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Star Trek: Discovery – Besprechung zu “Süsse Trauer, Teil 2” (S2E14)

Von Sebastian Blasek

Spoilerwarnung. Diese Rezension enthält massive Spoiler auf «Süße Trauer, Teil II«, die vierzehnte Folge der zweiten Staffel von «Star Trek: Discovery» und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und vorangegangene Episoden bereits gesehen hat.

I. Einleitung.
Schneller als gedacht ist die zweite Staffel Discovery auch schon wieder vorbei und nun bricht die Zeit an, eine Bilanz dieser vierzehn Folgen zu ziehen. Die fällt am Ende bestenfalls durchwachsen aus.
Immerhin muss man der Serie zugutehalten, dass mit der Versetzung Pikes auf dieses Schiff ein neuer Geist Einzug ins oftmals eher deprimierende Sternenflottendasein der Charaktere Einzug hielt. Anson Mount vermochte es im Alleingang jene Werte zu transportieren, die man gemeinhin als Star-Trek-Ideale bezeichnet.
Außerdem gab es insbesondere zu Beginn der Staffel einige sehr gute Episoden, denen es gelang, das ein oder andere Ausrufezeichen zu setzen, Forschergeist zu transportieren und auch inhaltlich zu überzeugen. Zusammen mit einer Fokussierung auf das frühe Schicksal der toll in Szene gesetzten Star-Trek-Ikone Spock, dem ein oder anderen recht nostalgischen Moment und dem Einbezug der gesamten Mannschaft glückte es Discovery des Öfteren, den langen Schatten der Vergangenheit abzuwerfen und sich in der Tat als moderne Star-Trek-Serie zu präsentieren.
Doch dann kam ein etwas unerwarteter Einbruch. Ab der Mitte der Staffel ging den Autoren scheinbar der Erzählstoff aus und die gesamte Serie verfiel in alte Strickmuster. Michael Burnham wurde – bald noch mehr als in der ersten Season – zum alleinigen Zentrum des Geschehens, die Figuren an ihrer Seiten wurden zunehmend in den Hintergrund gedrängt und auch inhaltlich vermochten die einzelnen Episoden kaum mehr eine Balance zwischen Handlung und überemotionalen Dialogen zu finden.
Kurzum: So sorglos wie unbedarft verspielte man die mühsam aufgebauten Fortschritte, die bis dato geschaffen wurden.
Nun aber schickt sich das große Staffelfinale an, den größeren Bogen zu schließen. Nachdem dessen erster Teil den hohen Erwartungen bereits nicht einmal ansatzweise gerecht werden konnte, dürfen wir gespannt sein, ob es der letzten Folgen doch noch gelingt, die Kohlen aus dem Feuer zu holen…

II. Story.
In den unendlichen Weiten des Weltalls treffen zwei gigantische Flotten aufeinander: Auf der einen Seite jene von der Discovery und der Enterprise angeführte Meute aus Shuttles, Pods und sonstigem flugfähigen Material, dass die Besatzungen, die Königin von Xahea oder die Shuttlehangare der beiden Schiffe zusammenkratzen konnten. Auf der anderen Seite steht eine Armada aus mehr als dreißig Sektion-31-Schiffen, die ihrerseits überflüssige Schiffsbauteile für Miniflugkörper geopfert hat.
Nachdem sich beide Föderationsschiffe abermals weigern, Control die wichtigen Sphärendaten zur Entwicklung einer rücksichtslosen Superintelligenz zu übergeben, beginnt eine gigantische Weltraumschlacht. Doch während auf den Brücken die Drähte heißlaufen und man sich verzweifelt gegen die Feuerkraft des Gegners aufzulehnen versucht, finden auf den Decks ganz andere Grabenkämpfe statt:
Ein Team um Michael Burnham versucht hektisch, den fortschrittlichen Anzug des Roten Engels zusammenzuschustern, auf der Enterprise unternimmt man verzweifelte Maßnahmen, um einen nicht detonierten Photonentorpedo zu entschärfen und auf den wackligen Gängen der Discovery bemüht sich Georgiou zusammen mit dem Sicherheitsoffizier Nhan nach Kräften, ihren früheren Vorgesetzten Leland davon abzuhalten, sich der heißbegehrten Daten zu ermächtigen.
Als es Burnham endlich gelingt, in ihren Anzug zu schlüpfen und den waghalsigen Plan, die Discovery in die Zukunft zu katapultieren in die Realität umzusetzen, stößt sie zusammen mit ihrem Adoptivbruder Spock auf ein unerwartetes Problem:
Während Sich das Schlachtenglück mehr und mehr zugunsten Lelands und seiner Sektion-31-Horde wendet, gelingt es ihr trotz frisch zusammengeschraubtem Anzug nicht, ein Wurmloch erzeugen, dass sie, die Discovery und das gesamte Leben in der Galaxis retten könnte…

