahren fanatisch Gitarre, zwischendurch singt er auch noch dazu. Schreibt unter anderem für Kult. Ist manchmal gut aufgelegt. Manchmal schlecht. Meistens so mittel. Sammelt Bücher, CDs, Filme, Artefakte. In einem psychisch leicht auffälligen Ausmass. Verfügt, bezüglich der Dinge, die er sammelt, über ein lexikalisches Wissen. Platz ist einerseits ein Wanderer auf dem Pfad zur linken Hand. Andererseits Neofreudianer mit Waffenschein. Liebt Blues und Voodoo, Rock'n'Roll und die schwarze Göttin Kali. Trinkt gerne Single Malt Whisky aus Schottland. Raucht Kette. Ist bereits über 50 Jahre alt. Macht einstweilen weiter. Trotzdem wünscht er nichts sehnlicher herbei als die Apokalypse.

WARNHINWEIS:
Dieser Mann tritt manchmal als katholischer Geistlicher auf, stilecht, mit einem besonders steifen weissen Kragen am Collarhemd. Dies tut er in gänzlich irreführender Art und Weise und ohne jegliche kirchliche Legitimation. Schenken Sie ihm - um Gottes Willen - keinen Glauben. Lassen Sie sich nicht von ihm trauen, ölen oder beerdigen. Lassen Sie sich von ihm keinesfalls Ihre Beichte abnehmen. Geben Sie ihm lieber Ihr Geld.

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