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Albumkritik: Bruce Springsteen – Western Stars

«Had enough of heartbreak and pain
I had a little sweet spot for the rain»

Es dauerte sieben lange Jahre, bis der Boss wieder ein Album mit brandneuen Songs auf den Markt gebracht hat. Das 2014er-Werk High Hopes war mehr eine Art Tracks, ein Album voller B-Sides, Coversongs und Neu-Versionen bestehender Werke. Western Stars präsentiert uns einen fast 70jährigen Bruce Springsteen, der genug hat von Politik und Depression und kommt mit dreizehn Songs daher, aus denen die Wüstensonne von Amerikas Südwesten scheint – und trotzdem kein Happy-La-La-Gesinge darstellen.

Das Album öffnet mit Hitch Hikin‘, einem zugegeben eher trägen und fast langweiligen Opener.
Der zweite Titel The Wayfarer lebt von grossartigen, musikalischen Arrangements bei denen im inneren Auge ein Film zu laufen beginnt. Wilder Westen, Pferde, Autos, Wüste, Berge. Der Kern von Western Stars wurde erreicht.
Beim ersten Anhören uninteressant, ist Tucson Train, der dritte Song des Albums, mittlerweile mein Lieblingstitel. Packende Lyrics, in welchen der Boss Bezug auf seine Depressionen nimmt („tired of pills and the rain“) und, wiederrum mit toller musikalischer Untermalung, wirkt Tucson Train wie ein kleines Meisterwerk.
Der Titeltrack Western Stars ist ein langsames Stück, die Hauptfigur ein alternder Schauspieler, der sich in Erinnerungen an John Wayne verliert und Viagra konsumiert. Und während dieses Stück zu Beginn langweilig daherkommt, nimmt die musikalische Untermalung zu und es entsteht gegen Ende doch eine gute Nummer.
Sleepy Joe’s Café ist der schnellster Song auf Western Stars. Das Lied erzählt die Geschichte von Joe, einem Soldaten, der nach dem Zweiten Weltkrieg im San Bernardino Valley das besungene Sleepy Joe’s Café eröffnet, eine Goldgrube, wie der Boss singt. Eine lockerer Song mit viel Sonnenschein drin.
Drive fast zeigt uns die Geschichte eines alten Stuntmans und seiner Vergangenheit und jetzigen Zufriedenheit. An der Grenze zum Kitsch, aber passt.
Und hier ein typischer Skip-Song für mich. Chasin‘ Wild Horses hat mich nicht berührt, obwohl perfekt musikalisch untermalt.
Sundown ist springsteensche Durchschnittsware. Hoffe, dies bleibt der Tiefpunkt des Albums.
Ach, es geht aufwärts. Rasant. Somewhere North of Nashville ist ein kurzes, nicht einmal zweiminütiges Highlight. Grossartiger Text („for the deal I made, the Price was strong, I traded you for this song“) und Springsteens kratzige, alte Stimme. Ein Diamant.
Stones hält die Qualitätsfahne weiter hoch. Starke Lyrics, und wiederum, diese wunderbare Cinematografie, die tief in der Seele entsteht. Western Stars ist ein visuelles Werk, ohne mit Visuals ausgestattet worden zu sein.
Nein, den mag ich nicht. There Goes My Miracle gefällt mir nicht. Einen zum Skippen.
Wir nähern uns dem Ende. Hello Sunshine ist grossartig. Der Song erzählt vom festhalten an einem perfekten Moment. Perfekt, den kann ich jeden Tag hören.
Mit Moonlight Motel schliesst das Album. Ein ruhiger Song über einen Platz, betroffen vom Zerfall. Singt Springsteen hier über die eigene Sterblichkeit? Who knows.

Western Stars ist ein schönes und intelligentes Stück Musik. Intelligent, weil Springsteen hier Themen wie Politik oder Krieg schlichtweg ignoriert. Als würde er der politischen Führung der USA sagen „ihr Interessiert mich einen Dreck, ihr seid keine Zeile wert“.

Du wirst dieses Album mögen, wenn du mit Springsteens Werken Devils & Dust und The Ghost of Tom Joad was anzufangen weisst. Hier gibts kein Dancing in the Dark und kein Bobby Jean. Von der E-Street Band hat auch nur Patty Scialfa am Album mitgewirkt, plus David Sancious, der zu Beginn von Springsteens Karriere Teil der frühen Ur-E-Street Band war.

Springsteen wird mit Western Stars nicht auf Tour gehen. Dies scheint sein kleines Geschenk zu sein, welches er seinen Fans machen wollte. Aber, er hat bereits bekannt gegeben, dass sein nächstes Album, mit seiner legendären E-Street Band in den Startlöchern steht und 2020 erscheinen wird – mit Welttour. Yeah.

Fazit: Mit Western Stars präsentierte uns Springsteen ein Album mit dreizehn Songs, die einem mehr und mehr im Gehörgang kleben bleiben. Ein American Dream-Epos. Danke Boss. Hoffe, du machst davon noch etwa zehn mehr.

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Autor: Dominik Hug

Mitdreissiger. Basler. Auch im Erfolg stets unzufriedener FCB-Fan. Filmkritiker. Leidenschaftlicher Blogger. Strassensportler. Apple User. Hat eine Schwäche für gute Düfte. Liest eBooks. Hört gerne Rockmusik. Fährt einen Kleinstwagen. Geht gerne im Ausland shoppen. Herzkalifornier. Hund vor Katze. Hat immer eine Sonnebrille dabei. Gelegentlicher XBox-Zocker. Hat 2016 überlebt.

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