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70 Jahre Chris Von Rohr: „Ich brauche kein fucking Denkmal!“

Chris Vonrohr 2019

70 Jahre Chris Von Rohr: „Ich brauche kein fucking Denkmal!“

 Chris von Rohr ist der schillerndste und erfolgreichste Schweizer Rock-Musiker aller Zeiten. Der hellvetische GOAT. Zu seinem heutigen runden Geburtstag erzähle ich Ihnen eine sagenhafte Geschichte – und rede mit ihm darüber.

Die Klasse von 1984

Es geht um fünf Solothurner Jungs, die, angeführt von einem Druiden, gemeinsam die Welt erobern – und fünfzehn Millionen Platten verkaufen werden. Vor allem in den USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, England, Südamerika, Japan. An Menschen, die zur Musik von tiefer gestimmten, dreckigen, lauten Gitarren und die Stimme der Gesetzlosen in andere Welten reisten. Der entscheidende Schlüssel zur Magie, die Krokus, so nannten sie sich, verbreiteten, war, neben Songs und Riffs, der übernatürliche Zauber des führenden Rock´n´Roll-Schamanen. „Rohrmann“, so sollte ihn der Seelenverwandte Udo Lindenberg aus dem hohen Norden später nennen, wird heute siebzig Jahre alt. Spricht, wirkt, strahlt die Klasse aus – wie damals. 1984.

Über Bretter, die kein Geld bedeuten

Als Rohrmann mit dem 83er Kult-Album „Headhunter“, verpackt in eines der ikonischsten Plattencovers aller Zeiten (Der gleissend leuchtende Krokus-Schriftzug strahlt den glänzenden Metalltotenkopf mit rotem Licht an, vor gekreuzten Knochen, auf pechschwarzem Hintergrund), selbst in den Vereinigten Staaten Platin holte. Ohne Social Media, wohlgemerkt. Nur durch Mund-Zu-Mund-Propaganda, Präsenz in Plattenläden, Rockradio-Airplay, wenige TV Auftritte – und vor allem eine schier endlose, jahrelange Ochsentour auf den ganzen Brettern, die kein Geld bedeuten. Egal, wie man über von Rohr denkt: Was er mit Krokus, später als Produzent und Songschreiber, erschaffen hat, verdient allerhöchsten Respekt. Und in Solothurn müssten sie ihm eine Statue bauen – mit der Ehrenbürger-Urkunde von Tennessee in der Hand.

Aufstieg in die Metal Champions League

 Von Rohr und seine Mitstreiter katapultierten Krokus in die weltweite Metal Top 10, wozu noch Def Leppard, Motörhead, Iron Maiden, Mötley Crüe, Ozzy Osbourne, Kiss, Scorpions, Judas Priest und AC/DC gehörten. Und mit denen spielten sie fortan Stadion- und Festival-Konzerte auf der ganzen Welt.

Im ersten Metal Hammer Magazin und live im “Rockpalast”

Eines davon war das legendäre Indoor Metal Festival am 4. Februar 1984 in Dortmund, zusammen mit Iron Maiden (zu der Zeit gerade auf „World Piece Tour“), Scorpions, Ozzy Osbourne, Def Leppard, etc., welches vom „Rockpalast“ live im WDR übertragen wurde. Sowas gab es bis dahin im Fernsehen nicht zu sehen. Ich war elf Jahre alt, nahm es auf VHS-Videokassette auf, weil es mitten in der Nacht ausgestrahlt wurde. Ab dem nächsten Morgen klebte ich wochenlang an der Glotze, wann immer ich konnte. Vier unglaubliche Stunden auf Tape – heute noch ein Stück Metal-Geschichte.

METAL HAMMER-Titelbilder seit 1984

Gitarren-Riff, das nie duschte

Krokus waren seit jeher besser, als sie selber wussten. Die vorangehenden Werke „Hardware“, „Metal Rendez Vous“ und 1982 das überragende „One Vice At A Time“ waren in der internationalen Szene ohnehin schon Meilensteine des Hard & Heavy Rock. Was von Rohr Jahrzehnte später im Familienunterhaltungs-Samstagabend-Programm mit „Meh Dräck“ meinte, versteht nur richtig, wer die Wucht und Aura von „One Vice At A Time“ damals erlebt hatte, als es passierte. Oder es heute schafft, die Energie dieser Platte aufzusaugen und intuitiv den Rock´n´Roll Code zu entschlüsseln. Legen Sie „Down The Drain“ auf – machen Sie mal laut – und nach fünf Sekunden wissen Sie: Dieses Riff hat noch nie geduscht. Und wenn Storaces Stimme einsetzt, glauben Sie an Wiedergeburt. Von Bon Scott. Dem 1980 vertorbenen Frontmann von AC/DC.

