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Tod unter der Brücke

Manche Dinge kommen zurück, die Erinnerung nicht immer. Für die Ex-Polizistin Emma Mannie ist vor Gericht nach dem Mord an einem Penner unter einer Autobahnbrücke die Erinnerung nicht alles.

Courtesy of yanapi senaud and unsplash

Da waren Erinnerungen. Aber sie waren nicht gut. Ein Loch in der Erde. Die Blüten. Und dann das Buch, das dein Bruder in das Grab legte. Eine gute Idee. Ein Trost. Am Ende hattest du nur eine Schaufel Erde, trockene Augen und etwas, das der Polizei-Psychiater «Selbsthass» und «Zorn» nannte. Irgendwie war das Leben trotzdem besser geworden oder wie Emma es gesagt hätte: «In Ordnung». Seit einiger Zeit arbeitete sie für eine NGO, die sich um Menschenhandel kümmerte. Polizeiarbeit fehlte der ehemaligen Kommissärin eigentlich nicht. Dennoch konnte sie sich nicht daran erinnern, wann die Ermittlung schiefgegangen war.

Melzel war unrasiert, trug den neuesten Hoodie aus Amerika, den sich kein Rapper in der kleinen Stadt leisten konnte und fühlte sich dennoch hipper als der Rest. Emma dagegen war frisch geduscht, fühlte sich ausnahmsweise mit ihrem Haarschnitt gar nicht schlecht und hatte seit einer Weile nicht mehr zu viel getrunken. Klar, sie hatte viel Arbeit, sie schien aber sinnvoll und da war nicht immer so viel Papierkram, nicht so viele Verbote und die Stunden waren besser, so dass Emma Mannie an diesem Punkt in ihrem Leben das hatte, was andere Leute als «Privatleben» oder «Work-Life-Balance» bezeichnen würden.

Selbsterhaltungstrieb

Die Bar wurde von einem Inder, einem Pakistani oder von «weiss-Gott-nicht-wem» geführt. Die Polizisten wussten, sie konnten reden, ohne dass sie sich selbst belasten würden. Die Security-Videos wären kein Problem, immerhin hatten sie sich seit Jahren an dieser düsteren Ecke getroffen. Die Marmortheke, seit zwei Jahren nicht wirklich geputzt, klebte noch immer, so dass das der Umschlag den Emma darauf legte gleich kleben blieb.

«Du hast meine Anrufe nicht beantwortet», sagte Melzel, grinste über einem zu kleinen Heineken. Emma prostete ihm mit ihrer Bierbüchse kurz zu.

«Stimmt, ich war fertig mit der Scheisse, erinnerst du dich?»

«Aber du hast aufgegeben, das war nicht cool, was ist denn das da?»

Melzel mochte nicht der hellste sein und auch kein Rapper aus Chicago, aber offensichtlich war sein Selbsterhaltungstrieb noch ganz in Ordnung.

«Eine Vorladung. Ein alter Fall. Offensichtlich haben wir Scheisse gebaut, aber ich erinnere mich nicht. Meine Mutter war damals gestorben. Ich weiss nur noch, dass mein Bruder den <Fänger im Roggen> ins Grab geschmissen hat und jetzt muss ich nochmals aussagen. Ich hoffte, du kannst mir helfen».

Winterzeit

In der kleinen Stadt geschahen nicht viele Verbrechen. Darum war der Winter 2018 aussergewöhnlich. Unter einer grossen Autobahnbrücke wurde ein obdachloser Sonderling erstochen, ein weiterer Sonderling hatte darüber einen Film gedreht, der die Sache zum Politikum machte. Ermittlungstechnisch nicht schlimm: Ein bärtiger Säufer war von einem brasilianischen Besoffenen und religiösen Fanatiker abgestochen worden. Im Morgengrauen. An Zeugen hatte es nicht gemangelt.

«Deine Mutter war gestorben, du warst gar nicht da, warum laden sie dich vor?»

Melzel war kaum ein geschickter Chicago-Gangster, aber als Polizist hatte er ganz gute Instinkte. Hinter der Bar war der Inder-, Pakistani-, Türke oder weiss «Gott nicht was» tief in seinen Social Media oder in irgendeinem anderen Newsstream versunken. Emma fühlte sich sicher. Sie konnten reden. Problem, Melzel tat es nicht.

