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Tod eines jüdischen Mädchens

Ein Tod im Rosengarten, eine jüdische Lesbe mit Talent für Biotechnologie, der erste Tag der Ermittlungen hatte nicht viel gebracht, ausser vielleicht die Sache mit den drei Joints und entblössten Brüsten auf einer Studentenparty.

Nach Gott hatte niemand gefragt. Nach Religion auch nicht. An der Uni hatte es auch keinen Grund dazu gegeben. Wenn sie jemand gefragt hätte, so hätte sie vielleicht erklärt: «Ok, ich bin eine jüdische Lesbe, aber das ist nicht interessant.» Christel war keine fleissige Studentin. Im Gegenteil, sie war endlich weit weg von zuhause und da ihre Eltern gerne für ihren Lebensunterhalt zahlten, hatte sie auch keinen Grund einen besonderen Ehrgeiz zu entwickeln. Ihre Dozenten würden später sagen, sie habe einen besonderen Bezug, einen Instinkt für Molekularbiologie gehabt, das sei zwar unwissenschaftlich formuliert, komme aber manchmal auch in der wisschenschaftlichen Community vor.

Talent, Glück, auf jeden Fall fiel Christel als Studentin nicht auf. Ausser vielleicht an jenem Abend als sie an einer Party des Kollegiums drei Joints hinter einander geraucht hatte und man nachher munkelte, sie habe auf dem Vorplatz laut lachend ihre Brüste entblösst, bis sie von einer Mitbewohnerin abgeholt worden sei, aber das ist eine andere Geschichte.

Partyverbot

Aus Multi-Kulti-Gründen trugen die Tiefs im Wetterbericht im neuen Jahr Namen wie «Ahmed» oder «Leila» oder weiss Gott nicht was. Für die Einen war dies ein Grund zur Paranoia, für die Anderen ein Grund zur Freude. Mit Christel hatte das nicht viel zu tun. Am Morgen wurde sie in der Nähe des Studentenheimes – ausgerechnet im Rosengarten – ermordet aufgefunden. Ihre Freundinnen erinnerten sich daran, dass sie den botanischen Garten mochte und bei gutem Wetter oft dort Take Away aus dem nahegelegen Chinesen ass.

Ihre Mitbewohnerinnen gaben zu Protokoll, dass sie nicht wussten, was Christel im Wohnheim getan hatte, dort waren Parties ja eigentlich verboten. Mit ungefähr 12’000 Studierenden war die Uni Basel nicht mehr so klein, wie sie es schon gewesen war, dennoch supergross war sie auch nicht. Der Mediensprecher der Bildungsanstalt sprach von «einem Unglück», «einer Tragödie», die Rektorin weilte noch in den Skiferien. Christels Tod warf keine grosse Wellen, obwohl es in der Stadt fast keine Morde gab. Wahrscheinlich war nicht nur die Rektorin in den Ferien.

Papierkrieg

«Mutter, ich muss dich zurückrufen, ich bin schon spät dran und wir haben einen Fall beim botanischen Garten. Nein, ich muss mich nicht scheiden lassen, weil ich nie geheiratet habe, ich muss wirklich gehen», sagte Kommissarin Emma Mannie und bereute jetzt schon ihrer Mutter erzählt zu haben, dass sie ihren Job gekündigt hatte. Im Rücksitz des Polizeiwagens hatte sie keinerlei Gewissheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Die Fahrzeuge waren sehr gut, sie wurden immer gründlich gereinigt und dennoch, Emma hatte genug von ihrem Job. Obwohl die Autos nicht mehr nach Kotze und Urin rochen. Polizeiarbeit erschien ihr zu sehr die Gewohnheit zu sein, über fremde Menschen entscheiden zu müssen, über das Leben anderer. Die Jahre im Job hatten Emma müde gemacht. Endlos müde. Der Papierkrieg. Die Prozedur. Es war ja nicht so, dass sie auf offener Strasse umherballern wollte. Aber viele Fälle endeten damit, dass man mehr vermittelte als ermittelte.

Das Coldplay-Problem

«Das sind jetzt viele Coldplay-CDs auf dem Telefon und dem Laptop. Diese junge Frau hat ein ernsthaftes Coldplay-Problem», sagte Detektiv-Kommissär Melzel. In den Augen von Emma stammte er aus der «alten Schule», hielt sich für cool und sie war nie aus ihm schlau geworden. Ihr Kollege war dabei mit Mitte vierzig nicht einmal zehn Jahre älter als sie selbst.