III. Lobenswerte Aspekte.

Kanonfutter.
Einer meiner Lieblingsmomente dieser Folge war jener, als bei der Befragung der Sternenflottenoffiziere jeder der Anwesenden seinen Namen und Rang zu Protokoll geben musste. Während Ash Tyler und Christopher Pike dies vorschriftsgemäß taten, hielt Rebecca Romjin den Mythos um ihre namenlose Rolle aufrecht, indem sie sich als ‹Nummer Eins‹ vorstellte.
Und doch löst Discovery dieses fünfzig Jahre alte Rätsel ein Stückweit, als Pike seinen ersten Offizier beim Vornamen ‹Una‹ nennt (in der deutschen Synchronisation klingt es eher wie ‹Nuna‹), was bei Lichte besehen eigentlich auch nicht viel anderes als ‹Eins‹ bedeutet, aber immerhin eine Brücke zur Star-Trek-Bücherwelt schlägt, wo der Charakter unter anderem diesen Namen vierliehen bekam.
Es gibt aber noch eine ganze Reihe weiterer Anleihen an andere Star-Trek-Filme und -Serien. Etwa der Weltraumparcours, den Burnham im Anzug des roten Engels ableistet und der sicherlich nicht ganz zufällig an optisch äußerst ähnliche Aktionen in «Star Trek [2009]» oder «Star Trek Into Darkness» erinnert. Zusammen mit dem Kampf auf Raumschiffgängen, deren Schwerkraft sich beim Ringen und Laufen ändert erinnert es – ähnlich wie die Ansichten San Franciscos – wohl nicht von ungefähr an jene Reboot-Filme, an denen Produzent Alex Kurtzman ebenfalls beteiligt war.
Aber das ist nur ein kleiner Teil eines größeren Ganzen.
Wie hören mal wieder etwas von der guten alten ‹47‹, die Vorschrift 157 Paragraf III, den altehrwürdigen klingonischen Sinnspruch ‹Heghlu’meH QaQ jajvam› und einen Auszug jenes Sun Tzu, den bereits Riker in «Der Wächter» auf ähnlich aufmerksamkeitsheischende Art und Weise zitierte.
Daneben gibt es einen Wurmlocheffekt, der gleichermaßen an «2001: Odyssee im Weltraum» wie «Star Trek – Der Film» denken lässt, ohne aus der Zeit gefallen zu wirken.
Besonders angetan war ich allerdings von einem unauffälligen klingonischen Offizier, der L’Rell auf ihrem Spaltschiff zur Seite stand. Der gute Mann hörte nämlich auf den Namen K’Vort, was viele Fans an den inoffiziellen Namen jener Raumschiffklasse erinnert, die gemeinhin als ‹klingonischer Bird of Prey‹ bekannt ist. Den vermeintlichen Namensgeber dieses legendären Schiffstyps einzuschmuggeln ist eine fantastische Idee, die die immensen Möglichkeiten aufzeigt, die eine Serie hat, die gut zehn Jahre vor der Originalserie angesetzt wurde und einige Löcher in der Geschichte stopfen könnte.
Doch leider war dies wohl einer der letzten derartigen Momente…

