Wir müssen jetzt alles abschalten. Weltweit. Nicht nur die Maschinen. Auch uns selber. Und zwar ausgerechnet jenen Teil von uns, den wir gerne als den vernünftigen bezeichnen.
Denn wir sind überdehnt, überdreht, überlastet. Als Kollektiv. Wir haben die Schrauben der Produktivität zu stark angezogen, die Fesseln der Vernunft zu eng geschnürt, haben zu fest am Rad gedreht. Und uns dadurch selber die Köpfe verdreht. In eine fatale Richtung.
((You shake my nerves))
Wir haben die Wirtschaft zum Kriegsschauplatz gemacht. Und damit echte Kriege erzeugt. Wir haben unsere Brotarbeit zum permanenten Überlebenskampf erklärt.
Und uns damit in lebende Tote verwandelt, die ohne Sinn, ohne Zweck vorwärtsdrängen, obwohl wir ja gar nicht mehr wissen, wo vorne oder hinten ist, geschweige denn links oder rechts. Ja, wir haben den Fortschrittsgedanken derart forciert und optimiert, dass er sich in einen – nur allzu – realen Rückschritt verwandelt hat.
Unsere eigenen Zeichen haben sich gegen uns gedreht. Unsere eigenen Warntafeln und Verbotsschilder sind als lebendige Knüppel aus dem sprichwörtliche Sack gesprungen, sie schlagen uns nun die Köpfe ein, wenn wir uns nicht gerade gegenseitig auf die Birnen hauen, aus purer Verzweiflung – über das Nichterreichen von Zielen, die Nichterfüllung von Plänen, die Nichteinhaltung von Vorgaben.
((And you rattle my brain…))
Doch was sind das für Ziele? Pläne? Vorgaben? Taugen sie dazu, das Leben angenehmer zu gestalten? Bescheren sie uns neue Erkenntnisse? Machen sie die Welt besser für ihre Bewohnerinnen und Bewohner? Es sieht nicht so aus. Es sieht eher nach dem Gegenteil aus.
Zudem riecht es nach verbrannter Erde, nach verbrannten Seelen.
Ich glaube nicht, dass die so genannten Burnouts eine Modekrankheit darstellen. Vielmehr scheinen sie ein kollektives Symbol dafür zu sein, dass wir uns geradewegs und unter Volldampf Richtung Nichts bewegen.
Ein kleiner bis mittelgrosser Unternehmer war früher zufrieden, wenn er seine Angestellten bezahlen konnte, selber ein anständiges Geld verdiente und seinen Laden im Griff hatte. Heute wird er sich, weil “man” das jetzt halt einfach so macht, einen teuren Einflüsterer ins Haus holen.
((Too much lovin’ drives a man insane…))
Der wird ihm sagen, dass er sich von jetzt an jedes Jahr um 20 Prozent vergrössern müsse, dies bei gleichzeitiger Einsparung von 20 Prozent. Dann winke traumhafte Rendite, ansonsten drohe der Untergang. Und was macht der Unternehmer?
Er glaubt den Blödsinn, verwandelt seine nette Firma in ein Hamsterrad für Werkzombies. Und am Ende begräbt die Lawine, die er aufgrund der Einflüsterungen ausgelöst hat, noch ihn selber.
Denn es können nicht alle Unternehmen jährlich um 20 Prozent wachsen. Bei gleichzeitigen Einsparungen von 20 Prozent. Die Welt liefert weder die Nachfrage, die dies möglich macht, noch die Arbeitskräfte, die bei stetig wachsendem Erfolg stetig sinkende Einkommen hinnehmen, ohne dabei zu geheimen Saboteuren zu werden. Oder – eben – auszubrennen.
Haben Sie einen Fünfjahresplan für Ihre Karriere? Klar. Hat Ihre Kollegin im Büro auch einen? Sicher. Und der jungen Mann im Büro nebenan; hat der auch einen? Natürlich. Dumm nur, es ist bei allen derselbe Plan, doch nur eine Person kann das Ziel in diesem Betrieb erreichen. Der Startschuss für das grosse Rattenrennen ist also gefallen. Und die Siegerin, der Sieger wird von der Bratpfanne direkt ins Feuer geraten. Wo man ganz besonders effizient ausgebrannt wird. Denn nun werden den vermeintlichen Siegerinnen und Siegen Aufgaben gestellt, die in Wirklichkeit kein Mensch erfüllen kann.
Was ist das für ein Leben?
Ein Leben auf der Höhe der Erkenntnisse, der Kulturen, der Weisheiten, die in der Menschheitsgeschichte zustande gekommen sind?
Wohl eher weniger…
Reden wir einmal über etwas anderes, über die Schätze und Reichtümer zum Beispiel, die in der Menschheitsgeschichte zusammengetragen worden sind. Und über deren Verteilung.
((You broke my will…))
Da Wahrheit steht doch so aus: es ist genug da. Genug, um alle Leute auf dieser Welt einen schönen Zeitraum lang dafür zu bezahlen, dass sie die meiste Zeit damit verbringen, einfach irgendetwas zu machen, dass – und dies wäre wohl die Hauptsache – möglichst niemandem schadet.
Scherenschnitte zum Beispiel oder Likörmischungen, Kerzenziehen zum Beispiel oder Schminkexperimente, Tuba spielen, Lügenmärchen spinnen, Kasperlefiguren entwerfen – und natürlich Sex. Ja, man sollte die Leute dafür bezahlen, dass sie Sex haben, dass sie ficken, bumsen, blasen, singen und saufen – oder halt gepresste Blümchen sammeln – oder mal wieder über den Gesamtausgaben der Werke von Agrippa, Alfred Jarry, Georges Bataille, Mary Shelley, Anaïs Nin, Anne Declos brüten.
Und an einem Tag in der Woche könnte jede und jeder etwas tun, um die notwendige Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Das würde vollauf reichen. Wir müssen bloss das Rattenrennen beenden, das Hamsterrad anhalten, die Erwartungen runterschrauben, müssen abschalten. Weltweit. Nicht nur die Maschinen. Auch uns selber. Vor allem uns selber. Abschalten!
((What a thrill…))
So. Und jetzt muss ich gehen. Ich habe mit Lana abgemacht. Wir wollen in ihrer gemütlichen Wohnung zusammen einen kleinen Amateurporno drehen, mit scharf und allem, den wir dann am Abend auf die Hauswand gegenüber projizieren. Dazu werden wir eine Live-Vertonung improvisieren.
Mit unseren elektrischen Sitars – und lauthals singen werden wir ein Mantra. Für Rati und Kamadeva. Zwei Gottheiten, die sich in einem ewigen Kreis ständig permutierender sexueller Variationen drehen, welcher den Kosmos immer wieder neu erschafft, statt in einem Hamsterrad.
Die Leute werden staunen. Die Leute werden fluchen. Die Leute werden uns erlösen. Indem sie uns umbringen.
((Goodness gracious great balls of fire!))