Wenn AC/DC deinen Sänger wollen

So erging es AC/DC selbst, als sie den „Maltesischen Hochseefischer“ (wie Von Rohr Storace in seinem Buch „Hunde, wollt ihr ewig rocken?“ nannte) erleben – mussten. Sie, ihrerseits mit „Flick Of The Switch“, dem „Smell The Glove“ aller DC-Alben, auf dem Markt, wurden von Krokus mit „Vice“ regelrecht enteiert. Kaviar (AC/DC) gegen Straussenei (Krokus). Captain Liechtenstein gegen Captain Amerika. Spätestens als die Solothurner AC/DC auf dieser Tour als Support auch noch live an die Eier gingen, war fertig lustig. Und schickten eine Transfer-Anfrage in die Schweiz. Mit Wutstempel auf mundschaumdurchnässter Briefmarke.

Storace bleibt – Von Rohr fliegt

Storace wusste, was er an Rohr hatte. Einen genialen Instinkt-Musiker und Optimierer, dem jedes Detail am Herzen liegt. Der ihn genau kennt, alles aus ihm rausholt – und weiss, wie er ihn perfekt in Szene setzt. Also lehnte Storace das Angebot dankend ab. Um sich keine zwei Jahre später, in einem Anfall von Selbstüberschätzung mit den anderen Bandmitgliedern gegen das Energiewerk zu stellen, das alle mit der Power versorgte, die sie brauchten, um eine der besten Heavy Metal Bands der Welt zu sein. Storace übernahm zusammen mit Fernando von Arb das Kommando. Resulat war, dass das einzige Platin, was letzterer fortan sehen würde, das Blond seiner Haare sein wird. Auf Styling-Beratung vom bandsplittenden US-amerikanischen Hinterhof-Manager Butch Stone. Der mit Krokus den Deal seines Lebens machte – weil er vorher und nachher kein Geld mit Musik verdiente.

Butchs Flick Of The Blitz

Stone hatte keine Ahnung von Musik und Business – aber immer noch mehr als die fünf Solothurner. Sie gaben ihm mit der Mandats-Unterschrift die Legitimation zur Manipulation, Ausbeutung und Zerstörung einer der damals besten Bands der Planeten. Stone war ein Psychopath, hetzte die Band gegen Von Rohr auf, um ihr das Herz und Hirn rauszureissen – und selber Kontrolle über die Geldmaschine Krokus zu bekommen. Womit er ein Himmelfahrtskommando startete. Der Anfang vom Ende. Wofür exemplarisch das erste ohne von Rohr produzierte unsägliche „Headhunter“-Folge-Album „The Blitz“ steht. Nun hatten Krokus ihr „Flick Of The Switch“. Gleichzeitig bestellten irgendwo in Australien ein paar mürrische Langhaarige vier Pallett Dosenbier – und hörten nicht mehr auf, schallend lachend mit der flachen Hand auf den Rücken ihrer Hausalligatoren zu hauen.

Ohne Dynamit zündet die Bombe nicht

In der Schweiz tingelten hingegen jahrzehntelang ständig wechselnde Formationen als Krokus durch die heimische Provinz. Jeder halbwegs talentierte Studiomusiker war mal Band-Mitglied. Es war ein erbärmliches Bild. Von beratungsresistenten und uneinsichtigen zwei Trotzköpfen, die sich dermassen lange, ein halbes Leben, einfach nicht eingestehen wollten, dass Krokus viel zu gross war, um auf ihrer Sparflamme zu köcheln. Erst das Dynamit von Chris von Rohr zündet die Bombe. Die Energie der Explosion, das ist Krokus. So machten sich Storace und von Arb weiter lächerlich – mit bestenfalls bescheidenem kreativem Output und fragwürdigen Cover Songs. Und Gigs in der Prärie – auf Pub- und Bar-Festivals. In Wichtrach und, wenn´s ganz wild wurde, Wetzikon. Mit einer beispiellos anhaltenden horrenden Diskrepanz zwischen Fremd- und Eigenbild. Der fahrlässige Zerfall der Würde der einstigen Weltmarke Krokus war nicht nur ein Change Of Hairdress, sondern unfreiwillig komische Realsatire geworden. Wäre es nicht so traurig gewesen, man hätte lachen müssen.