«Was ist los? Wenn ich nicht da war, warum wurde ich vorgeladen. Das mit meiner Mutter war natürlich Scheisse. Was wirst du sagen?»

«Er war schwul?»

«Wer?»

«Der Killer».

Jesus-Freak

Ein brasilianischer, schwuler, religiöser Fanatiker bringt einen besoffenen Wahnsinnigen um, der sich Tag für Tag unter einer grossen Autobahnbrücke betrinkt, Emma sah das Problem noch immer nicht. Sie erinnerte sich an den Tag. An die Beerdigung. Den Geruch der Erde. Das Buch. Die Hände, die sie geschüttelt hatte. Es war nicht leicht gewesen.

«Würden Sie sagen, dass Sie die Akten genügend nachgeführt haben, müssten Sie nicht sagen, dass Sie als Hauptermittlerin, Fakten übersehen haben?»

Emma schloss kurz die Augen, träumte ein bisschen von Ägypten, dann war da die Leiche unter der Brücke, doch der Penner hatte schon fast friedlich ausgesehen. Dann war der Anruf gekommen, sie hatte erfahren, dass ihre Mutter im Sterben lag.

Polizei, Gericht, das alles beginnt immer früh, zuvor hatte sie sich noch kurz mit ihrer Anwältin getroffen, das alles hatte aber wenig Licht in die Dunkelheit gebracht. Obwohl sie vorgeladen und eine ehemalige Polizistin war, war sie nicht darum herumgekommen, den Ausweis abzugeben, ihr Handy und Geldbörse in einen kleinen Schrank einzuschliessen und fast schutzlos auf ihren Auftritt vor Gericht zu warten.

Sexuell, sexuelle Orientierung

In der Nacht als ihre Mutter im Sterben lag, hatten sich Walter und Amadeo im Lärm einer Autobahnbrücke im gelben Licht der Strassenlampen der kleinen Stadt gestritten: Jesus. Kein Grund zu sterben, sagte Emma im Zeugenstand. Als Kommissärin wusste sie, die Tatwaffe deutete nicht daraufhin, dass Absicht vorausgesetzt werden konnte, zudem habe man ausreichend Zeugen befragen können, die aussagten, Opfer und Täter hätten oft aufgeregt diskutiert und dann hatte Emma den Anruf bekommen.

«Das weiss ich nicht», antwortete Emma. Die Anwältin holte kurz Luft und kam dann hinter ihr her: «Sie wussten nicht, dass Opfer und Täter möglicherweise homosexuell gewesen waren?»

«Das Muster stimmte nicht überein. Straftaten aus sexueller Motivation sind persönlicher. Und sie finden nicht draussen statt. Das war eine Tat aus dem Affekt, auch wenn der Grund nicht leicht zu verstehen ist.»

«Würden Sie sagen, Sie seien eingeschränkt gewesen, als Sie diese Ermittung führten?»

«Persönliche Probleme, ja, das war schon vorhanden, aber ich kann mich nicht erinnern, ob Aussagen zur sexuellen Orientierung von Opfer und Täter vorlagen», sagte Emma in bester Beamtensprache und dachte schon wieder an den Strand in Ägypten.

Graues Licht in der Amygdala

Niemand kennt sie genau, die Natur der Erinnerungen. Hirnforscher sagen, im Hippocampus, also irgendwo im unteren Teil, würde in dessen Nervenzellen räumliche und zeitliche «Aktivierungsmuster» abgespeichert. Im unteren Teil von Emmas Gehirn war der Geruch der Erde, das Geräusch als «Der Fänger im Roggen» auf den Sarg prallte abgespeichert. Das graue Licht unter der Autobahnbrücke am Tatort. Ihr Hippocampus wusste noch, dass es schwer gewesen war, das kleine Messer unter den vielen Kleidungsschichten, die das Opfer trug, aufzuspüren.

Die Polizistin erinnerte sich noch, wie der Tag in der kleinen Tag der Stadt erwachte und der Verkehrslärm auf der Brücke mehr und mehr anschwoll. Erste Zeugen hatten davon gesprochen, sie hätten zunächst gedacht, dass Opfer schlafe seinen Rausch aus. Aufgefallen war sein Tod erst, als er unnatürlich weggekippt war.

