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Eine Droge wie jede andere auch.

Es war gar nicht so schwierig, in den ersten Tagen. Obwohl er sich schon ein paar Mal zwingen musste. Nicht am Morgen ins Internet  gehen und die üblichen Newsportale querlesen. Nicht in der Kaffeepause eine Zeitung nehmen und drin blättern, auch nicht aus Langeweile. Nicht zuhören, wenn die anderen von den Sachen, die sie gehört haben, erzählen. Es war schon jedes Mal ein bewusster Entscheid dagegen. Da lief noch gar nichts Unterbewusst. Die Register sind ja noch leer, die musste er erst mal füllen, sie fühlen, und das passierte am Anfang halt bewusst. Aber es ging. Es ging sogar so gut, dass, als sie im Tram über irgendetwas gesprochen haben, er erst bewusst weghörte, bis er merkte, dass dieses „irgendetwas“ eine der Sachen war, die ihn sowieso nicht interessierten. Es zeigte ihm, dass er es richtig anstellte. Obwohl es ihm schon ein bisschen verkrampft vorkam. Nichts aus den Medien erfahren, nichts von Leuten, die darüber diskutieren was sie aus den Medien erfahren, das war streckenweise ziemlich streng. Aber das Aufstehen am Morgen ging leichter, da war nicht mehr schon kurz nach dem Aufwachen dieses Rattern im Kopf, dieser dumpfe Lärm, wenn das Hirn sich die Gedanken zusammenbaut, das war leiser geworden, deutlich leiser, nach kurzer Zeit schon. Es war wie mit dem Rauchen aufhören. Er hatte plötzlich viel mehr Zeit. Hatte sein Umfeld bewusster wahrgenommen, es unterteilt in die, die sich Gedanken machten und den anderen, die sich keine Gedanken machten. Wie er jetzt auch. Er war jetzt auch einer von Ihnen. Die mehr Zeit haben, die mehr Lachen, denen es gut geht. Jeden Tag ein bisschen mehr. Dann und wann war er rückfallgefährdet. Nach den Oskarverleihungen, zum Beispiel. Aber er wollte es durchziehen. Und sie fragten ihn wie er sich denn informiere, wenn er keine Medien mehr zu sich nehme, man müsse doch wissen, was auf der Welt laufe, wie soll man sich sonst eine Meinung machen. Und er antwortete ihnen, es brauche Alkohol, wer saufen will, und er will sich nicht mehr täglich besaufen. Es gefiel ihm, Vergleiche mit Drogen-Entzug anzustellen. Er fühlte sich dann nicht allein.

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Autor: Rainer Kuhn

Rainer Kuhn (*1961) hat das ganze Ding hier gegründet, aufgepäppelt, fünf Mal neu erfunden, vorher Werber, noch vorher Betriebsökonomie studiert, noch vorher Tennislehrer gewesen. Dazwischen immer mal wieder ein Kind gemacht. Wollte eigentlich mal Pferdekutscher im Fex-Tal werden, später dann Pfarrer. Im Herzen ein Landbub, im Kopf dauernd unterwegs. Schreibt drum. Hat ein paar Gitarren und ein paar Amps in der Garage stehen. Macht Musik, wenn er Zeit hat. Hat er aber selten. Blues und Folk wärs. Steht nicht gern früh auf. Füllt trotzdem die Kult-Verteilboxen jeden Monat mehrmals eigenhändig auf. Fährt Harley im Sommer. Leider mit Helm. Mag Mainstream-Medien nicht. Mangels Alternativen halt Pirat geworden. Aber das ist manchmal auch streng.

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