Back in Dräck – Von Rohr reanimiert Krokus mit „Hoodoo“

2008 dann die Erlösung: Von Rohr konnte sich das Trauerspiel nicht mehr ansehen, sprang über seinen Schatten und sprach sich mit Marc Storace aus, der unterdessen das einzig verbliebene Krokus-Mitglied in der Krokus-Cover-Truppe war. Es ging um die Rettung des Band-Erbes, ein neues Album und anschliessende Europa- / US-Tour. Aber nur zu von Rohr´s Bedingungen und Führung. Die Besten aus der „Vice“- und „Headhunter“-Besetzung müssen her. Leute mit Qualität, Leidenschaft, Energie – die Krokus sind. Und nicht spielen – wie Fernando von Arb, dem kreativen Counterpart zu von Rohr. Und das hat, wie zu erwarten war, funktioniert. Das Comeback-Album „Hoodoo“ wurde wie „Vice“ ein No-Skip-Album. Versprüht von der ersten Sekunde an diesen unverwechselbaren Heavy Drive, welcher Krokus immer ausmachte. Der Dräck war back. Und hatte das Profil eines würdigen Nachfolgers von „Headhunter“.

Circle Moment auf Kreta – Zurück in den Siebzigern

Es folgten weitere Alben wie „Dirty Dynamite“, Live DVD´s vom Wacken oder „Long Stick Goes Boom – Live At The House Of Rust“, das Buch „Himmel, Hölle, Rock´n´Roll“, eine wegen Corona abgebrochene Abschiedstournee – und jetzt ist plötzlich Ruhe im Karton. Hat er sich verdient, der Hund muss ja nicht ewig rocken. Aber was soll er sonst tun? Das Rock´n´Roll-Buch für immer schliessen? Das wollte ich wissen – und zum siebzigsten Geburtstag gratulieren.

Hey Röhre – Happy Birthday!

Danke Säsh, freue mich, mit dir zu quatschen.

Und ich erst! Ab heute bist du offiziell wieder in den Seventies – wie fühlt sich dieser Circle Moment an?

Sehr gut. Nichts tut weh – und ich bin nicht tot! Am Morgen etwas Freischwimmen im warmen Meer, dann mit meiner Liebsten etwas Siesta, kleiner Ausflug in die Kreta-Götter-Hills, am Abend chli Lämmchen oder Tsatsiki – und die Raki-Möste. Der Rockhippie könnte nicht glücklicher sein. Was die Zahl Sieben angeht: Man ist so alt wie man sich fühlt, sagte schon meine Omi. Klar bin ich im Zugabenmodus, aber das ist schön. Und man ist dankbar, überhaupt noch am Leben zu sein. Wie geht es dir?

(Gelächter)

Alles geschmeidig, danke der Nachfrage. Gerade ein derart solides Curry gebrutzelt, dass mein Nachbar meinte, ich sei aus- und eine indische Gross-Familie eingezogen. Der Weg ist das Ziel, auch wenn´s dann zweimal brennt, Caballero. Aber wem sag ich das? Wie ist´s in Kreta?

Basic Rock´n´Roll: Schafe, Oliven, Feigen, Herbs, heisse Yogis, heisse Nächte, gute Drinks und warmes Salzwasser.

Läuft bei dir. Warum bist du selbsternannter Patriot gerade jetzt eigentlich nicht in der Schweiz?

Ich bin Patriot der Welt, Amigo.