Fehler? Fehler!

«Wir müssen Sie doch bitten, diese Verhandlung ernst zu nehmen», sagte die gegnerische Anwältin, die offenbar Blut geleckt hatte. «Es wäre legitim, wenn Sie nach dem tragischen Fall in ihren Privatleben unter Schock gestanden hätten und Sie ihren Pflichten als Hauptermittlerin nicht hätten nachkommen können.»

Emmas Anwältin stand auf und entgegnete, dass es nach der Revision der Unterlagen der Sonderkommission keinerlei Anzeichen gegeben habe, dass ermittlungstechnische Fehler begangen worden seien oder Unklarheit über die Täterschaft bestehe. Später vermochte Emma nicht zu sagen, ob der Einzelrichter vielleicht Hunger hatte oder ob er die Akten tatsächlich nicht durchgesehen hattte, auf jeden Fall vertagte er die Verhandlung auf den späteren Nachmittag.

Chicago

«Hast du einen neuen Stecher», fragte Melzel in der düsteren Bar und verlangte nach einem Heineken.

«Das ist hier doch nicht die Frage, die Frage ist, warum die mich vorladen. Die Frage ist, ob wir einen Fehler gemacht haben.»

«Wer weiss diesen alten Scheiss noch? Hör’ mal, das war doch ein klarer Fall. Spinner streitet mit Spinner. Nur ein Spinner überlebte.»

Zuviel Chicago, dachte Emma, viel zu viel. Denn normalerweise erstachen sich die Spinner in der kleinen Stadt nicht.

Emma und ihre Anwältin zwängten sich an den Bartresen in einem überraschend vollen Starbucks. Emma rührte in ihrem Pappbecher: «Wissen Sie, ich habe einmal im Dienst geschossen, war zehn Jahre Kommissarin und habe nie eine Anwältin gebraucht und vor Gericht sind unsere Ermittlungen nie angezweifelt worden und erst recht nicht, wegen Fragen, wer denn nun homosexuell oder nicht sei.»

Die Augen der Anwältin waren überraschend klar und hell, fiel Emma auf, als sie aufsah, vorher hatte sie mit dem Holzstäbchen im Becher gestochert und an dessen Boden irgendetwas gesehen, was wohl niemand sonst sah. Wie Hirnforscher das deuten würden.

Akte Verarschung

«Gesetze, Gerichte, die Zeiten ändern sich. Sie können behauten, diese Dinge sind der Mode unterworfen. Was uns heute nicht hilft, ist, dass Sie sich nicht erinnern können. Haben Sie mit ihrem ehemaligen Partner gesprochen, würde er ihre Aussagen unterstützen?»

Emma lenkte sich mit dem Gedanken ab, dass die Schüler des nahegelegenen Gymnasiums keine finanziellen Schwierigkeiten hatten, wenn sie den Mittag im Starbucks leisten konnten.

«Er arbeitet noch bei der Polizei, er will sich nicht auf die Äste herauslassen. Ich konnte ihn nicht überzeugen», sagte Emma peinlich berüht, dann wurde ihr klar, dass ihrer Anwältin kaum klar war, dass sich Polizisten üblicherweise gegenseitig deckten. Nicht unverständlich in einem Umfeld, das sich oft einen Sport daraus machte, Polizisten zu verarschen, obwohl diese in der Regel versuchten, den Menschen weiterzuhelfen. Beamte, wie Melzel waren da eher die Ausnahme.

Personalakte

Gabriela Pryzbelswki wäre nicht Gabriela Pryzbelwski gewesen, wenn sie nicht die Akte von Melzel angefordert hätte und schnell gemerkt hätte, es ging Emmas ehemaligem Partner vor allem um seine Karriere. Leute, egal, ob Verbrecher oder nicht, waren ihm egal. Sie sagte: «Kann sein, die Kids haben heute einfach zu viel Geld», sie deutete mit ihrem Becher auf die jungen Leute, die auf ihre überteuerten Getränke warteten. «Das war zu meiner Zeit anders, während meines Studiums habe ich tausende von Stunden hinter solchen Tresen verbracht. Immerhin waren die Kaffeemaschinen noch nicht so kompliziert.»

Die Lücke

«Frau Pryzbel…»

«Gabriela, niemand kann das aussprechen», grinste die Anwältin.

