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UND DER VAMPIR SAGT SECHS MAL SORRY

Sorry, aber mir ist es egal, ob die Sonne scheint. Ich begebe mich sowieso erst aus meiner Familiengruft, wenn der Tag vergangen ist. Und sich die Wolken am dunklen Himmel wie eine Schafherde zusammendrängen, die vom bösen Wolf gejagt wird – das schwächste unter ihnen wird dem grauen Jäger zum Opfer fallen. So ist unsere Welt.

Sorry, ich glaube nicht daran, dass es mir gut geht, wenn es Dir gut geht. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass zu viel warmes rotes Blut durch Deine Adern, durch Deine Arterien fliesst – und ich heute Nacht noch viel zu wenig von diesem ganz besonderen Saft getrunken habe. Deshalb werde ich Dich nun um so zwei, drei Liter erleichtern. Dann geht es mir wieder gut – und bei Dir geht halt gar nichts mehr.

Sorry, es stört mich überhaupt nicht, dass es Dir weh tut, wenn ich geniesse. Meine Beisser sind zwar ganz schön scharf, doch ich muss gewaltig in Deinen Hals eindringen, so ich eine jener pulsierenden Schlagadern erreichen will. Die ich dann mit meinen Fangzähnen zerfetze, bis sich Dein Blut – in reichem vollem Schwalle – in meinen Mund ergiesst, meine Zunge, meinen Gaumen, meine Speiseröhre kitzelt. Und mir in der Magengrube unten tiefe Befriedigung verschafft.

Sorry, ich habe kein Mitleid mit Dir. Genausowenig, wie Du mit den Schweinchen im Schlachthof Mitleid empfindest. – Während Du deinen Wurstsalat Hawaii verzehrst; mit einer Extraportion Sahne. Es ist schon so, wir beide haben zwei Augen, zwei Ohren, eine Nase und einen Mund, trotzdem sind wir keineswegs gleich. Es ist unser Appetit, der uns unterscheidet. Und der Appetit macht den Unterschied. Zwischen Täter und Opfer.

Sorry, Du weckst bei mir keinerlei Sympathien, wenn Du mir erzählst, dass Du Dracula-Fan bist, egal, ob Du Max Schreck, Bela Lugosi, Christopher Lee oder Gary Oldman in dieser Rolle bevorzugst. Ich pfeife auf Jean-Rollin-Aficionados, Karnstein-Schwelger – und auf Anne-Rice-Verehrerinnen sowieso. Auch falls Du vor allem jenen berühmten alten Brief- und Tagebuch-Roman von Bram Stoker schätzt – oder ein schönes Nosferatu-Poster von 1922 im Schlafzimmer hängen lässt -, kannst Du damit bei mir keineswegs Eindruck schinden. Dafür lache ich Dich höchstens aus. Für mich ist das, wie wenn die Kälblein ihren Stall gerne mit Bildern von Schlachthämmern und Bolzengewehren in Aktion verzieren würden: Irgendwie schräg. Denn ich bin Dein Schlachthammer!

Sorry, Deine trauernden Hinterbliebenen und Familienangehörigen machen mir keinen Eindruck. Ich gehöre nicht zu Deiner Familie. Meine Verwandten wurden von Bauerntölpeln, Fackeln in schwieligen Händen, durch die Nacht gejagt. Holländische Doktoren und Pfaffen aller Couleur haben uns Pfähle durch die Herzen gerammt, uns mit Spaten enthauptet, uns verbrannt, uns um unsere Unsterblichkeit gebracht.

Trotzdem hasse ich Dich nicht. Du hasst Dein Filet Wellington ja auch nicht, das da vor Dir auf dem Tellerchen liegt. Schön blutig.

Übrigens: Knoblauch hilft nicht! Das ist nur ein Gerücht…

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Autor: Christian Platz

Lebt in Basel. Arbeitet überall. Reist recht viel. Vor allem nach Asien. Und in den Deep South der USA. Verdient sein Geld seit über einem Vierteljahrhundert mit Schreibarbeiten. Vorher hat er als Pfleger in einer Irrenanstalt gewirkt. Hat mehrere Bücher veröffentlicht. Spielt seit 40 Jahren fanatisch Gitarre, zwischendurch singt er auch noch dazu. Schreibt unter anderem für Kult. Ist manchmal gut aufgelegt. Manchmal schlecht. Meistens so mittel. Sammelt Bücher, CDs, Filme, Artefakte. In einem psychisch leicht auffälligen Ausmass. Verfügt, bezüglich der Dinge, die er sammelt, über ein lexikalisches Wissen. Platz ist einerseits ein Wanderer auf dem Pfad zur linken Hand. Andererseits Neofreudianer mit Waffenschein. Liebt Blues und Voodoo, Rock'n'Roll und die schwarze Göttin Kali. Trinkt gerne Single Malt Whisky aus Schottland. Raucht Kette. Ist bereits über 50 Jahre alt. Macht einstweilen weiter. Trotzdem wünscht er nichts sehnlicher herbei als die Apokalypse.

WARNHINWEIS:
Dieser Mann tritt manchmal als katholischer Geistlicher auf, stilecht, mit einem besonders steifen weissen Kragen am Collarhemd. Dies tut er in gänzlich irreführender Art und Weise und ohne jegliche kirchliche Legitimation. Schenken Sie ihm - um Gottes Willen - keinen Glauben. Lassen Sie sich nicht von ihm trauen, ölen oder beerdigen. Lassen Sie sich von ihm keinesfalls Ihre Beichte abnehmen. Geben Sie ihm lieber Ihr Geld.

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