Die liegt dir ja zu Füssen. Zumindest mehr als hierzulande. Stört es dich eigentlich, sag mal ehrlich, dass dein wirklich grosses und einflussreiches Schaffen in deiner Heimat nicht weitreichend verstanden – und und gewürdigt wird? Ich meine, in Tennessee bist du Ehrenbürger. In Zürich, ja selbst in Solothurn, für Viele „Dä mitem Hudu“, der erst, wenn er „Meh Dräck“ sagt, dem Schweizer ein anerkennendes und vertrautes Gefühl gibt.

Säsh, ich weiss, worauf du hinaus willst. Aber hey, es ist eine Frage der Perspektive. Zudem spüre ich schönerweise einen Change. Man beginnt, mich zu lieben. Schon fast kuschlig, plus: Nummer 1 Buch. Nummer 1 Kolumne – und Nummer 1 Album. Mehr geht und will ich nicht.

Röhre, wenn ich statistische Werte brauche, rufe ich den Verlag oder die Plattenfirma an. Nochmals: Du hast mit deiner Band zeitweise AC/DC an die Wand gespielt. Die wollten deinen Sänger abwerben.  

Säsh… halte ein!

Lemmy Kilmister von Motörhead war ein grosser Bewunderer von Krokus, nicht der einzige fernab von Hellvetien. So emotional wie du bist, kann es dir nicht am Arsch vorbei gehen, dass man dir in den USA ein Denkmal setzt – und es in Solothurn nicht mal diskutiert wird.

Ob du’s glaubst oder nicht, ich brauche keine fucking Denkmäler, wo dann Tauben drauf scheissen. Mir reicht es, wenn wir vielen Musikfreaks dieser Welt und Berufskollegen wie Lars Ulrich, Lemmy, Rob Halford oder Udo Lindenberg Freude bringen können. Um das geht es, Man!

1982 schien es eine Wachablösung zu geben: Ihr brachtet „One Vice At A Time“, das AC/DC-Album, welches AC/DC nie machte. Eine Platte der Liga „All Killer, No Filler“. Würde man es in ein Ranking des DC-Katalogs stellen, käme es unter die Top 5. Zur gleichen Zeit veröffentlichten die Australier „Flick Of The Switch“. Deren „The Blitz“. Ein Klassenunterschied sondergleichen. Zu euren Gunsten. Dachtest du da, dass ihr gerade den grössten aktuellen Act der Welt überholt?

Easy, Säsh – Niemand überholt AC/DC, nicht mal wir. Die hatten da gerade eine Schwächephase, und wir haben sie genutzt.

Ihr habt sie als Support Act an die Wand gespielt. Und wurdet deshalb kurz danach aus dem Line-Up der restlichen Europa-Termine gekippt. Dann kam die US- und Europa-Tour mit Def Leppard.

Ich kann es heute noch nicht fassen. Wir hatten einen guten Lauf und viel Spass. Bis wir alle durchdrehten.

Nicht nur ihr: Rick Allen, der Drummer von Def Leppard, verlor während eurer gemeinsamen Tour bei einem tragischen Auto-Unfall seinen linken Arm. Wie war das für dich, das mitzuerleben? Ich meine, ihr wart und seid Buddys. 

Ja, ich habe noch ein Foto, wo er beidarmig ein Motorrad bestaunt, das ich immer wieder anschaue. Der nicht zu sättigende Temporausch wurde ihm zum Verhängnis. Das gab mir echt zu denken. Schrieb ihm damals ins Spital, da ich ihn nicht besuchen konnte – die Tour ging ja weiter. Sad Story. Trafen uns aber danach immer wieder. Wie kürzlich am Sweden Rock Festival, wo unsere beiden Bands spielten. War cool. Er ist es übrigens, der mich zum ersten Mal ins legendäre Rainbow in Hollywood mitschleppte. Wo Lemmy täglich am Tresen mit seinen einarmigen Banditen spielte. Da gab´s Drinks, Säsh…. Vorboten des Grauens!

Und das Grauen kam mit eurem ersten Videoclip zur „Headhunter“-Platte –  „Eat The Rich“. Du weisst, ich bin echt Krokus-Fan. Ihr habt mir meine Outsider-Rolle in der Schulzeit erst erträglich gemacht. „Down The Drain“, „Long Stick Goes Boom“, „Winning Man“, „Fire“, „To The Top“ oder „Bad Boys, Rag Dolls“ – Danke. Ewig. Aber hey: „Eat The Rich“. Dieser Videoclip soll 250´000 Dollar gekostet haben. Butch Stone, euer Ami-Manager, legte euch dafür lächerliche Karton-Gitarren in die Hand, Storace singt in eine gummifizierte Klobürste, und für die Metal Ladys stellte Butch wohl die „Don´t Call Us, We Call You“ Selection von Duran Duran´s „Wild Boys“-Produktion ein. Wie konnte das geschehen?

