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Fremdenfeindlichkeit im 21. Jahrhundert

Heute Abend beim Spaziergang mit meinem Hund Dino: Zwei Jugendliche in einer eher harmlosen Auseinandersetzung schreien einem Dunkelhäutigen beim Weggehen lauthals “Neger” nach. Ja, das kommt in meiner Nachbarschaft hie und da vor. Hier streitet man sich noch auf offener Strasse und ist nicht nur hinter vorgehaltener Hand rassistisch, grundsätzlich fremdenfeindlich oder antisemitisch.

Statt mich über die Intelligenz, Bildung und Ignoranz solcher sowieso im Überfluss vorhandenen Existenzen aufzuregen, mache ich mir Gedanken über die Macht solcher oberflächlich bezeichnender Wörter.
Ist es nicht so, dass man uns in diesem Krieg nur ausser Gefecht setzen kann, weil wir den eigentlich harmlosen Wörtern solch grosse Bedeutung beimessen und so den Gegner gleichzeitig in seiner Macht überdimensional werden lassen? Ist es nicht so, dass wir den Widersacher durch unser verletzt sein, unsere Wut und spätere Trauer, in seiner Oberflächlichkeit und Idiotie bestätigen? Wir begeben uns auf sein Terrain und erklären mit unserer Reaktion: Ja, ich finde das Wort schrecklich und weil es auf solch etwas Erniedrigendes und gänzlich Niveauloses schlicht nichts zu argumentieren gibt, kann ich nur in Rage geraten und dich über mich kapitulieren lassen.

Wenn wir uns aber überlegen, dass diese hasserfüllten Ausdrücke (Jugo, Thai, Jude, Japse, Neger und all die anderen mit “scheiss” vorangehenden Bezeichnungen) irgendwann nur eine normale Bezeichnung für die Herkunft oder das Aussehen einer Person darstellten (genauso wie eine Berufsbezeichnung) bevor die Ignoranten sie sich zu eigen machten und etwas Böses daraus schufen – so nehmen wir Ihnen die Macht über uns und alle anderen, die mit uns so aussehen, wie sie aussehen oder dort her kommen, wo sie her kommen. Schlussendlich verändern sich die politisch korrekten Ausdrücke stets – was wohl auch damit zu tun hat, dass wir Bezeichneten, sie irgendwann als unkorrekt ansehen und wiederum das Spiel der Hasserfüllten mitspielen, ihnen somit noch mehr Vokabular als Munition geben, um gegen uns zu schiessen. Deshalb werde ich, sollte mich jemand oberflächlich angreifen – zurückschiessen, indem ich lächle und stolz darauf bin, dass man mich so wahrnimmt, wie ich doch letztendlich bin: Ein Jugo oder eine ex-Jugoslawin. Ist doch sowieso egal, weil es das gleiche bedeutet und mich nicht mehr wütend oder traurig macht.

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Autor: Jelena Keller

Jelena ist von Beruf Journalistin und Sprachlehrerin, Schweizerin serbischer Abstammung. Sie mag lange Texte und langes Grübeln. Sie hat sich daran gewöhnt zu viel zu denken und zu wenig zu schlafen. Wenn sie gar kein Auge zumachen konnte sieht sie die Welt nüchtern und in einem Grauton. Wenn sie ausgeschlafen hat, wandert sie mit ihrem Hund auf grüne Berge, durch bunte Blumenwiesen und rosa Weizenfelder. Schreibt auch mal Gedichte und Kurzgeschichten, reist am liebsten um die Welt und probiert Neues aus. Sie meint tatsächlich, dass sich alle Probleme lösen liessen, wenn man sich nur ab und zu in die Lage des Gegenübers versetzen könnte. Walk in my shoes und so. Trotzdem versteht sie manche Menschen nicht. Die, die sich vor dem Leben und dem Tod fürchten und andere verurteilen. Aber von den meisten anderen denkt sie, sie seien alle Freunde, die sie bloss noch nicht kennengelernt hat.

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Du bist ja sooo geil.