Leichter Ausweg.
Hätte man es mir im Vorfeld erzählt, so hätte ich nicht geglaubt, dass die Produzenten diesen Weg wählen würden, um die zweite Staffel zu beenden. Die Flucht nach vorn ins dreiunddreißigste Jahrhundert vollzieht einen Looping aus dem Stand und markiert eine 180°-Wende, die es in dieser Form noch nie in der Star-Trek-Geschichte gegeben hat.
Doch diese Premiere ist mitnichten ein perfekter Weg. Sie ist Wasser auf die Mühlen jener Kritiker, die von Beginn an ein Setting in einer Ära zehn Jahre von Captain Kirks historischer Fünfjahresmission monierten. Sie bedeutet ein Einknicken gegenüber allen Beschwerden, die der Serie konstante Fehlgriffe in Design, Einhaltung der Zeitlinie und massive Kanonbrüche vorwarfen. Es ist ein Gesichtsverlust und ein Messer in den Rücken jener tollkühnen Visionäre, die einst diesen mutigen Startpunkt ausgewählt hatten.
Dieser Rückzug in die Zukunft ist vielleicht kein perfekter Weg, aber es ist definitiv besser so.
Nicht nur, weil man sich so doch noch jener Vision Bryan Fullers nähern (vgl. dazu die Einleitung in «Tal der Schatten«), einen schlaglichtartigen Einblick in die Geschichte der Föderation zu liefern, sondern vor allem, weil es den Kurs jener Appeasement-Politik folgerichtig abschließt, den Discovery zu Beginn dieser Staffel einschlug.
Denn Hand auf’s Herz:
Die Geschichte Discoverys ist bislang vor allem eine Geschichte von Fehltritten und deren Revidierung. Die Klingonen haben wieder Haare, die revolutionäre Holokommunikation ist abgeschafft und die Existenz eines Spiegeluniversum geheime Verschlusssache. Nun wird dieser Katalog um die Existenz des Sporenantriebs, das Wirken eines Roten Engels und die gesamte Discovery erweitert.
Ganz offensichtlich setzt Neu-Produzent Alex Kurtzman in radikaler Form auf Schadensbegrenzung, nachdem die Discovery zuvor wie ein Elefant im Porzellanladen ohne Rücksicht auf Verluste durch die Star-Trek-Historie pflügte. Frei nach dem Motto ‹Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende‹ bricht man mit einem weiteren Kritikpunkt der Serie und bemüht sich im gleichen Atemzug auch alle anderen mit dem Mantel des Vergessens zu verhüllen.
Darüber hinaus gilt es auch dankbar zu sein, dass sich Befürchtungen, wie jene, die Discovery könnte am Ende für die Entstehung der Borg verantwortlich sein, trotz passender Gelegenheiten nicht erfüllt haben.
Aber auch wenn das alles verständlich ist, muss ich persönlich zugeben, dass mich ein wenig Wehmut beschleicht. Inzwischen habe ich mich an die Discovery in dieser Zeit gewöhnt und insbesondere seit der Ankunft Christopher Pikes war ich gewillt, dem unheilvollen Treiben allem Unbill zum Trotz mein ungeteiltes Interesse entgegenzubringen. Nun aber bietet sich diese Chance nicht mehr und wir müssen uns auf ein völig neues Setting einlassen.
Wäre da nicht das Ende der Folge, das sich vor allem wie ein idealer Pilotfilm für die Abenteuer einer USS Enterprise unter dem Kommando Christopher Pikes anfühlte, der sich mit Offizieren wie Nummer Eins, Spock oder Signalmeister Colt anschickt, jene Geschichten über das legendärste Sternenflottenschiff der Geschichte zu erzählen, von denen wir noch nichts wissen.
Denn während dieser Spin-Off geradezu danach schreit realisiert zu werden, sehe ich eine Sektion-31-Serie unter Beteiligung Michelle Yeohs in weiterer Ferne gerückt als jemals zuvor…

Charaktermomente.
Was war das für ein Schaulaufen!
Wer letzte Woche noch nicht die Gelegenheit hatte, sein Gesicht freudig in die Kamera zu strecken, darf diesen Missstand nun endlich aufholen! Neben Philippa Georgiou, Admiral Katrina Cornwell, Nhan, Leland, Amanda Grayson, Nummer Eins, Me Hani Ika Hali Ka Po oder Jett Reno dürfen sich nun auch noch L’Rell und Siranna in diesen munteren Reigen einreihen.
Wobei mit diesen Auftritten nicht immer wirklich inhaltliche Konsequenzen einhergehen. So bleiben die Auftritte Mia Kirshners (Amanda Grayson), Yadira Guevara-Prips (Po) oder Hannah Spears (Siranna) in ihrem Umfang so begrenzt, dass sie eine nähere Betrachtung in diesem Rahmen kaum rechtfertigen.
Immerhin bleibt Sonequa Martin-Green als Michael Burnham erspart, sich mit kaugummiartig ausgedehnten Dialogen den Unmut der Zuschauer auf sich zu ziehen. Stattdessen findet sie eine angenehme Balance, die ihren persönlichen Abschied (inklusive Lebensratschlägen) viel seriöser als jeden Abschied des Vorgängers wirken lassen.
Nicht minder gut präsentiert sich Ethan Peck bei seinem (vorerst) letzten Auftritt als Spock. Insbesondere seine Dialoge mit seiner Ziehschwester knistern nahezu vor Spannung und seine finale Entscheidung, auf die inzwischen zur Sehgewohnheit gewordene Gesichtsbehaarung zu verzichten, zählt zu den besseren Szenen der Folge.
Der dritte Ausnahmedarsteller im Bunde bleibt Anson Mount, der in seiner Funktion als Captain Pike während der Schlacht vielleicht nicht unbedingt die beste Figur abgibt, aber insbesondere in den Schlusssequenzen seinen positiven Einfluss auf die gesamte Staffel noch einmal unterstreicht. Darüber hinaus verdeutlicht seine energische Darstellung, welch großartige Wahl er für eine Enterprise-Serie mit Pike am Ruder wäre.
Danach kommt erst einmal lange nichts.
Bis Michelle Yeoh sich über den Bildschirm prügelt und dabei Rachael Ancheril als Nhan links liegen lässt. Hier wird abermals überdeutlich, dass Yeohs Zweikampfkünsten der Vorrang vor ihren darstellerischen Fähigkeiten gegeben wird, auch wenn in meinen Augen jener Moment, in dem sie Leland genussvoll beim Sterben zusieht eine ihrer besten Szenen in der gesamten Serie markiert.
Während Anthony Rapp als Paul Stamets vorrangig durch Herummotzen, Raumanzugsbasteln und Schrappnellverletzungen in Erinnerung bliebt, darf Wilson Cruz als Hugh Culber hier die Akzente in einer Beziehung setzen, die ausgerechnet auf dem Biobett der Krankenstation zur Freude der Zuschauer wiederaufgegriffen wird.