Unter Drogen!

(Gelächter)

Die einzig legitime Antwort. Welche?

Nun, zuviel Erfolg, Kokain, schlechtes Management und schlaflose Nächte sind eine schlechte Mischung. Man steht plötzlich am Abgrund und ohne Abwehr da. Zum Video: Wenn ein Regisseur auch zuwenig schläft, komische Visionen hat, in San Francisco Oskar-Spielberg spielen und Conan, der Barbier, in sechs Minuten Länge fassen will – dann ist die Kacke am Dampfen. Details im „Himmel Hölle“- Buch. Nun, diese Erfahrung hat auf jeden Fall unsere Einstellung zu den Filmakrobaten drastisch verändert. Ab 2008 verlangte ich Rohmixe und griff selbst zur Schere im Endschnitt. Ich wollte uns und die Video-Idee wiedererkennen. Unsere letzten Videos zeigen das.

Kaum zurück in Zürich, erschien diese Parade-Boulevard-Blick-Story, wonach ihr auf US-Tour Drogen genommen und Weiber flachgelegt haben sollt. Alle aus der Band zeigten auf dich. Sie hatten Frauen zuhause, die wahrscheinlich anfingen, berechtigte Fragen zu stellen. Die Reaktion war, dich aus der Band zu schmeissen. Deiner Band. Du warst der Chef. Warum hast du das akzeptiert? Danzig schmeisst jedes einzelne Bandmitglied, das ihm auf den Sack geht, hochkant raus. Nach jeder Platte. Ihm scheissegal. Er ist Danzig. Der Rest hat zu schweigen. Du bist Krokus.

Nein, Man: WIR sind Krokus. Und ich war damals ein Anführer, der auch mal wankte – und unausgeschlafene Führungsfehler machte. Mich haben Verträge und Deals damals wenig interessiert. Ich war zu lieb und – vor allem – zu naiv, unerfahren. Unterschätze nie die toxische, kriminelle Macht eines US Managers, in Kombination mit alles gläubigen Musikern. Es kostete Freundschaften und Millionen. Heute sind wir alle klüger.

Der schmiss dich also raus. Er wollte und dachte, er könne das auch. Eine Band führen. Mit seiner sehr ausfaubähigen Kompetenz.

Dazu sag ich nichts mehr. Das ist Schnee von vorgestern. Wir alle haben daraus gelernt. Auch ich.

Du hattest es mit „Headhunter“ die optische Komponente perfektioniert, die auch dazu führte, Krokus in eine Liga zu hieven, in der die Top 10 Konkurrenz spielte. Ich meine das nicht bezogen auf den Style allein. Da setzten zum Beispiel Maiden in Spandex-Leggins meets Nietenarmband meets viel zu enges Alles auch nicht unbedingt einen Benchmark an Coolness. Aber sie hatten ein inhaltlich unschlagbares Cover- und Show-Konzept. In dieser Champions League kamt ihr 1983 mit dem Metalltotenkopf-Cover und der Live-Bühne an. Das hatte internationales Format – und da schloss später das „Hoodoo“-Konzept auch visuell nahtlos an.

Wir glaubten in den ersten Jahren unserer Karriere, wo ich noch dabei war, immer ans Natürliche, Einfache wie unsere Musik. Und zwar ohne grossen optischen Schickschnack. Jeans, Shirts, Jacke – fertig. Nix grosses Show-Dralala. Lagerfels, Dior oder fucking Eierzwinger-Spandex überliessen wir gerne den anderen. Wenn ich heute unsere Band anschaue, bin ich happy. Wir können lookmässig mit den Stones und anderen internationalen Bands gut mithalten und sind uns selbst geblieben. Eben Rock n’ Roll – und nicht überstilisierter Kleider-Quark. 

