in ,

LoveLove

Depression ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Kompass zu dir selbst – und deiner wahren Stärke

Carlos Leal ist ein 52-jähriger, in Hollywood lebender Schweizer Schauspieler und Fotograf, früher Break Dance Artist, Songwriter und Rapper, mit spanischen Wurzeln. Eine der prägendsten Leitfiguren der europäischen Hip Hop Szene. 1987 gründete der charismatische Street Artist in Lausanne, zusammen mit DJ Just One, Lead-Sängerin Déborah & Co., die legendäre frankofone Kult-Combo Sens Unik. In jeder Hinsicht game changing, besonders gesellschaftspolitisch.

 

page2image66933632

Röschtigraben zugeschüttet – und Stress aufgebaut

Was Politikern in über siebenhundert Jahren Landesgeschichte nicht gelang, schaffte Carlos Leal innerhalb von drei Jahren – mit seiner Überzeugung und Entschlossenheit, die Welt besser machen zu können. Dieser Secondo schüttete im Alleingang vier Milliarden Hektoliter positive Energie in den Röschtigraben – und die lächerliche mentale Grenze zwischen Romandie und Deutschschweiz für immer zu. Über die Acts wie “Stress” oder “Sophie Hunger” fortan nur noch aufrecht hin und her gehen mussten – um sich gegenseitig zu umarmen. Ganz nebenbei setzte der Kopf von Sens Unik die helvetische Hip Hop Szene mit fettem Marker auf die europäische Landkarte.

 

page3image66946272

Lausannegeles

Als Carlos spürte, dass die Geschichte von Sens Unik erzählt war, siegte Realness über Kommerz. Alles, was die Band ausmachte, war kompromisslose Ehrlichkeit. 0,0 Prozent Bullshit. Also löste er sie auf. Um wieder bei null anzufangen. Seinem Instinkt zu vertrauen, der ihn von Lausanne nach Paris leitete, wo er Schauspieler werden sollte, um über Zürich, Berlin und Madrid in Los Angeles zu landen. Ein surrealer Roadmovie – unwirklich, spektakulär, herausfordernd.

Verlieren ist keine Option

Die Geschichte des getriebenen Idealisten, der niemals aufgibt. Den langwierigen Kampf gegen alle Widerstände vor allem deshalb gewinnt, weil er jede Chance erkannte, die sich ihm bot, geduldig blieb, sich allen Herausforderungen stellte, seine Dämonen mit dem Glauben an das Gute besiegte – und Verlieren nie als Option betrachtete. Wieso, erfahren Sie im folgenden einstündigen virtuellen Real Talk. Indem wir bewusst kein Wort über seine Rolle im Bond-Film “Casino Royale” verlieren.

Der Schuss, den Baldwyn nicht hörte – und ein Schlag, welcher Leal ausknockte

Holen Sie Popcorn, kaltes Bier, machen Sie für einmal Gebrauch der sonst völlig sinnbefreiten “Bitte nicht stören”-Funktion auf Ihrem Handy, und tauchen Sie ein, in die Welt eines der bedeutendsten Schweizer Künstler – aller Zeiten.

Hey Carlos, schön, dich wieder zu sehen. Time flies…

(Autor Sascha Plecic vermarktete Carlos Leals Hip Hop Act Sens Unik von 2004 – 2006, die beiden verbindet seitdem ein freundschaftliches Verhältnis)

 

page4image66677728

Wem sagst du das, Sascha. Ebenfalls. Das letzte Mal an der Berlinale-Aftershow-Party. Was für eine Überraschung!

Stimmt! Das war doch… Im Februar 2018?

Ja, genau!

Ich wohnte und betrieb meine Contentertainment-Agentur in Berlin. Aber du lebtest und arbeitetest schon längst in Los Angeles. Es war also eher unwahrscheinlich, dass du da sein würdest – als ich.

(Gelächter)

Bezeichnend ist ja, dass ich genau da zuvor all meine Agenten kennenlernte, mit denen ich heute noch im spanischen, deutschen und amerikanischen Markt arbeite. Für mich eine absolute, entscheidende Sternstunde.

Und dann tauche ich mit meiner Entourage auf…

(Gelächter)

Was grossartig war. Der Job war ja getan. Habe mich riesig gefreut, dich zu sehen.

Und ich erst, Mann! Wir kamen von einer 12-Stunden-Produktion und freuten uns nur noch auf die Party. Im Laden angekommen, unterhielt mich kurz mit Nina Burri, die im Eingangsbereich stand, nahm Getränkebestellungen auf und steuerte direkt an die Bar, lieferte ab. Schaute nach rechts: Da standst du. Wir schauten uns an, rasteten aus, umarmten uns – Plug & Play. Als hätten wir uns gestern das letzte Mal gesehen. Dementsprechend steil gingen wir. A night to remember.

Du sagst es.

(Gelächter)

Du bist gerade in Lausanne, richtig?

Ja, ich drehe hier eine TV-Serie für das Schweizer Fernsehen.

Und, wie läuft’s?

Ich geniesse es. Mit all den coolen Leuten. Ein durchmischter Cast aus Schweizern, Italienern und Franzosen.

Wann kriegen wir das Resultat zu sehen?

Ziemlich sicher 2022. Aber weisst du, das Problem als Schauspieler ist, dass du nie weisst, wann das “Network” auf Sendung geht.

Kein Plan?

Das ist nicht in deiner Hand. Was du beeinflussen kannst, ist, bestmöglich deinen Charakter darzustellen. Alles andere ist nicht unter deiner Kontrolle.