Daneben bleiben die meisten Sternenflottenoffiziere hinter ihren Möglichkeiten weit zurück. Doug Jones zitiert zwar als Saru Sun Tzu, bleibt aber bei der folgenden Raumschlacht den Beweis von irgendwelchem Taktikverständnis schuldig und wirkt konstant überfordert.
Nummer Eins, sein Pendant auf der Enterprise, versäumt es ebenso, irgendwelche Akzente zu setzen. Rebecca Romjin erscheint in zu vielen Szenen ähnlich hilflos, auch wenn ich einen häufig kritisierten Misstand nachvollziehen kann: Als Charakter, dessen Charaktereigenschaften bei der Neuorientierung der Originalserie auf Spock übergingen, konnten die Autoren nicht einen ‹zweiten Vulkanier› auf die Brücke der Enterprise setzen, ohne in einen Konflikt mit Spock zu geraten. So gesehen kann ich mit der Neuinterpretation der rechten Hand Pikes ganz gut leben, auch wenn ich mir zuweilen eine weniger ruppige Art gewünscht hätte.
Shazad Latif als Ash Tyler kommt ebenfalls nur wenig Zeit zugute, sodass auch er wie Pike seine besten Momente in den Schlussminuten erhält, auch wenn ich die Feldbeförderung zum Kommandanten von ganz Sektion 31 für einen umoperierten Klingonen ein wenig leichtfertig finde.
Am enttäuschendsten blieb allerdings der Auftritt Sylvia Tillys. Die Drehbuchschreiber scheinen gegen Ende der Staffel keine wirklich zündenden Ideen mehr für Mary Wisemans Charakter zu haben, die allen Ernstes in einem Anflug von Saufspiel die Schildgeneratoren mit geschlossenen Augen instand setzt. Spätestens, seit mit Tig Notaro alias Jett Reno eine zweite Frau an Bord ist, die ebenfalls mit einem großartigen Technikverständnis gesegnet ist und gleichermaßen kein Blatt vor den Mund nimmt, gerät der Charakter mehr und mehr auf ein Abstellgleis, auf dem ihr nur noch peinliche Lebenszeichen wie dieses bleiben.
Als großes Bauernopfer zum Abschluss der Staffel muss schließlich Jayne Brook herhalten. Das aufopferungsvolles Ableben Admiral Cornwells – das vor allem an einer Tür hing, die nur von einer Seite verschließbar ist (wer zum Teufel entwirft denn solche Notschotts?) – wirkte allerdings reichlich bemüht. Ähnliches ließe sich auch über den assimilierten Leland sagen, der nur einen mageren Bösewicht mimt. Sein flaches Ende, das wir in «Tal der Schatten» bereits in so ziemlich identischer Manier bewundern durften, passt jedenfalls zu einem Gegenspieler, der nie wirklich verstanden hat, zu einer spürbaren Bedrohung zu erwachsen. Wenn Control allen Ernstes noch einmal in die gleiche Falle tappt, hat die künstliche ‹Intelligenz‹ diese Bezeichnung und eine eigenständige Existenz wohl nicht so recht verdient.
Die restliche Brückencrew ist zwar mit von der Partie, aber keineswegs auf Augenhöhe mit irgendeinem der anderen Darsteller. Natürlich dürfen sie mal ab und zu eine Zeile Drehbuch herunterleiern, sich dramatisch anschießen lassen oder verzweifelt dreinschauen, aber sie bleiben eher Statisten in einer Folge, in der es ganz klar um wichtigere Personen geht.
Einen weiteren Lichtpunkt gab es zum Abschied aus dieser Zeitlinie dann aber doch noch: L’Rells Auftritt als Anführerin der klingonischen Kavallerie mag bemüht gewesen sein, markierte jedoch ihren besten Auftritt als Kanzlerin bislang – zumal sie einer Klingonin in Aussehen und Handeln näher kam als in anderen bisherigen Folgen der Serie.