«Sie ist tot, weiss nicht, ob Coldplay das Problem war.» Emma war noch immer abgelenkt, da sie das Gefühl hatte, dass sie dabei war – wenn nicht alle – doch einige Brücken hinter sich abzubrechen. Das WG-Zimmer. Äusserst durchschnittlich. Ein Koffer mit gefalteten Klamotten, ungewaschene Klamotten lagen auf dem Second Hand-Sofa, Festplatten auf dem Second Hand-Sekretär, den nur eine Studentin nicht unpraktisch finden konnte.

Das Zimmer auf den Kopf zu stellen fühlte sich obszön an, weder sie noch Melzel ging es etwas an, wie die junge Frau lebte– gelebt hatte –, dachte sie. Und schliesslich, davon war Emma überzeugt, hatte das Opfer zu kurz gelebt, als dass in den Wäschekörben herumschnüffelnde Polizisten nur einen schwachen Hinweis irgendwo finden würden. Die Gespräche mit den Wohngemeinschaftsbewohnern verbesserten die Dinge am ersten Tag der Ermittlungen nur wenig.

Der erste Tag

Ein Tod im Rosengarten, eine jüdische Lesbe mit einem Talent für Biotechnologie, der erste Tag der Ermittlungen hatte nicht viel gebracht, ausser vielleicht die Sache mit den drei Joints und entblössten Brüsten auf einer Studentenparty. Aus Emmas Sicht als Expertin, als langjährige Kommissarin kaum ein Grund, die 23-jährige zu erwürgen und sie auf dunkler Erde liegenzulassen.

Nach Emmas Wissenstand am zweiten Tag der Ermittlungen hatte niemand nach Gott gefragt, nach Religion auch nicht. Als Ermittlerin glaubte sie nicht Hypothesen, an Fantasien, in ihrer Erfahrung war die Realität meist banaler und dennoch zog sie ihren Badge zögerlich durch den Scanner am Eingang des Spiegelhof, konnte aber auch sein, dass es nur die vielen Brücken hinter ihr waren, die gerade dabei waren nach dem selsbt verursachten Brand nach und nach einzustürzen.

Gott macht Pause

Das Jahr hatte gerade begonnen und da das Wetter halt normalerweise schlecht war, nahte bereits ein Tief mit dem Multi-Kulti-Namen «Omar», immerhin hing es noch einige Stunden über Skandinavien fest. Salah, so hiess das Abendgebet, das Student Yussuf Ibrahim im Studentenheim gerade begonnen hatte, als ihn die Polizei verhaftete. Er war ein unauffälliger, vielleicht etwas unbedarfter Student der Islamwissenschaften, der selten einen Blick in seine Bücher warf, zu viel Falafel hintereinander ass und die Erwartungen seiner reichen ägytischen Eltern nie hatte erfüllen können.

Gott schlief vielleicht gerade: Die Sitzung im bombastischen Sitzungszimmer der Staatsanwaltschaft im obersten Stock am Fischmarkt lief nicht besonders. Die Juden fühlten sich gefährdet, die Muslime diskriminiert und Emma, die nur noch zwei Wochen Polizistin sein würde, traute der Angelegenheit nicht über den Weg. Während die Stürme nun politisch korrekte Namen trugen und niemand und nichts rassistisch sein durfte, so sagte Staatsanwalt Bieri, nachdem Emma davon gesprochen hatte, dass nicht viel für einen «Tatverdacht» für Yussuf Ibrahim sprach, sie sei «voreingenommen».

Burn, Baby, Burn!

«Eine Handvoll unglücklicher Twitter-Posts reicht aus, um einen Studenten zu verhaften? Seit wann arbeiten wir so oberflächlich?», fragte sie in die Runde und spürte, dass sie weder bei den Task-Force-Kollegen noch bei den Anzugsträgern von der Staatsanwaltschaft durchdrang.

«Es geht um die Universität und die jüdische Gemeinschaft sitzt uns im Genick, da dürfen wir nicht zögern, entschlossen zu handeln!», sagte Bieri, etwas fiebrig und offensichtlich spielte in dem Fall Objektivität keine grosse Rolle. «Und er hat kein Alibi.»

-Burn, Baby, burn! Emma hatte sich am Supermarkt bei der Tramstation Zigaretten und Feuerzeug gekauft und versuchte sich nun eine anzustecken und gleichzeitig ihr Mobiltelefon zu manipulieren. «Du könntest den Sprachassistenten verwenden», sagte Melzel neben ihr. «Dachte du hast aufgehört, weiss noch wie nervös du damals warst und naja, gereizt …»

Die verdammte Zigarette ging nicht an, aber neben ihrem Kollegen wollte sie sowieso nicht telefonieren. Sie hob die zweite Hand und hielt ihre Hand wie einen Schirm vor den Mund.