Hat das mit Covid zu tun? Oder lässt man euch Schauspieler schon immer im Ungewissen, wann etwas gesendet wird?

Schau, sie sagen dir immer, wenn sie dich engagieren: Es wird, zum Beispiel, im September 2022, ausgestrahlt. Aber dann – und glaub mir das – kann alles passieren. Mit Covid sowieso.Selbst HBO und Netflix werden dir ein Release Date nennen, das sie nicht im Ansatz einhalten werden können. Aus verschiedenen Gründen.

Das haben also Schweizer und Ami-Produktionen gemeinsam. Was ist der Unterschied, ausser vielleicht noch dem Budget?

Schau, in Sachen Qualität ist es hier bemerkenswert. Ich habe ja schon einige Schweizer Produktionen gemacht. “Der Bestatter”, dann…

Kinofilme auch, “Sennentuntschi”.

 

page6image66596016

Ja, aber Kino ist was anderes. Das, was hier an Budget für Fernsehproduktionen zur Verfügung steht, ist verschwindend gering. Im Vergleich zu Amerika – und wenn du siehst, was die Leute hier daraus machen: Unfassbar. Eine TV-Serie mit zehn Episoden hat in der Schweiz ein Budget von vielleicht vier oder fünf Millionen Franken zur Verfügung. Und damit werden richtig gute Resultate abgeliefert.

Wo bewegen wir uns in den Staaten?

Vergiss es, das kannst du nicht im Ansatz vergleichen. Netflix-Budgets? Come on…

(Gelächter)

In der Schweiz sind die Teams klein und kompakt. In Hollywood, Mann… Da gibt es so viele Menschen, die da in einer Produktion mitmachen, das glaubst du gar nicht. Ganze Dörfer von sogenannten Spezialisten.

Bremst das den Produktionsprozess?

Na klar. Manchmal frisst schon nur der Wechsel von einem Thema zum anderen endlos viel Zeit. In einem kleineren Team geht das fix.

Warum sind Hollywood-Produktionen soviel opulenter – für ähnliche Resultate?

Schau, Los Angeles ist für die Filmindustrie dasselbe wie zum Beispiel Genf für die Finanzwirtschaft. Lebst du in Genf, arbeitest du ziemlich sicher in einer Top-Bank oder -Versicherung. Und da eben, weil es das weltweite Zentrum dieser Branche ist, auf allerhöchstem Level – mit entsprechender Erwartungshaltung an deinem Output. In L.A. ist Film das grösste Business der Stadt. Deshalb ist es so gigantisch, allgegenwärtig und extrem professionell. Die ganze Struktur, Geschichte, Erwartung – und der weltweite Markt.

Klar.

Es gibt viel mehr Geld. Riesige Vertriebs-Power. Auch wenn du eine Serie in Frankreich oder Deutschland machst, hast du im Gegensatz zu unserer Heimat mehr Möglichkeiten, sie in anderen Ländern zu verkaufen. Die Schweiz ist nicht besonders gut darin, ihre wirklich guten Film- oder Musik-Produktionen im Ausland zu vermarkten.

In der Musik gibt es Ausnahmen.

Ja, aber Sascha – wir reden generell: Es passiert einfach nicht. So ist es.

Stimmt. Mittlerweile scheint auch in Hollywood die Kohle nicht mehr locker zu sitzen. Dieser selten absurde und tragische Unfall am Set vom Film “Rust”, den Alec Baldwyn produzierte und finanzierte, forderte ein Todesopfer. Er selbst erschoss die Kamerafrau und verletzte seinen Regisseur schwer. Mit einer scharf geladenen Waffe. Übergeben von einer Waffenmeisterin, mit unzureichender Erfahrung. Um – wie man munkelt – auch an dieser Position Geld zu sparen. Das Budget soll, für Hollywood- Verhältnisse, lächerliche sieben Millionen US Dollar betragen haben. Was sagst du dazu?

Lass mich ausholen.

Gerne.

In den letzten drei Jahren, so habe ich das Gefühl, ist die Qualität der Professionalität bedeutend schlechter geworden ist. Die auftraggebenden Streaming-Giganten verlangen nach immer mehr Produktivität. Amazon, Apple, Netflix – sie setzen die Produktionsunternehmen immer mehr unter Druck.

War das nicht auch ohne die schon immer so? Warner, Universal und all die anderen Companies – Showbusiness ist nicht seit gestern Akkordarbeit.

Glaub mir, das ist heute eine komplett andere Nummer. Viel weniger Zeit für viel mehr Erfolgsdruck. Die Teams sind überfordert, können den Erwartungen nicht mehr standhalten. Und dann machen Menschen Fehler.

Klar, verstehe ich. Und trotzdem: diese unfassbare Fehlerkette war doch zu verhindern. Auch, sorry, besoffen oder überarbeitet weiss man um die Verantwortung dieses Prozesses – der echt nicht “rocket science” ist.

Sascha, ich war schon oft an Sets, wo auch ich Waffen in der Hand hatte, weil es zur Szene gehörte. Da sind diese Patronen drin, wie heissen die nochmal?

Fake-Patronen.

Ja, die haben einen Namen. Diese, welche nur “flashen”, aber nicht…

Platzpatronen?

Genau, Platzpatronen! Und trotzdem darfst du nie nah an die Person ran gehen, die du “erschiessen” musst. Mindestentfernung ist drei Meter. Wenn die Ziele weit weg sind, kannst du ballern, wie du willst. Aber bei entsprechender Nähe musst du völlig leer feuern – mit null Munition. Die Post Production ergänzt im Nachhinein die Effekte, welche so aussehen, als hättest du geschossen – und wäre dein Ziel getroffen worden.