«Aber Sie haben recht. Es sieht nicht gut aus. Der Tod Ihrer Mutter wiegt schwer. Der Richter muss das bewerten.»

«Ich heisse Emma. Aber ich habe mich mehr gefragt, warum es nach einem klaren Fall einen neuen Prozess gibt, die Gegenanwälte hinterfragen ja nicht die Schuld des Täters.»

Die überraschend klaren und hellen Augen verweilten auf Emma, die sich geröntgt vorkam. Und ja, Ahnungen, Intuition, untergebracht im präfrontalen Kortex, waren nicht Dinge, die den Alltag einer Polizistin prägten.

Gabriela reagierte schnell und sagte: «Die wissen, dass sie den Fall nicht gewinnen können. Wollen sie auch nicht, aber es geht um Politik. Die Praxis der Polizei zu verändern. Aber die haben gewusst, dass du dich nicht wirst erinnern können und nur wenig Angaben über die sexuelle Ausrichtung von Amadeo und Walter machen kannst.»

«Nur weil meine Mutter gestorben ist?»

«In dem Sinn ja, nur weil deine Mutter gestorben ist.»

«Ich hätte mich auch sonst nicht an jede Kleinigkeit einer Ermittlung erinnert, da gibt es so viel Papierkram, so viele Verhöre und Sitzungen. Da kann sich niemand an alles erinnern.»

«Klar, aber der traumatische Anruf ist die Lücke und du wirst heute Nachmittag noch viele Male sagen, dass du es nicht mehr genau weisst und du wirst nicht gut aussehen dabei. Auch weil dir dein Partner nicht hilft.»

Die Logik des «Scheisse-bauens»

Der Druck auf die grüngekleideten Baristas liess langsam nach, die jungen Leute waren bedient und vertieften sich in ihre Social Media und die anderen relevanten Newsstreams. Die Frauen brauchten frische Luft. Die Einkaufsstrasse hatte auch schon besser ausgesehen. Graue Tage blieben halt graue Tage. Aber niemand kann immer am Strand von Sharm El-Sheikh herumliegen. Emma fragte sich, ob sie vielleicht Goa mögen würde.

Die Musik hatte aufgehört und ein weiteres Heineken war leer gewesen. Der Typ hinter dem Tresen starrte noch immer auf das kleine Display.

«Die haben mich vorgeladen, du weisst es genau. Meine Mutter war gestorben und ich war ein paar Stunden weg. Die Frage ist nur, kann ich darüber reden. Es ändert nichts am Fall, wenn ich darüber rede, aber das war nicht so gut gelöst, du hast Scheisse gebaut.»

Melzel stellte sein Bier weg, zog sich die Kapuze über den Kopf, Chicago-Style, schüttelte den Kopf und liess Emma die Rechnung bezahlen.

Jägermeister, viel Jägermeister

Erinnerungen, also eine Kombination aus sinnlichen Eindrücken, aus Handlungen und deren Konsequenzen lassen laut Hirnforschern Nervenzellen wachsen. Ermittlungen dagegen schaffen Aktenberge, Aktenberge schaffen Verwaltung und Verwaltung schafft Hierarchie. Selbst Jesus hatte sich offensichtlich mit Hierarchie auseinandergesetzt und hatte in einem altmodischen The Who-Moment die Tische im Tempel umgestossen, die Tontöpfe voller Münzen zerstört. Die Zeiten ändern sich: Tontöpfe zerschlagen, Gitarren zerschmettern, mit der automatischen Waffe aus dem SUV-Fenster ballern.

Der Brasilianische Asylant Amadeo war bei Jesus hängengeblieben, der einheimische Penner Walter war noch unentschlosssen, obwohl er eigentlich fand, dass es um die Gitarren eigentlich schade war. Niemand weiss genau, worüber diese beiden Leute sprachen, Walters leere Flasche Jägermeister dagegen liess allerdings einige Hintergründe klarer erscheinen. Ein Kriminalfall, wie aus dem Bilderbuch. Dann war da eine kleine Sache. Manchmal ist es nicht gut zu reden. Die tote Mutter, der Bruder. All diese Erinnerungen, träge, lange, graue Stunden.