Danach, nachdem du jahrelang andere Bands produziert hast, plötzlich dein Comeback. Und Krokus klang und fühlte sich wieder an wie Krokus. „Hoodoo“ ist der legitime Nachfolger von “Headhunter”. Wie Back Sabbaths „13“ das Folgeteil von „Sabbath Bloody Sabbath“. „Never Say Die“ gilt nicht mehr, da war Ozzy zwar noch dabei, aber nicht bei sich. Und Iommi hatte seinen „Flick Of The Blitz“ Moment.

Du sagst es.

Dachtest du manchmal: Geht doch – warum nicht schon vorher?

Klar ist es schade, irgendwie. Aber wenn du unsere Comeback Tour anschaust, speziell den Auftritt am Wacken Open Air 2019, vor 60´000 Fans, dann fühlt sich alles richtig an. Es umgibt dich nur Dankbarkeit und Freude. Wir waren in Topform. Freunde all over. Die Verbindung zum Publikum, das jeden Song lautstark feierte. Die Medien, die über uns berichten, als wären wir nie weg gewesen. Zusatzshows, weil ausverkauft, in den Staaten, wie im Whiskey A Go Go in Los Angeles…. Come on – was willst du mehr?

Das nehm ich dir sofort ab. Wie habt ihr das „verarbeitet“? War doch ein gemeinsamer Meilenstein.

Ja, die ganze Band war high und happy. Wir haben uns gefreut, ordentlich gefeiert – danach flog ich zu meinem Komplizen Udo Lindenberg nach Hamburg.

Eierlikörchen gurgeln?

Genau – immer schön lauschig bei der Nachtigall im Adlerhorst.

Redet Udo eigentlich privat normal – also klar verständlich? Oder ist er auch   da der geilste Nuschler der Welt? Hab mal im Interview mit Benjamin von Stuckrad Barre eine Sequenz gesehen, wo Udo kurz die Brille runter nahm und in glasklarem Hochdeutsch sagte: „Weisste, ich kann ja normal sprechen“, Brille wieder auf, und dann „abaa ssis hal nisch Rocknroooll, ne?“

(Gelächter)

Ich hab ihn wach, hell und nuschelnd erlebt – der Udo ist einfach klasse. Und immer witzig. Seine exklusive private Führung durch Hamburg bleibt mir unvergessen, und wir sind auch heute noch im bestem Kontakt. Eine Mail von ihm – und mein Tag ist gerettet. Echt ein guter und kreativer Dude. Der Greis ist heiss. Love him. Udolito for President.

Unterschreibe ich sofort. Wie fühlst du dich eigentlich, wenn du in Solothurn auf alte Schulkameraden triffst? Habt ihr euch noch was zu sagen? Oder fühlst dich wie ein Alien?

Ja, genau so. Phasenweise wie ein fuckin Alien. Die meisten sind alt – und ich noch verdammt frisch. Sorry, aber ich hatte wohl einfach das bessere Leben, auf die richtige Karte, die Herz-und Rock´n´Roll-Karte, gesetzt.

Du scheinst glücklich zu sein – zufrieden mit den ersten siebzig Jahren deines Lebens. Würdest du irgendwas anders machen, wenn du nochmals 18 wärst – mit dem Wissensstand von heute?

Gestern ist gestern. Heute ist heute. Der Rock´n´Roll hat 2021 auch eine ganz andere Bedeutung. Ich müsste mir definitiv etwas einfallen lassen. Aber grundsätzlich: Die Welt ist nicht verloren, gäu, nur etwas off rail. Alles im Umbruch, der Digital Way wird völlig überschätzt. Irgendwann wird’s back to nature gehen – aber wirklich.

Lemmy sagte mal auf die Frage, welchen einen Rat er einer jungen Band geben würde, um lange zu bestehen: „Stay away from the wrong women“.

Ist nur ein Teil. Nicht nur ich sage: Stay away from the wrong management and bad drögs – aber Lemmy, geile Siech. R.I.P. Amigo. Der liebte unseren Song „Winning Man“, der ja auch einer deiner Favorites ist.

Einer meiner All Time Favorites . Der Aufbau – und dann dieses Wahnsinns-Solo mit Marc´s intoniertem Erektions-Crescendo am Schluss. Jedes Mal Gänsehaut pur. Lemmy hatte Ahnung von Musik.