Simple as that. Warum war das für Schauspieler, Waffenmeisterin und Regisseur in diesem Fall so schwierig? Wie konnte das passieren?

Eine sehr sonderbare Story. Und doch könnte es eine Erklärung dafür geben. Was ich in meinem amerikanischen Umfeld gehört habe, ist, dass ein nicht unwesentlicher Teil des Teams so überarbeitet war, “that they got the fuck out of this set” – sie hielten es nicht mehr aus. Da muss eine sehr gereizte Atmosphäre geherrscht haben, die Leute waren komplett am Anschlag – und drüber.

Fair enough. Das Set zu verlassen und abzuhauen, ist das eine. Warum hat aber der offenbar kollektiv handlungsunfähige Rest weiter gemacht – ohne etwas zu sagen?

Das ist es doch: Unmittelbar davor gingen die Gewerkschaften auf die Barrikaden, demonstrierten auf den Strassen von Los Angeles. Das war eine sehr laute und intensive Veranstaltung. Wie eine Revolution. Ohne Scheiss. So machten sie auf die allgegenwärtigen Missstände aufmerksam. Mit einer klaren Botschaft: “Wir arbeiten unter diesen unsäglichen Arbeitsbedingungen nicht mehr weiter”. Die sagten schon etwas – und was sie sagten, richtete sich an ganz Hollywood. Niemand hört ihnen zu.

Alec Baldwyn postete kurz vor dem Vorfall ein Foto auf Instagram, wo er ziemlich abgekämpft, nein, erschöpft aussah.

 

page9image66596224

(Carlos winkt ab)

Come on, in meinen Augen war das Medienmanipulation. Erschöpft? Vielleicht auch besoffen. Ich weiss es nicht.

(Betretenes Lächeln auf beiden Seiten)

Versteh mich nicht falsch. Ich glaube nicht, dass er schuld ist. Weil da kommt wirklich immer jemand an’s Set, der Waffenmeister – oder eben die Waffenmeisterin. Die öffnen vor dir die Waffe, zeigen, dass alle Patronen fake sind, und dann wartest du mit der gegebenen Waffe bis zu deiner Szene. Dann ist das ganze Team, insbesondere der Cast, rund um die Szene dazu angehalten und informiert, sich auf Distanz zu halten.

Genau das meine ich.

Ja, es waren echte Patronen in einer dieser Waffen. Das ist sehr merkwürdig.

Da hat jemand in vollem Bewusstsein scharfe Munition auf’s Set genommen (die auch noch benutzt wurde). Wozu?

(Carlos wird zynisch)

Sascha, in einem Land, wo der private Besitz von Waffen soooo normal ist, erstaunt es nicht, wenn alle, oder zumindest einige des Teams, ihre privaten Waffen und Patronen am Set hatten. Und da etwas vertauscht wurde.

Lass uns diesen creepy Case verlassen – und weiter über dich reden. Den Filmstar Carlos Leal.

Ich bin kein Filmstar. Wenn ich das wäre, hätte ich nur Hauptrollen in Blockbuster.

Na gut, du bist Schauspieler mit Sitz in L.A – und spielst an der Seite von Daniel Craig, Mel Gibson, Willem Dafoe, Al…

(Unterbricht, peinlich berührt)

Ich bin viel mehr ein professioneller Schauspieler, jetzt seit 22 Jahren, der sein Geld mit Film verdient. Auf einem ziemlich normalen Niveau. Zeitweise auch mit sehr leeren Phasen. Wenn du aber in meiner Database nachschaust, siehst du, dass ich sehr viel gearbeitet habe.

Dafür muss ich nicht nachschauen, das weiss ich. Im Top Cast von “The Last Thing He Wanted” mit Willem Dafoe und Ben Affleck als Co-Star auf Augenhöhe zu sein, ist semi-normal.

Natürlich mache ich viele Sachen, die aussergewöhnlich sind. Und ich habe in meiner Heimat eine Vorgeschichte – mit Sens Unik. Stehe also sowieso schon im Fokus, wenn bekannt wird, dass ich in Hollywood drehe. Das ergibt in der Schweiz schnell Publicity, die danach aussieht, als wäre ich ein Filmstar. Bin ich aber, wie gesagt, nicht.

 

Wie fing es damals an – in Los Angeles?

Schau, als ich vor zehn Jahren nach L.A. kam, fing ich sofort an, intensiv zu arbeiten. War es Glück? Professionalität? Ich weiss es nicht.

Wirklich nicht?

Ich nehme meinen Job ernst, wie immer.

Das weiss ich.

Du und alle anderen Leute, die mit mir zusammenarbeiten, tun das gerne. Weil sie das merken. Natürlich passe ich nicht zu jeder Rolle – weil ich kein amerikanischer Schauspieler bin. Der erst noch einen Akzent hat. Glücklicherweise ist das nicht immer ein Nachteil. Ich kann verschiedene Akzente und Sprachen anbieten: Latino, also Spanisch, Französisch, Italienisch – und etwas Deutsch. Wenn solche Rollen verteilt werden, bin ich vielfach eine ernsthafte Option.

Es geht ja in der Filmbranche vor allem um Charisma. Schwarzenegger kann heute noch kein Englisch. Legendär auch, dass seine handvoll Sätze in “Conan, der Barbar” in der Post Production synchronisiert werden mussten.