Provokation unter der Brücke

«Ich habe es immer versucht, es nichts mit Wahrheit oder Ehrlichkeit und all diesem Scheiss zu tun. Aber ich habe versucht, Dinge herauszufinden. An dem Abend im Büro habe ich ziemlich schnell gesehen, dass Melzel einige Zeugen nicht offiziell einvernommen hat, während ich weg war. Es ändert nichts. Aber ich habe die Papiere besser aussehen lassen. Es ändert nichts. Nach einer Flasche Jägermeister wurden die Provokationen Amadeo zu viel und er hat mit einem viel zu kleinen Küchenmesser eine schrecklichen Mord begangen. Amadeo war nicht einmal der Einzige, der ein Messer mitbringt, wenn er unter der Brücke abhängen geht.»

Erinnerungen, Erinnerungen

Erinnerungen, die dich einholen. Homosexualität. Geschlechterdiversität. Polizeiarbeit. Mannie hatte nachdem alles vorbei war kurz neben einen Pfosten gekotzt und Pryz … –ach vergiss es– hatte ihr die Haare gehalten und jetzt brauchte sie einen starken Drink. Und es würde nicht ein billiger Johnny Walker oder Jim Beam von einem Inder-, Pakistaner oder sonstwas sein.

Überrascht, ja, vielleicht. Melzel hat dich bald angerufen und sogar ein Hemd angezogen. Es war vorbei. Ein Rätsel, warum du diesen Mann schützt. Für den Richter war es nicht schwierig gewesen die richtigen Worte zu finden und doch hatte Emma nichts dringenderes tun wollen, als erneut Zigaretten an der Ecke kaufen zu wollen. Nach dem dem dritten Scotch wusste sie noch, dass der Richter gesagt hatte: «Beamte können nie alles wissen, sie können nie allen gerecht werden und trotzdem müsste Frau Mannie verwarnt werden, wenn sie noch bei der Polizei arbeiten würde.»

«Motherfucker!», sagte sie besoffen in der edlen Bar. Immerhin waren die Sessel tief, immerhin hatte jemand die Tische geputzt. «Die haben mir den ganzen Tag gesagt, ich könne mich nicht erinnern. Motherfucker!»

Melzel rutschte einen Moment lang unbequem hin und her, meinte: «Ehrlich, ich kann mich nicht erinnern. Das waren komische Freaks. Spinner. Ich kann mich da wirklich nicht gut erinnern. Aber du hast das gut gemacht. Ich weiss es ehrlich nicht.»

Heiliger Säufer

Amadeo blieb in Verwahrung in einem psychiatrischen Institut. An Opfer Walter erinnerte ein seltsamer Film, der ihn als Heiligen mit Alkoholproblemen verewigte, ohne je zu fragen, wie der Kerl unter der Autobahnbrücke gelandet war. An die Rechnung von Gabriela Pryzbelwyski würde sich Emma Mannie immer erinnern. Schrecklich hoch. Natürlich hatte die Polizei ein gutes Gedächtnis. Am Ende war Geld keine Frage, nur eine blieb: Was ist deine Erinnerung?

Emma Mannie war selten mit ihrem Haarschnitt zufrieden. Mit ihrem Freund hielt sie einen Hund. Die Sache mit den Strandurlauben klappte immer besser. Und dann waren da Erinnerungen. Egal wo im Gehirn: Der schizophrene Brasilianer, der einheimische Penner. Ihre Namen. Amadeo und Walter und der Tod der Mutter. Nervenzellen. Der Lärm der Autobahn. Blut unter Kleiderschichten. Am Ende bleibt dir der Name deiner Mutter. Der gehört dir und die Erinnerungen auch.

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Autor: Andy Strässle

Andy Strässle umarmt Bäume, mag Corinne Mauch und verleugnet seine Wurzeln: Kein Wunder, wenn man aus Blätzbums stammt. Würde gerne saufen können wie Hemingway, hat aber immerhin ein paar Essays über den Mann zu stande gebracht. Sein musikalischer Geschmack ist unaussprechlich, von Kunst versteht er auch nichts und letztlich gelingt es ihm immer seltener sich in die intellektuelle Pose zu werfen. Der innere Bankrott erscheint ihm als die feste Währung auf der das gegenwärtige Denken aufgebaut ist und darum erschreckt es ihn nicht als Journalist sein Geld zu verdienen.

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