IV. Kritikwürdige Aspekte.

Die Raumschlacht.
Eine Raumschlacht ist immer ein Garant für großartige Star-Trek-Inhalte gewesen. Während man in «Das unentdeckte Land«, «Der erste Kontakt» oder selbst «Star Trek – Beyond» die Handlung mit ein wenig Weltraum-Kampfaction aufpäppelte, genügt in «Angriffsziel Erde» gar nur das Trümmerfeld einer Auseinandersetzung der Erzeugung eines tiefsitzenden Schreckens. Andere legendären Schlachten wie die von Chintoka, der Auseinandersetzung der USS Enterprise mit dem Flaggschiff des romulanischen Prätors oder der verzweifelte Kampf der NX-01 gegen die Xindi-Reptiloiden sind aus dem Kanon nicht wegzudenken und machen einen beträchtlichen Teil dessen aus, was Fans an der Franchise lieben.
Dieser Traditionslinie gelang das Staffelfinale der zweiten Season Discovery nicht gerecht zu werden.
Das lag vor allem an der merkwürdigen Taktik, die so erschreckend zweidimensional wirkte, dass man selbst Kahn im zweiten Kinofilm nachträglich ein weitaus besseres Verständnis zubilligen muss.
Während nämlich die Enterprise mit der Discovery irgendwo im Weltraum auf ihren Gegner wartete, umringten die Sektion-31-Schiffe ihre beiden Gegner einfach wie eine Meute schaulustiger Schüler bei einer Pausenhofschlägerei. Dann schossen alle derart wild und ziellos aufeinander, dass man eher an ein Feuerwerk zu Silvester, als an eine Raumschlacht, die diese Bezeichnung verdienen würde, denken musste. Wozu zitiert den Saru Sun Tzu (vgl. Denkwürdige Zitate), wenn Taktik in der kommenden Stunde keinerlei Rolle spielt?
Es gab schließlich (entgegen sämtlicher Beteuerungen in den Dialogen) kaum nennenswerte Bewegungen zwischen den beteiligten Schiffen.
Wir sehen kein Ausweichmanöver Beta, Gamma oder Omega!
Kein Riker-Manöver, kein Picard-Manöver und noch nicht einmal der Versuch, ein anderes Schiff zu rammen!
Selbst als die überfällige Verstärkung aus Schiffen der Ba’ul und Klingonen eintrifft, bleibt das gesamte Geschehen eine Materialschlacht ohne viel Bewegung, abgestimmte Angriffe oder spektakuläre Aktionen. Es ist ein Stellungskrieg, dem im Gegensatz zum Grabenkampf im ersten Weltkrieg jegliche Grundlage in einem unendlichen Weltraum fehlt, in dem man nicht nur Richtungen wie ‹geradeaus›, ‹zurück›, ‹links› und ‹rechts› kennen sollte, sondern auch ‹oben›, ‹unten›, ’schräg‹ und ‹schief‹. Zumal man nach dem Aufladen des Zeitkristalls den Sporenantrieb hätte einsetzen können, um mittels unkalkulierbarer Sprünge wie in «Algorithmus» den Ausgang für sich entscheiden zu können.
Und weil so ein statischer Kampf am Ende ungefähr so mitreißend ist wie es klingt, muss sich die Handlung schon ziemlich winden, um überhaupt ansatzweise so etwas Spannung aufzubauen. Es ist jedenfalls auffällig, wie viel Zeit alle Beteiligten haben, in ihren Schiffen herumzustromern, ausführliche Konversationen zu betreiben oder zumindest durch aufwändig durchchoreografierte Zweikämpfe ein wenig mehr Abwechslung in die triste Raumkampflangeweile einzufügen.
Dass die finale Scharmützel stilistisch so sehr aus dem an sich spannenden Raumkampfmetier ausbricht, liegt neben seiner Bewegungsarmut vor allem im Bruch mit weiteren Traditionen.
Erstmals sehen wir nämlich, wie eine massive Shuttleflotte die Kampfhandlungen entscheidend mitbestimmt. Während man den Kleinstschiffen zumindest zugutehalten kann sich ausreichend zu bewegen, verhindert dieser Bruch mit einer Kampfphilosophie, die die Franchise bislang von anderen wie Babylon 5, Kampfstern Galaktika oder Star Wars abhob, maßgeblich, dass sich das Getümmel vertraut anfühlte. Vor allem mit Elementen wie Pods, Reparaturrobotern und den entsprechenden Soundeffekten durchbrach die Folge mehr als nur einmal jene unsichtbare Trennlinie, die Star Trek bislang klar von seinem großen Konkurrenten Star Wars trennte.
So gesehen stand diese ‹Schlacht‹ eher in einer Tradition mit den Kämpfen, die die neuen Star-Wars-Filmen seit J.J. Abrams dominieren, als mit den epischen Auseinandersetzungen, die man Star Trek bis dato erleben konnte.