 

(Gelächter)

Das war bei mir zum Glück nie der Fall. Natürlich sind Charisma und Acting Skills entscheidend. Da hast du schon recht. Den “klassischen” Durchbruch hatte ich noch nicht, aber mein Management in Amerika glaubt an mich. Vielleicht passiert das noch, vielleicht auch nicht.

Cool, dass du so geerdet bist. Als wir noch bei Sens Unik zusammenarbeiteten, warst du nie besonders geduldig – und maximal ambitiös.

 

page13image66613232

Jetzt erlebe ich dich tiefenentspannt, obwohl du gerade mit Al Pacino gedreht hast.

Es gibt eine dünne Linie zwischen ambitiös sein – und von Ambition besessen zu sein. Letzteres kann eine Menge Gift in sich haben. Das musste ich schmerzvoll erfahren – und lernen, diese Energie zu kontrollieren. Ich bin zweifacher Vater. Was für ein Signal und, vor allem, welche Energie sende ich meinen Kindern aus, wenn ich konstant am Limit laufe, dabei unglücklich bin und nur ein Lebensziel habe: Immer höher und weiter zu gehen – beruflich?

Die Frage ist auch – Was macht es mit dir? Mir kamst du früher immer vor, als wärst du auf der Flucht. Was hat dir dabei geholfen, die Prioritäten – auch für dich – zu verschieben?

Ich habe mich daran erinnert, wieso ich damals überhaupt mit Musik angefangen habe. Weil die Werke mich glücklich machten. Es ging immer um die Sache, pure Leidenschaft. Wir hatten das Glück, mit dem, was wir liebten, auch noch erfolgreich zu sein. Erfolg habe ich immer noch – aber ich ficke dafür nicht mehr mein Leben.

Warum hast du es damals getan?

Als Sohn von spanischen Einwanderern habe ich gesehen, wie sich meine Eltern den Arsch abgearbeitet haben – und nichts, also ein absolutes Minimum, verdienten. Da habe ich mir gesagt: Wenn ich schon sowenig verdiene, will ich wenigstens das tun, was ich liebe. Ich folgte also meinem Instinkt, ging all in. Volles Risiko.

 

page14image66964320

Du warst einer der ersten europäischen Break Dance Artists.

Genau. Hip Hop vereinte alles Kreative, was man aus der Strasse machen kann. Break Dance kam tatsächlich, mit Graffiti zusammen, noch vor Rap. Hip Hop war in erster Linie ein schon fast spirituelles Lebensgefühl. Das mich nachhaltig inspirierte, lehrte – und führte.

 

page15image66970352

Du hattest keinen wirklichen Plan.

Nein, ich liess mich vom Flow treiben, der auch Sens Unik getragen hat.

Wo du Frontmann und Songwriter wurdest. Wegen deinem, schon damals, einnehmenden Charisma. Das war deine erste Band. Du hattest keine Ahnung von Musik. Aber Feuer – und null Angst.

 

Stimmt. Und das ist atypisch in der Schweiz – es gibt keine grosse Tradition, Risiken einzugehen. Wir Schweizer sind da eher konservativ. Aber ich ging voll Risiko. Was verrückt war. Das färbte auf den Vibe innerhalb von Sens Unik ab. Wir hielten nichts für unmöglich.

Ihr wart auch in Frankreich erfolgreich, was sprachlich naheliegend ist. Dass euch die Deutschen liebten – als französich rappende Combo – war ungewöhnlich. Allen voran die Fantastischen Vier. Die signten euch auf ihrem renommierten Label “Four Music”.

Ja, französischer Rap war noch vor deutschem Rap gross. Wir tourten lange vor dem grossen Deutsch-Rap-Boom in Deutschland. Was uns unter anderem mit Fanta 4 zusammenbrachte. Abgesehen von der Tatsache, dass wir denselben offenen Mind Spirit für verschiedene Musikstile hatten.

page18image66611776

Wieso löstet ihr Sens Unik auf dem absoluten Höhepunkt auf? Wirtschaftlich hätte es da angefangen, richtig einzuschenken.

Die Geschichte war auserzählt. Wir alle waren ende 30. Die Luft war raus. Dann kam die Anfrage von Gianni Schneider, einem tollen Regisseur, der mir anbot, eine Rolle in seinem nächsten Stück im “l’Arsenic” Theater Lausanne zu spielen.

Wie lange hast du überlegt?

Keine Sekunde. Ich habe sofort zugesagt. Und es war grossartig. Jeder Auftritt bestärkte mich darin, dass es das ist, was ich jetzt tun will – nein, muss.

Damit hast du die Türe zum Hip Hop definitiv zugemacht. Point Of No Return. Als Theater-Schauspieler war die Street Credibility gegessen. Aber big time.

Ich hab mich intuitiv entschieden.

Kurz danach zogst du nach Paris. Konsequent.

Klar. Und Paris war erstmal – na ja. Es hat mir kurz- und mittelfristig nichts gebracht. Ich hatte keine grossen Engagements da. Weil meine Base aber jetzt in Paris war, hat mich das zuhause offenbar interessanter gemacht. Unter anderem bekam ich in dieser Zeit die männliche Hauptrolle im Schweizer Strassen-Drogen-Epos “Snow White”, wofür ich ausgezeichnet wurde.