«Warum hast du da oben nichts gesagt? Wir haben nichts gegen diesen Studenten in der Hand, wie heisst er Yussuf, Omar oder wie?»

Melzel hustete als sie ihre Zigarette endlich anbekommen hatte.

«Hier draussen bei den Trams willst du reden. Du hörst doch sowieso auf, du kannst diesen Fall aussitzen, sehr wahrscheinlich geht alles länger als zwei Wochen, du schiebst einfach ein Papiere auf deinem Pult hin- und her und dann bist du weg.»

Eine Spur Enttäuschung in seiner Stimme. Emma und Melzel hatten jahrelang zusammengearbeit, aber sich nie wirklich gemocht, trotzdem fühlte sie gerührt und musste jetzt auch husten.

«Der Typ heisst übrigens Ibrahim, das Wetter über Schweden heisst Omar, du hast aber recht, bei der Sitzung vorhin war nicht gerade viel von Polizeiarbeit zu spüren. Es scheint die haben einfach Social Media der Studenten abgecheckt und das ist wirklich nicht viel.»

Gott hatte wohl kein Internet. Lokal blühten nach Tagen schon allerlei Verschwörungstheorien auf. So wurde die spassliebende Christel, die nach drei Joints schon einmal blank zog, eine Heilige in einem Glaubenskrieg. Die Fronten waren bald klar und noch schhneller verhärtet. Naziähnliche radikale Islamisten gegen eine vielversprechende jüdische Feministin. Während Staatsanwalt Bieri weder Stellung zur laufenden Ermittlung geben konnte noch durfte, liess er gegenüber den Medien so viel durchblicken, dass der Hintergrund des Mordes durchaus religiös motiviert sein konnte, was keineswegs half, den Brand zu löschen.

Schatten der Trauer

«Die haben kein Wort über Religon gesagt. Es war ihnen total egal.» Das Gespräch mit Christels Eltern war nicht leicht gewesen. Selbst Kollege Melzel wirkte bleich, obwohl er sonst am Steuer seines Porsche-SUVs nur so vor Selbstbewusstsein strotzte. Heute kam kein Spruch über seine Lippen. Es würde eine lange Rückfahrt werden, egal wie abgebrüht ein Polizist war, die Trauer der Menschen hinterliess immer einen Schatten, die Depression vergeblichen Todes, Angst vor dem eigenen.

«Es gibt keine Verbindung zu dem Islam-Studenten, weder die Eltern, noch die WG oder die Mitstudenten haben jemals etwas von ihm gehört. Das Opfer hatte ihr Coming Out gegenüber den Eltern schon vor Jahren», rapportierte Melzel in die Freisprechanlage seines Schlittens. Emma spielte mit ihrem neuen Feuerzeug, gerne hätte sie eine geraucht und gleichzeitig widerte es sie an. Die Stimme Bieris sagte aus den verschiedenen Lautsprechern, es sei Zeit kreativ zu werden. Unterdessen habe sich die Politik eingeschaltet und er könne nur betonen, dass man auf dieser Ebene nicht begeistert sei, wenn ein «Terrorverdächtiger» mit «Samthandschuhen» angefasst werde.

Jungfrauen und Youtube-Videos

Der junge Mann hatte sich mit einem Joint in die kleine Küche seiner Einzimmerwohnung verzogen. Die Geschichte hier war schnell erzählt: Yussuf Ibrahim war ein verzogener und verpeilter Schnösel, der seine Freiheit genoss. Natürlich kannten sich weder Melzel noch Emma mit dem Islam aus. Ihre Erfahrung als Kriminalpolizisten beschränkte sich auf vier lange Tage in verschiedenen Autos als sie im Auftrag der Berner Bundespolizei einen Imam beschattet hatten, der in Youtube-Videos in einer seltsamen Gift und Galle spie.

Keine schönen Worte und doch hatten sie trotz Übersetzung nicht genau sagen können, ob er nur ein Misantrop unter vielen war oder tatsächlich zum «Dschihad» aufrief, die Tage wurden nicht kürzer als sie herausfanden, dass eigentlich nur radikale Spinner wussten, wie genau denn der «Krieg gegen die Ungläubigen» ablaufen sollte.