Strickmuster F.
Olatunde Osunsanmi ist bei aller Kritik an der Folge ein recht experimentierfreudiger Regisseur, der Star Trek um ein paar neue Kniffe bereichert hat. Die Split-Screen hat mir jedenfalls so sehr gefallen, dass ich mir gut vorstellen kann, sie in Zukunft häufiger wiederzusehen.
Ansonsten aber weicht die Folge trotz ihrer imposanten Länge von über einer Stunde nicht vom Negativtrend ab, der sich in den letzten paar Episoden eingeschlichen hat:
Zugunsten der aufsehenerregenden Effekte, die die Raumschlacht hier dem Zuschauer unter die Nase rieb, geriet die Handlung derart ins Abseits, dass es schwerfällt, eine Inhaltsangabe zu schreiben, die über ein paar überschaubare Sätze hinausgeht.
In Anbetracht der Zeit war es in dieser Episode neben Längen im Schlachtgeschehen vor allem der Luxus extensiver Rückblenden, der mich zumindest arg verwundert hat. Natürlich ist es notwendig, die eigenen Aktionen in diesem Moment mit der Vergangenheit in Einklang zu bringen, aber da hätte man problemlos mehr als einmal den Rotstift ansetzen können, ohne dass dem Otto-Normalverbraucher vor dem Fernseher wichtige Zusammenhänge entgangen wären.
Zudem fiel auf, dass die dramatischen Vorhersagen der letzten Folge in bester Discovery-Manier zwar zutrafen, aber in ihrem Ergebnis so abgeschwächt ausfielen, dass es schwerfiel, sie noch sonderlich ernst zu nehmen. So überlebte die Brückencrew das Eintreffen Lelands genauso, wie die Enterprise eine Detonation eines spätzündenden Photonentorpedos wegzustecken vermochte.

Logiklöcher und Kanonbrüche.
Eines vorweg:
Ich vermag mich nicht dem allgemeinen Kritikpunkt anzuschließen, dass die Flucht der Discovery ins Wurmloch unnötig gewesen sei, weil Control längst besiegt war.
Es handelt sich schlichtweg um ein Prädestinations-Paradoxon: So sehr, wie Burnham zuerst die roten Signale der zurückliegenden Folgen aktivieren musste, um das Schlachtenglück auf ihre Seite zu lenken, musste auch die Discovery verschwinden, um eine künstliche Intelligenz auszuschalten, deren Erscheinungsform als Leland nur eine von mehreren Entsprechungen war («offene Zeitschleife«). Es war wohl weniger die Magnetisierung der Sporenkammer, die Control besiegte, sondern das einsetzende Verschwinden jenes Schiffes, auf dem die Daten der Sphäre eingemottet wurde. Control hatte sich bereits zuvor virusartig auf den Sektion-31-Schiffes verbreitet – da bildete die Assimilierung Lelands nur ein Sahnehäubchen auf einen ganzen Corpus von dem, was die künstliche Intelligenz als Gegner ausmachte.
Während ich mich mit diesem Umstand irgendwie arrangieren kann, ärgern mich eine ganze Reihe weiterer Aspekte, die beweisen, dass sich unter der Autorenschaft niemand wirklich die Mühe gemacht hat, das eigene Konzept bis zum Ende bis zum Ende zu durchdenken.
Beispielsweise ist mir nicht so ganz klar, warum die Energie ausreicht, um stolze sieben roten Signale zu verschiedenen Zeitpunkten auslösen. Selbst wenn man wohlwollend davon ausgeht, dass die ersten sechs davon in einem vergleichsweise geringen Abstand von einigen Monaten zum Sprungzeitort stattfanden, führte der letzte davon Burnham wiederum neunhundert Jahre zurück. Außerdem weiß ich nicht, ob Zeitkristalle ein eigenes Bewusstsein haben, dass sie einschätzen lässt, wann sie jemanden zur Verhinderung von Paradoxien in die Zukunft schicken, welche Umwege sie einlegen müssen oder was sie in den Visionen zu sehen bekommen.
Während man sich die Erklärungen für solcherlei Kopfschmerzthemen aber sicherlich noch zurechtbiegen kann, stört mich abermals, wie wenig Verständnis die Autoren von der Wirkensweise des Star-Trek-Universums verstehen.
Das zeigt sich insbesondere an den Schilden, die mal schneller und mal langsamer schwächer werden, mal Shuttles, Personen oder Photonentorpedos durchlassen, das Beamen von Spock auf die schildlose Discovery verhindern aber auf die kampfbereite Enterprise zulassen oder schlichtweg keinen Unterschied ausmachen, als sie inmitten des Kampfgeschehens ausfallen.
Nicht minder fragwürdig finde ich, dass Pike bei einer verheerenden Antimaterie-Explosion, die einen beträchtlichen Teil seines heißgeliebten Schiffes wegreißt, hinter einer Glaswand stehen kann, um das Geschehen von dort aus zu verfolgen.
Aber auch Ash Tylers Eintreffen mit der Kavallerie bereitet arge Bauchschmerzen.
Warum hat er keine Föderationsschiffe geholt? Wäre es nicht naheliegender, eine USS Lexington, USS Excalibur oder USS Defiant mitzubringen als die Ba’ul und die Klingonen?
Denn nur zur Erinnerung:
Die fleißigen kelpianischen Kampffliegerpiloten gehörten bis vor wenigen Folgen noch einer hinterwäldlerischen Prä-Warp-Zivilisation an, die hinter den technischen Errungenschaften der verhassten Ba’ul das Wirken von Halbgöttern vermutete.
Nicht minder problematisch ist Tylers Anwesenheit auf dem Schiff der Klingonen. Immerhin klingeln mir jetzt noch die Ohren von der Predigt, die L’Rell ihrem Kindesvater für den Fall hielt, der eintreffen könnte, wenn irgendjemand etwas darüber erfahren würde, dass er nicht von ihr getötet wurde, sondern noch immer bei bester Gesundheit für den Erzfeind der Föderation arbeitet.