Du bekamst den “Swiss Film Award” in der Kategorie “Best Performance In A Leading Role”. Du spieltest quasi dich selber: Den Rapper Paco. Überragend. “Snow White” wurde in der Schweiz, Japan und Deutschland vertrieben. Der Soundtrack war auch gespickt mit Underground-Trouvaillen, findet immer noch beachtlichen internationalen Absatz. Da passte alles.

 

(Colafluid’s Opening-Nummer “Idiot” ihres europaweit gefeierten Punk’n’Roll-Klassikers “Southern Death Swing – A Barfight Sinfony” (2006) inszenierte der mehrfach ausgezeichnete “Snow White”-Star-Regisseur Samir brillianterweise in der legendären Laufstegszene – um dem Film die besondere Strassen-Note zu geben. Anstatt seichtem House oder R’n’B liefen die Models zu dreckigem Punk der wohl skandalträchtigsten, kompromisslosesten, unschweizerischsten Schweizer Rockband ever. Samir persönlich bestimmte den Track als Lead-Single-Auskopplung des Soundtracks – und machte den Kameramann am Set der Videoproduktion.)

Genau. Und das brachte mich auf die Landkarte der Berliner Film-Industrie. Ich wurde an die Berlinale eingeladen – und als sogenannter “Shooting Star” habe ich mich intensiv auf den Event vorbereitet.

page20image66682096

(Carlos wird energisch, mit immer breiterem Grinsen)

Ich wollte einfach alle kennen lernen!

Das hat geklappt.

Ja, Sascha – ich habe soviele Leute kennengelernt, vor allem allle meine heutigen Agenten: Aus Deutschland, Spanien und Italien.

Das kann man nicht planen. Wie ging das vor sich? Einfach angequatscht?

Der spanische Agent Antonio Rubial kam auf mich zu und sagte: “Ich sehe, du hast einen spanischen Namen”. Ich so: “Si – soy español” Er: “Tengo una agencia en Madrid, y puedrio pensar que puedes trabajar en Madrid”. Ich sagte, wenn das so ist, fliege ich nach Paris, packe meine Sachen und komme nach Madrid. Er schaute mich an und sagte “Vale vale, Carlos – Muy bien”. Was soviel heisst wie “Klar, Carlos – mal sehen”.

Du hast es gemacht.

Klar. Ich folgte einmal mehr meinem Instinkt. Flog zurück nach Paris, packte meine Koffer um – und flog noch am selben Tag nach Madrid. Rief Antonio an, sagte: Ich bin da. Er lachte, gab mir die Adresse. Und – jetzt kommt’s… Was ich nicht wusste und erst realisierte, als ich da war, ist: Die “Kuranda Agency” war, verdammt nochmal, die grösste Agentur in Madrid… Und Antonio die rechte Hand von Penelope Cruz sowie allen Latino-Top Stars in Hollywood!

Wie geil ist das denn?

Ja, er schaute mich beeindruckt an und sagte: Okay, mit der Nummer beweist du mir, dass du wirklich arbeiten willst. Ich schick dich gleich zu einem Casting. Und ich bekam den Job. In einer grossen TV-Serie namens “El Comisario”. Ich war der Gast-Star für drei Episoden. Der Serienmörder.

 

page21image66640800

(Gelächter)

Ja! Das Leben ist wie ein Bumerang – was immer du raus sendest, es kommt zurück. Egal, ob positiv oder negativ. Es kommt zurück zu dir.

Natürlich. Was machst du, wenn etwas Negatives zurückkommt? Absender bist ja du. Wie gehst du damit um?

Ich nehme es als Erfahrung. Und versuche, daraus zu lernen.

Bereust du dann, was du getan hast?

Wieso? Ich wage es, zu leben. Entscheidungen zu treffen. Nach bestem Wissen und Gewissen. Wenn ich falsch lag, dann nur deshalb, um etwas zu lernen – und daran zu wachsen. Solche Lektionen sind nicht da, um zu bereuen – sondern, um mir etwas aufzuzeigen. Was ich lernen muss. Bereuen würde ich es erst, wenn ich meine Fehler ignorieren und auf andere schieben würde. Immer und immer wieder.

Du hast vorhin gesagt, dass die Besessenheit von deinen eigenen Ambitionen dir eine leidvolle Lektion verpasste – du hattest schwere Depressionen.

Genau. Es war eine Art Midlife Crisis. Der verdammte Klassiker. Du musst verstehen, dass ich sehr weit weg war. Von meinen Wurzeln. L.A. ist a fuckin other world, my friend. Obwohl ich da gearbeitet habe, fühlte ich mich fremd. Fand mich gegen die ganze Kultur ankämpfend, Hollywood, das ganze Zeug, womit ich es plötzlich zu tun hatte.

Es war nicht so, wie du es dir vorstelltest. Ging dir nicht schnell genug.

Ja und nein. Ich fragte mich: Will ich diesen Scheiss wirklich? Gleichzeitig vergassen mich meine Leute in Europa. Wo ich mir ja was aufgebaut hatte – und es wegen Scheiss-Hollywood zurückliess.

Konnte man das nicht kombinieren? Du müsstest ja in Europa mehr wert gewesen sein, als Hollywood-Schauspieler.

Nein, im Gegenteil. Mein französischer Agent rief mich an und sagte: “Carlos, du bist nicht mehr hier, ich kann dich zu keinen Auditions schicken. Das ist zu kompliziert – und das Interesse nimmt ab.”

 

Hätte ich nicht gedacht.

Doch. Mein spanischer Agent genauso: “Carlos, wenn du für ein Jahr am Stück zurück kommst, buche ich dich in eine TV-Serie. Was auf Distanz leider nicht möglich ist.”