In Yussuf Ibrahims Zimmer fanden sie eine Bong, eine Tüte Koks und Pillen. Obwohl sein Laptop noch nicht vollständig ausgewertet war, wurde durch seine Playlist klar, dass er beim High-werden und High-sein auf eher harten HipHop stand.

«Das ist doch eine Scheisse hier!», sagte Melzel mit einem verstaubten Kissen in der Hand, während sich Emma durch einen Stapel von Kiffer-Utensilien wie Papierchen und Filtern wühlte.

«Hast recht, er hätte auch mal lüften sollen.»

«Kannst du dir vorstellen, dass der hier vom <heiligen Krieg> träumt? Er im Paradies dreihundert Jungfrauen haben will, nachdem er sich selbst in die Luft gesprengt hat?» Angwidert liess der Kommissär das Kissen auf die Couch zurückfallen. Viel mehr gab es nicht mehr zu sehen. Emma sah die Bücher durch, ausser dass ihr die Bände von Bukowski und Burroughs auf Englisch auffielen, entdeckte sie nicht einmal einen Koran.

Polizei ohne Gott

Die Welt ist voller Götter, voller religiöser Hierarchien, Streitereien und Deutungen auch innerhalb einzelner Religionen. Die Polizei jedoch hat keinen Gott, aber kennt sich dafür in Hierarchie aus. Obwohl Handydaten, die Auswertung des Laptops und die Hausdurchsuchung bei Yussuf Ibrahim zu keinem Resultat geführt hatten, bestand Staatsanwalt Bieri darauf, den Verdächtigen selbst zu verhören. Trotz stinkreicher Eltern verzichtete der junge Ägypter schulterzuckend auf einen Anwalt. In Bieris Augen sprach allerdings auch das gegen ihn. Ein klares Zeichen, dass das Paradies mit dreihundert Jungfrauen auf ihn wartete und dem Studenten sonst alles egal sei. Auch das er zugab manchmal Salah zu beten, sprach in den Augen des Staatsanwaltes gegen ihn.

«Moderner Firlefanz», fluchte Melzel und starrte auf die DNA der Gerichtsmedizin aus Zürich. Blutspuren, Haut und Abwehrspuren unter den Fingernägeln liessen keine genaue Analyse zu, die Erde und die Feuchtigkeit beim Tatorts beim Rosengarten hatten das Opfer «kontaminiert».

«Sie hat sich bepisst, das war kein schöner Tod», sagte er und Emma wusste nicht, ob ihr schlecht von dem Spruch, weil es ihr leid tat wegen Christel oder ob sie schon wieder zuviel geraucht hatte.

Der letzte Tag

Das letzte Mal die Pistole aus dem Safe genommen. Das letzte Protokoll geschrieben. Ungelöste Fälle übergeben, den Schreibtisch aufgeräumt und schon am frühen Morgen mit Mami telefoniert. Die Brücken brannten nicht mehr, sie kokelten vor sich hin, der Gestank hatte sich noch nicht ganz verzogen. Das Alte war nicht weg und das Neue noch nicht da. Trotzdem fühlte sie eine diffuse Erleichterung. Der Termin bei Bieri war erst um Elf. Genug Zeit für eine Zigarette draussen bei den Trams. Emma hatte vergessen, dass sie keinen Badge mehr hatte und musste auf dem Rückweg ganz um das Gebäude herum, um sich einen Besucherpass zu holen.

Über die grünen Linoleumböden rannte sie zurück zu ihrem Schreibtisch, holte sich die Akte, eilte zum Lift und kam am letzten Tag zu ihrer letzten Präsentation bei der Staatsanwaltschaft eine Viertelstunde zu spät.

Auf einem repräsentativ aussehenden aber unbequemen schwarzen Ledersessel, sie hätte gerade so gut auf einem spitzen Stein hocken können, sprach sie von der Beweislage, vom «modernen Firlefanz» und davon, wie Überwachungskameras beim Studentenheim und bei der Universität gegenüber des Rosengartens, sowie die «Timeline» darauf hindeuten würden, dass der Täter wohl grösser und schwerer sei als der Verdächtige Yussuf Ibrahim. Emma hatte wenig geschlafen, endlose Videos geschaut und hatte gelernt, du kannst auch aus Langeweile weinen. Hinter dem ausladenden Schreibtisch schwieg der Staatsanwalt präsidial und wirkte –ehrlich gesagt – gelangweilt. Mit einer Handbewegung entliess Bieri sie. Emma war klar, sie brauchte keine Polizeischule, um zu wissen, in welche Richtung der Fall gehen würde. Er hatte gesprochen, der Gott der Polizei und Allah hatte nichts damit zu tun.