V. Fazit.
Während «Süße Trauer, Teil II» inhaltlich ähnliche Schwachstellen wie vorangegangene Folgen offenbart, die sich vor allem in Handlungsarmut, Logiklöchern und Verständnislücken zeigen, beweist das Staffelfinale am Ende doch noch ungeahnten Mut.
Die Uhr wird zurück auf Null gestellt und Discovery erhält in einer weit entfernten Zukunft die Möglichkeit, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Auch wenn dieser taktische Rückzug ein wenig feige wirkt, bleibt der ansonsten mit einigen schönen Charakter- und Kanon-Momenten ausgestatteten Folge zugute zu halten, dass man diesen risikoreichen Schritt zu gehen bereit ist.

Bewertung.
Mutiger Aufbruch zum neuen Anfang.

VI. Schluss.
Die einen wird es nicht stören, die Discovery in der Zukunft weiterfliegen zu sehen, während die anderen wohl heilfroh sind, dass das Schiff und seine Besatzung nicht länger die Zeitlinie durcheinanderwirbeln. Doch während diese totale Neuorientierung im ersten Moment wie eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten klingen mag, ist sie bei genauerem Hinsehen ein Fiasko für die Schöpfer der Serie.
Der Rückzug der Discovery aus einer Zeitlinie zehn Jahre vor Kirk, Spock und Pille bildet im gleichen Atemzug nämlich das Eingeständnis des Versagens der Autoren, eine Geschichte zu erzählen, die innerhalb der Parameter dieser sehr speziellen Zeit funktioniert. Es zeigt sich, dass man deutlich mehr Recherche-Arbeit hätte investieren müssen, um diese Gratwanderung bewerkstelligen zu können. Am Ende war der damit verbundene Aufwand zu viel für diese ambitionierte Serie, die allerdings mit ihrem mutigen Schnitt einmal mehr unter Beweis stellt, dass sie auf die Fans einzugehen bereit ist.
Traurigerweise wird es aus genau diesem Grund aber auch keine Pike-Serie geben.
Es ist nur schwer vorstellbar, dass sich die Produzenten nach diesem offensichtlichen Scheitern noch einmal auf das Glatteis eines Prequels wagen werden, der in Form, Inhalt und Optik derart wenig Spielraum zulässt wie eine Serie an Bord der Originalserien-Enterprise.
Im gleichen Atemzug wirft das Staffelfinale aber auch einen düsteren Schatten auf die kommende Picard-Serie.
Wenn es schon Discovery nicht gelingt, mit den Vorbildern einfühlsam umzugehen, wie soll es dann erst einer Serie ergehen, die das Leben eines legendären Sternenflottenveteranen weiterzuerzählen versucht?
Gerade im Hinblick auf die nunmehr angelaufene letzte Staffel «Game of Thrones» bleibt festzuhalten, dass «Star Trek» in seiner Serien-Neuauflage noch weit entfernt vom Qualitätsstandard des selbst proklamierten Vorbilds ist. Das ist schade, denn mit verdienten Autoren wie David Mack, Keith deCandido oder Dayton Ward gibt es auch innerhalb der Franchise exzellente Autoren, die nicht nur hinlänglich mit der Materie vertraut sind, sondern auch hinlänglich unter Beweis gestellt haben, dass sie in der Lage sind, packende literarische Vorlagen zu verfassen, die sich für eine vernünftig konzipierte Tie-In-Serie anbieten.
Aber das bleibt wohl auch in Zukunft Vergangenheitsmusik.