Bitter.

Plötzlich habe ich die ganze Plantage in meinem Garten verloren, wofür ich jeden einzelnen Samen selbst gepflanzt und die ich fürsorglich betreut habe. Das, was ich von Hollywood erwartet habe, war nicht da. Da war eigentlich gar nichts. Ausser einem fremden Ort, den ich nicht fühlte, wozu meine Identität nullkommanull passte.

Hat dir das den Boden unter den Füssen weggezogen?

Exakt, Sascha: Ich habe den Boden unter den Füssen verloren. Die Kontrolle. Meine Identität. I asked myself: What the fuck am I doing here? What the fuck is Hollywood? Why the fuck am I here? I wouldn’t even want to play these Super Hero movies – I don’t give a shit!

Wolltest du zurück?

Diese Aufgabe stellte mir das Leben. Genau das war die Frage: Willst du aufgeben?

Der Frust der Ungeduld – des langwierigen Zurechtfindens. In der grossen bösen Stadt. Als Landei. Das bist du dort, wenn du aus Lausanne kommst.

Es war schwierig. Ich habe dazu Familie, Kinder. Meine Tochter kam dann noch zur Welt – mit einer Blutkrankheit. Wir wussten nicht, was sie hatte. Wir hatten Angst, Mann. Big time. Ihre Geburt war ein Segen, aber mit all diesen Umständen, unter denen sie leiden musste, auch ein Tyson-Faustschlag mitten in meine Fresse rein. Mit wochenlangen Spitalaufenthalten – ohne Aussicht auf Klarheit, geschweige denn Erlösung für die Kleine.

Murphy ist ein Arschloch.

Definitiv. Dieser Punch hat mich ausgeknockt. Drei Jahre lang. Dauerte es – bevor ich wieder aufstand.

Das ist so hart. Gab es Momente, wo du liegen bleiben wolltest?

Nie. Was immer ich tun konnte, um aufzustehen, ich tat es: Für meine Tochter. Sei es Meditation, Yoga, Ayuvasca, aber auch intensive Gespräche mit meiner Frau. Ich war sogar beim Psychiater – was immer irgendwie Scheisse ist.

Warum?

Weil es nicht immer gelingt, herauszufinden, was er wirklich mehr über dich weiss, was dir helfen würde. Irgendwie redest du konstant mit dir selber.

Vielleicht ist es aber genau das, was hilft – dass du dich mit dir selber auseinander setzt, weil dich einer “zwingt”. Ist nicht der Fakt viel problematischer, nicht mit deinen Freunden oder – noch schlimmer – dem Arbeitgeber darüber sprechen zu können?

Genau. Es würde das Bild des archaischen Prototyps des starken Mannes zerstören – ein Tabu. Sich zu Schwächen zu bekennen, sie zu akzeptieren – und Hilfe anzunehmen. So dachte ich damals. Heute sehe ich das anders.

90 Prozent der Menschen begehen mindestens einmal in ihrem Leben solche Täler von mentalen Schwierigkeiten (s. Fussnote nach dem Interview). Ein Fünftel davon entwickelt ein ernsthaftes Problem. Das muss die Gesellschaft endlich akzeptieren und Depressionen enttabuisieren. Was ist schon Schwäche? Und ist sie negativ?

Gute Frage. Es kommt auf die Definition von Schwäche an. Ich liebe Schwächen. Sie sind wunderschön. Ich habe soviel von ihnen gelernt. Schwach zu sein, ist schön. Du kommst zu einem Punkt, wo du akzeptieren kannst. Dinge, Menschen, Vergangenheit. Es ist unglaublich.

Und ist ehrlicher, als gespielte Stärke.

Ja, Sascha. Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern eine Lebensschule. Woraus du gestärkt heraus kommst – wenn du sie annimmst, lernst du mehr über das Leben und dich selbst, als du es dir vorstellen kannst. Ein Kompass zu dir – und deiner wahren Stärke. Selbst als Künstler. Wenn du fähig bist, deine Arme zu öffnen, schwach zu sein, es zu fühlen, zu akzeptieren, eine benötigte Pause zu erkennen und zu nehmen. Um dich zu spüren, um zu erkennen, wo du gerade stehst, was du brauchst, ein paar Schritte zurück zu machen, um die Konzentration und Energie zu haben, den entscheidenden grossen Sprung nach vorne zu machen. Der dein nächstes Lebenskapitel einläutet. Das ist phänomenal. Dazu sind wir fähig.

 

page25image66855664

Ein schöner Gedanke, den wir teilen müssen. Ich bin froh, tust du das.

Es ist dringend nötig – weil es uns als Gesellschaft weiter bringt.

Kannst du Leute verstehen, die an diesem Punkt, anstatt zu ihren Schwächen und der Verletzlichkeit zu stehen, die Verantwortung abgeben – und sich sowas wie Gott zuwenden? Einer Religion ihr Leben in die Hand geben, und dadurch glauben, die vermisste Stärke zu bekommen, von der sie glauben, dass sie sie beschützt?

Ich wurde katholisch erzogen. Habe da einen Berührungspunkt. Ich verstehe diese Leute gewissermassen, dass sie in ihrer Verzweiflung die Verantwortung für ihr Leben, lass es uns so sagen, wie es ist, in Gottes Hände zu geben. Das ist eine Entscheidung, die man im Leben hat – und trifft.

Fair enough.