Und von Frauen auch, er war ein Gentleman der Extraklasse. Ich sage: An ihren Frauen werdet ihr sie erkennen! Das Meiste habe ich von ihnen gelernt. Ich glaube an feste Beziehungen, wenn sie lebendig, bereichernd, witzig und auf Augenhöhe sind. Groupies waren Trostpflaster – aber auch wichtig.

Wie ist´s mit Beziehungen im Showbusiness?

Für mich ging es immer um die Musik, das Rock´n´Roll-Leben und natürlich auch Liebe. Der Rest interessierte mich immer nur am Rande. Ich habe mich nie verstellt, ging keine Kompromisse ein. Ich habe den Plattenfirmen und den Buchverlagen immer kristallklar vermittelt, was ich für eine Vision habe – und was ich will. Sie taten und tun immer noch gut daran, meinem Instinkt und meiner Führung zu vertrauen.

Deinem „Dräck“ – kann auch negativ ausgelegt werden, by the way.

Ja, klar. Im Positiven ist es: Ehrlicher Klartext. Echtheit. Im Negativen: Politik, Grossmächte und zunehmender Verlust der Freiheit.

Aber nicht für dich, oder? Was macht eigentlich ein gut erhaltener Rockstar ohne Geldsorgen den ganzen Tag so?

Ich mache nur noch, worauf ich Lust habe. Schau, ich habe vielleicht noch fünfzehn gute Jahre vor mir. Durch meine Lebensuhr läuft gerade Platin – No time for Monkey Business anymore. Ich habe die Malerei wieder für mich entdeckt. Das erfüllt mich mit Frieden und Freude. Ich liebe das Spiel mit den Farben. Und natürlich nebst Piano und Gitarre auch das mit dem Fussball. Immer gerne mit den Nachbarsjungs oder unserem Drummer Flavio.

A propos Farben: Wie ist es mit Drogen?

Letzthin nahm ich wieder mal LSD. Nach wie vor ein erleuchtendes,  fruchtbares Erlebnis. Ist aber keine Rummelplatz-Droge. Dennoch ist es gut, dass sie langsam wieder zu Therapiezwecken eingesetzt werden darf. Sie hilft vielen Menschen, den Kern ihrer Ängste und Blockaden aufzulösen.

Bist du mit dir im reinen?

Säsh, das wirst du, wenn du aufrichtig demütig und zufrieden bist. Es ist einfach schön, zu leben und zu wissen, dass Vieles ganz gut gelungen ist. Ich bin dankbar, in dieser crazy Welt noch etwas spielen zu dürfen, bevor die letzte Zugabe kommt.

Und was ist, rückblickend, mit siebzig Jahren Erfahrung, das Wichtigste im Leben?

So platt es klingt: Es ist neben dem Rock´n´Roll die Liebe. All You Need Is Love – und zwar für alles, was diese Welt dir bietet. Womit sie dein Leben bereichert. Wer liebt, lebt. Wer hasst, stirbt.

Ein runder Abgang eines runden Gesprächs an deinem runden Geburtstag. Danke für die gute Zeit, Long Stick, und tonight gfelligscht go boom!

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Autor: Sascha Plecic

Wem sein Leben lieb ist, darf auf keinen Fall:

- Nicht wissen, wer Coco ist, und im Bodycount-Backstage vor Ice-T’s versammelter grimmiger South-Central-L.A.-Truppe mit ihr flirten
- Robb Flynn (Machine Head) sagen, dass Metallica die Village People der Bay Area sind - und bei ungläubigem Nachfragen seinerseits etwas beleidigt und viel lauter werdend darauf bestehen
- Iggy Pop sagen, dass er nur David Bowies Spielball war bzw. dieser ihn schamlos beklaut hat
- Im Grosi-Rägemänteli, mit einer orangen Schlumpfmütze und Spülhandschuhen bei der Bloodhound Gang zum Interview erscheinen -> Resultat: Er wurde u.a. von Evil Jared angepisst. Literally.

IRON PLECIC did it all - und hat’s überlebt.

Ulises Braun: Estudiante 54

Serdar Somuncu: „Medien, Politik und Internet sind ausser Kontrolle geraten.“