Denkwürdige Zitate.

«Wir sind die Sternenflotte. Zeigen wir’s ihnen.»
Captain Christopher Pike

«Drohnen – eklige Viecher.»
Philippa Georgiou

«Sei unendlich subtil, ja gehe bis an die Grenzen des Formlosen. Sei unendlich geheimnisvoll, ja geh bis an die Grenzen des Lautlosen.»
«Auf die Weise kannst Du Herr über das Schicksal Deines Gegners werden.»
Saru und Georgiou zitieren Sun Tzu

«Leland! Wir haben gerade über Sie gesprochen. Alle an Bord der Discovery hassen Sie. Herzlichen Glückwunsch
Georgiou

«Folgen Sie der Königin
Pike

«Ich mach ja schon. Gehen Sie mir nicht auf den Wecker. Sir! Nicht auf den Wecker, Sir!»
Jett Reno

«Ich bin wie ’ne Katze. Ich hab› mindestens noch fünf Leben.»
Jett Reno

«Dein Anzug ist bereit. Du auch?»
Spock

«Leland, Sie sehen gut aus!»
«Für ein paar Drähte und einen Datenkern in ’nem Fleischsack.»
«Ein kleines leckeres KI-Würstchen…»
«Uuh…»
«Frauen – Schluss mit dem Geschwafel.»
Georgiou, Nhan und Leland

«Ich bin Deine Familie und wohin es Dich auch verschlägt, gehen wir gemeinsam.»
Hugh Culber

«Leicht ist langweilig. Und ich hasse langweilig.»
Georgiou

«Und ich dachte schon, meine Kanzlerschaft würde unblutig werden.»
L’Rell

«Ihre Geschichte endet hier noch nicht und das wissen sie auch.»
Katrina Cornwell

«Du hast mich nie verloren, Michael. Als ich noch ein Kind war bin ich wirklich verloren gewesen. Der Weg meies Vaters, der Weg meiner Mutter; Du bist in mein Leben getreten und hast mir gezeigt, dass man beide beschreiten kann. Du hast mich gefunden und gerettet.»
Spock

«Hör mir zu kleiner Bruder: Das ist der letzte Ratschlag, den ich Dir jemals geben werde. Vor Dir liegt eine ganze Galaxis voller Menschen, die Dich mit offenen Armen empfangen. Du musst es nur zulassen. Such Dir die, die am Gegensätzlichsten auf Dich wirken und geh auf sie zu. Geh auf sie zu. Lass Dich von ihnen leiten.»
Michael Burnham

«Lebt wohl, meine Freunde. Meine Familie.»
Pike

«Es sind viel radikalere Schritte erforderlich um sicherzustellen, dass sich solch ein Vorfall nicht wiederholt. […] Vorschrift 157, Paragraf III. Offiziere der Sternenflotte sollten die Teilnahme an historischen Ereignissen minimieren. Jede Spur oder Kenntnis von der Discovery oder dem Zeitanzug stellt eine Verlockung für jene dar, die nicht wissen, wie kritisch – wie extrem kritisch – diese Direktive ist. Um zu gewährleisten, dass die Föderation nie wieder in eine solche Gefahr gerät, sollte allen Mitwissern unter Androhung einer Anklage wegen Verrats untersagt werden, über die Discovery, ihre Crew oder den Sporenantrieb je wieder zu sprechen.»
Spock

Season 1

Besprechung Episode 01 & 02
Besprechung Episode 03
Besprechung Episode 04
Besprechung Episode 05
Besprechung Episode 06
Besprechung Episode 07
Besprechung Episode 08
Besprechung Episode 09
Besprechung Episode 10
Besprechung Episode 11
Besprechung Episode 12
Besprechung Episode 13
Besprechung Episode 14
Besprechung Episode 15

Season 2

Besprechung Episode 16
Besprechung Episode 17
Besprechung Episode 18
Besprechung Episode 19
Besprechung Episode 20
Besprechung Episode 21
Besprechung Episode 22
Besprechung Episode 23
Besprechung Episode 24
Besprechung Episode 25
Besprechung Episode 26
Besprechung Episode 27
Besprechung Episode 28

Sebastian Blasek (auch als Turon47 bekannt) ist in selbst seinen späten Dreißigern noch immer ein großer Star-Trek-Fan, nachdem er 1988 das erste Mal “Raumschiff Enterprise” im Westfernsehen sehen durfte. Aufgewachsen in einem Staat den es nicht mehr gibt, wohnt er heute in Potsdam, wo er Deutsch und Geschichte studiert hat. Der anglophile Fußballfan schreibt in seiner spärlichen Freizeit Artikel für die Star-Trek-Tafelrunde “Hermann Darnell” und schläft am Wochenende gern aus.

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