Ja, ich respektiere das. Und manchmal bin ich sogar so etwas wie neidisch auf Leute, die sagen: “Si dios quiere”. So Gott will, wird’s passieren. Wenn es ihnen die Möglichkeit gibt, damit glücklicher zu sein, wieso nicht?

Also eine Option für dich?

Nein, ich glaube nicht genug an Gott, um in diese Richtung zu gehen. Mir war es wichtiger, Dinge zu recherchieren und zu wissen.

Religion bestimmt, dass du irgendwas glauben sollst – und nicht wissen.

(Gestreckter Mittelfinger)

Genau – Fuck that! Nimm Religion, Medien oder sonstige Meinungsmacher – heute spalten sie die Gesellschaft stärker denn je, manipulieren Wahlen und Beziehungen.

Wir verschoben vor zwei Wochen unser Gespräch, weil du an Covid 19 erkranktest. Schön, dass es dir wieder gut geht. Nur eine Frage: Hattest du nicht mal gesagt, dass du doppelt geimpft bist?

Doch. Das stimmt auch. Und natürlich warf das für mich Fragen auf. Meine ganze Familie war davon betroffen.

Shit. Wollte es nur wissen, lass uns aber kein Öl in diese absurde öffentliche Diskussion giessen. Hauptsache, euch geht’s gut.

Genau, voll bei dir, Sascha. Aber weisst du was?

Tell me.

Es ist, was du daraus machst. Wir waren zwei Wochen lang in Quarantäne. Alle zusammen. Und es war eine absurderweise schöne, reinigende Erfahrung.

Wie meinst du das?

Das zusammen als Familie durchzustehen, zusammenzuhalten, Lebensfreude zu verbreiten, obwohl wir die Zeit auf engstem Raum verbrachten. Wir genossen die Liebe füreinander. Den Moment. Erlebten uns auf einer viel wichtigeren Ebene umso intensiver. Ich verbrachte zum Beispiel so viel wertvolle Zeit mit meinen Kindern.

 

page27image66641216

Es war ein Entschleunigen. Von der eigenen, aber auch medialen Welt. Es gibt in allem immer etwas Positives zu sehen – die Leute sollten endlich mal lernen, es zu tun. So schwer ist es nicht. Man muss es nur wollen.

Es wird ihnen vielleicht schwerer gemacht, als nötig.

Was auch nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Die Medien haben eine unmenschliche Macht. Und vielleicht ist es genau das, was sie jetzt exponiert. Ihre eigene Fehlbarkeit. Sie machen Fehler. Offensichtliche. Die Menschen merken das. Und haben immer feinere Sensoren dafür.

Inwiefern können wir das als Gesellschaft nutzen, uns näher zusammenzubringen, anstatt weiter auseinanderzudividieren?

Es wird sich organisch ergeben. Wir leben in dieser Ära, wo jede Information keine wirkliche Information mehr ist. Und es ist wunderschön, in dieser Transitions-Phase unserer Geschichte zu sein. Weil die Werte, all das, woran wir bisher glaubten, gründeten in den Säulen, auf die wir bauten: Medien, Regierung, Politik, Gesellschaft – all das hat an Bedeutung verloren. Es ist alles eine riesige Konfusion. Man kann nichts und niemandem mehr trauen.

Klingt nicht gerade zielführend.

Doch. Weil genau das uns dazu bringt, nachzudenken. Wir wollen alle Harmonie und einander vertrauen. Covid war der Firestarter. Aber das Ziel, da wohin wir uns als Gesellschaft entwickeln werden, ist viel grösser. Wir gehen mit neu entdeckten gemeinsamen Werten in eine gestärkte Zukunft. Weisst du wieso?

Sag’s mir.

Die Intuition und Intelligenz des Menschen ist stärker. Social Media sind targeted. Du kriegst die Information, die du bekommen sollst. Bzw. die für dich bestimmt ist. Erst wirft man zwei kontroverse Meinungen auf den Markt – wobei sich jeder für eine entscheidet. Fortan werden die beiden Lager mit gezieltem Content sozusagen “radikalisiert”. Es ist sehr durchschaubar – und deshalb auch überwindbar.

Bislang wurde einem sehr lange ein simples Lebensprinzip vorgelebt, welches Tony Montana, gespielt von Al Pacino, in “Scarface” sehr gut auf den Punkt brachte: “In this country you gotta make the money first, then when you get the money, you get the power. Then when you get the power, then you get the women”.

 

page28image66853168

Ein Klassiker.

Du hast dieses Jahr mit Pacino gedreht. Wie war das?

Das glaubst du nicht.

Erzähl.

Ich sprach für eine andere Rolle vor. Und hörte monatelang nichts mehr davon. Dann musste, wie vorhin kurz erwähnt, meine Tochter für ein MRI in’s Spital. Wie jedes halbe Jahr – wegen ihrer Blutkrankheit. Und wenn du ein Kleinkind bist, kannst du dabei deine Atmung nicht kontrollieren, also bekommst du Anästhesie und wirst künstlich, aber halt sicher, beatmet. Bzw. dein Herz wird vom Arzt kontrolliert.

Das Leben deiner Tochter ist in den Händen eines einzigen Menschen.

Genau, und du ahnst es schon…

Scheisse, ja…

Das MRI verlief gut. Aber der Typ kommt zu uns und sagt, keine Ahnung wieso er uns das sagte: “Als ich Ihrer Tochter den Schlauch in die Luftröhre steckte, blockierte irgendetwas – es könnte sein, dass sie Krebs hat”…

No fuckin way…

Alter, ja, und wir waren eh schon vortraumatisiert von dem, was alles passiert war – das zerstörte uns…

Mann, hey…

Und genau jetzt, exakt dann – ruft mich meine Managerin an und schreit ins Telefon “Carlos! Erinnerst du dich noch an diese Audition für den Film mit Al Pacino? Die haben eine Rolle für dich! Du musst einfach morgen früh in Puerto Rico sein – Das kriegen wir hin!”