Zu wenig, zu spät

Schwer atmnend lehnte sie sich an ein verdrecktes Kunstwerk vor dem Irish Pub und wusste nicht, ob sie noch die Kraft hätte wieder hereinzugehen und sich die Hände im ersten Stock zu waschen. Bier und Shots kosteten ihren Preis. Melzel trat in eine Pfütze als er aus dem Pub kam, um nach ihr zu sehen. Vielleicht sprach es für ihre Arbeitskollegen, sie alle feierten ihren Abschied als gebe es kein Morgen. Gab es auch nicht. Nicht für Emma.

«Gute Sache mit den Kameras. Gute Sache!» Bevor sie ihn warnen konnte fasste auch Melzel die Plastik aus Plastik an, um sich Augenblicke später hektisch die Hände an den Jeans abzuwischen.

«Es war zu wenig, es war zu spät, er hat seine Meinung gemacht.»

«Der Typ hat sich nicht gerade geschickt verhalten …»

«Er hat gebetet und getweetet, <Allah ist gross>, wenn wir da jeden verhaften würden …»

Emma war noch nicht fit genug, um zu rauchen.

«Schon wieder.»

«Schon wieder?»

«Es ist der Tod eines Mädchens und wir schaffen es nicht, den Täter zu ermitteln. Ist dir aufgefallen, dass wir als Polizei nicht darüber nachdenken sollten, ob sie nun jüdisch ist oder nicht. Es ist zum Kotzen.»

Ihr ehemaliger Partner würgte kurz und kotzte dann neben die verdreckte Statue, wischte sich den Mund und meinte, er müsse sich die Fresse spülen gehen.

Jüdisches Mädchen

Zwei Jahre später fiel Emma Mannie fast von ihrem Liegestuhl in Sharm-El-Sheikh als sie gerade von einem kurzen Nickerchen in der Hitze aufgewacht war und auf ihrem Smartphone las, dass ein Praktikant der Basler Staatsanwaltschaft einen Mordfall gelöst hatte. Der Artikel sprach vom Tod der jüdischen Studentin, vom Skandal als der Verdächtige überstürzt nach Ägypten ausgereist sei und davon, dass der Verdächtige nicht der Verdächtige gewesen sei, sondern der Täter ein Mittdreissiger war, den die jüdische Frau auf einer Partnervermittlungsplattform angeklickt habe.

Die Neugier des Praktikanten sei durch Videomaterial in der Akte geweckt worden, das nie als Beweismittel im Verfahren aufgenommen worden sei.

Emmas Haut fühlte sich zu heiss an, sie band sich das Badetuch um den Leib und ging zur Strandbar. «Christel, Christel, niemand hat dich gekannt», murmelte sie und setzte sich an den Tresen. Leichtsinn, Abenteuerlust, Verabredungen mit gefährlichen Leuten, dumm gelaufen. Nach all der Zeit hatte die Polizei den Täter ermittelt.

«Mit der Welt versöhnt», fragte sie Christian, küsste sie auf die Wange und reagierte damit auf ihr Lächeln. Der Arme bekam zwischendurch viel ab, wenn sie von ihren neuen Job bei einer NGO erzählte, die sich um Menschenhandel kümmerte. «Gut, wenn du lachst, sehr gut, ich gehe aber trotzdem noch schnell ins Wasser.» Sie sah ihm nach, dachte an die Götter und all die Missverständnisse, die sie verursachten. Immerhin: Nur gegen den Gott der Bürokratie und der Polizei hatte ein Praktikant eine Chance. Emma lächelte schon wieder und legte das I-Phone weg. Zwei Jahre später, in Ägypten.

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Autor: Andy Strässle

Andy Strässle umarmt Bäume, mag Corinne Mauch und verleugnet seine Wurzeln: Kein Wunder, wenn man aus Blätzbums stammt. Würde gerne saufen können wie Hemingway, hat aber immerhin ein paar Essays über den Mann zu stande gebracht. Sein musikalischer Geschmack ist unaussprechlich, von Kunst versteht er auch nichts und letztlich gelingt es ihm immer seltener sich in die intellektuelle Pose zu werfen. Der innere Bankrott erscheint ihm als die feste Währung auf der das gegenwärtige Denken aufgebaut ist und darum erschreckt es ihn nicht als Journalist sein Geld zu verdienen.

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