Ich kenn dich – das hast du nicht gemacht.

Es war keine Option. Ich sagte ihr: “Beth, das ist ein Traum, der wahr würde – aber ich bin gerade im Spital und stehe meiner Tochter bei, die möglicherweise Krebs hat. Ich kann und will gerade nicht weg, unter keinen Umständen”.

Mann…

Also, während ich im Spital auf die Diagnose wartete und meiner Tochter beistand, hielt meine Managerin die Produktion in Puerto Rico hin und behauptete, dass alles okay ist und ich morgen auf dem Set stehen würde. Sie hat sie den ganzen Nachmittag angelogen. Nur, damit ich diese Chance nicht verliere. Wir setzten alles auf eine Karte – bzw. sie riskierte ihre Beziehungen und den Ruf der Agentur.

This takes balls, man…

Ja. Gegen Abend sah mich meine Frau an und sagte: “Carlos – flieg dahin und erfüll dir deinen Traum. Es ändert nichts, ob du hier bist oder da – ich bin hier und kümmere mich um alles – Geh, Baby – do it!” Ich schaute sie an, zu Boden, wieder hoch und sagte ihr: “Du hast recht, ich fahre nach fuckin Puerto Rico und spiele mit Al Pacino!”

Wieder intuitiv.

Genau. Und als ich am nächsten Morgen, direkt nach der Landung mein Handy anschaltete und die Voice Message von meiner Frau hörte, dass alles in Ordnung sei, der Bericht die Gesundheit meiner Tochter bestätigte, war das wie ein mentaler Orgasmus.

Logisch.

Dieser unmenschliche Druck, der auf mir lastete, war weg – und weichte einem riesigen Adrenalinschub. Meine Tochter war safe. Ich war hier. In Puerto Rico. Und ich werde jetzt, verdammt nochmal, mit Al Pacino spielen.

(Holt aus und schreit)

Yeeeeessssss!!!

Es musste so sein.

Ja. Und er war unglaublich. So hilfsbereit, grosszügig und aufmerksam. Half jederzeit, auch wenn die Kamera nicht auf ihn gerichtet war, kam er zu mir, schaute zu, stand neben mich, holte mich zu sich – und gab mir Ratschläge. Er wollte, dass ich das Beste aus mir heraushole, weil er an mich glaubte.

Surreal, oder?

(Jugendlicher Enthusiasmus)

Sascha, er mochte mich! Nach jeder Szene, die im Kasten war, sagte er, wirklich ehrlich: “Hey man, I liked it – Great job!”

Was für eine Geschichte.

Dann hab ich mir die Kante gegeben, Alter. Aber so richtig. Wissend, dass es meiner Tochter gut geht – und ich bei Al fuckin Pacino abgeliefert habe.

Mehr als verdient. Schöner Abschluss eines coolen Gesprächs. Danke herzlich, Mann. Du musst weiter.

Ja, ich führe meine Frau zum Dinner aus. Habe die Zeit jetzt auch vergessen – bin schon zehn Minuten zu spät. Aber hey – kein Stress. War schön, wieder mal mit dir zu quatschen.

 

page32image66667744

Same here. Bleib, wie du bist. Positive Vibrations, ehrliches Herz auf zwei Beinen, down to earth – und trinkfest, wenn’s drauf ankommt. Hasta pronto, Amigo.

Du auch, Sascha – Hasta pronto.

Schnelle, lösungsorientierte Hilfe im Fall von Depressionen:

Carlos Leal und Sascha Plecic empfehlen Lesern, die Anzeichen einer Depression verspüren, oder Bekannte haben, welche gerade mental überfordert sind (kommt bei 9 von 10 Menschen vor), sich an die Stiftung Pro Mente Sana zu wenden, die mit dem BSC Young Boys interne Präventions-Programme und landesweite Aufklärungskampagnen zur Enttabuisierung von Depressionen entwickelte und täglich umsetzt:

-> zur Kampagne

https://www.promentesana.ch

Kostenloses Pro Mente Sana Notfalltelefon: 0848 800 858

Gefällt dir dieser Beitrag?

10 Points
Upvote Downvote

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Autor: Sascha Plecic

Wem sein Leben lieb ist, darf auf keinen Fall:

- Nicht wissen, wer Coco ist, und im Bodycount-Backstage vor Ice-T’s versammelter grimmiger South-Central-L.A.-Truppe mit ihr flirten
- Robb Flynn (Machine Head) sagen, dass Metallica die Village People der Bay Area sind - und bei ungläubigem Nachfragen seinerseits etwas beleidigt und viel lauter werdend darauf bestehen
- Iggy Pop sagen, dass er nur David Bowies Spielball war bzw. dieser ihn schamlos beklaut hat
- Im Grosi-Rägemänteli, mit einer orangen Schlumpfmütze und Spülhandschuhen bei der Bloodhound Gang zum Interview erscheinen -> Resultat: Er wurde u.a. von Evil Jared angepisst. Literally.

IRON PLECIC did it all - und hat’s überlebt.

101. Folge CinéSwiss – der Film & Serien Podcast

NEUE SCORPIONS-SCHEIBE: WIND OF BACKPFEIFE