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Generation Firlefanz

Quelle: www.bene.com

Wieso nicht jeder einen trendy Beruf haben kann – Realitätscheck

Es gab einmal eine Zeit, da hatte man keine grossen Ansprüche an das Leben und an sich. Man hatte kein Facebook und Instagram, man konnte sich nicht ständig ansehen, wie kreativ, toll, abwechslungsreich, bewundernswert, einfach fantastisch, das Leben aller anderen ist. Man hatte keinen Zwang mitzuhalten, weniger Vergleichsmöglichkeiten. Vergleichen konnte man mit dem unmittelbaren Umfeld oder mit Leuten aus den Medien, die sowieso unerreichbar schienen. Ausserdem hatte man zwei gute Gründe, weitere gefühlte 100 Jahre seinen Beruf auszuüben: Sicherheit und Zufriedenheit im kleineren Rahmen. Man wusste noch nichts über Burnout, Depression, ADHS, Selbstverwirklichung. Und nein, das Leben ist heute nicht schwieriger, sondern weitaus einfacher als damals. Wir arbeiten nicht mehr körperlich schwer, sind abgesichert und verfügen über Unmengen von Hilfsmitteln, die uns den Alltag erleichtern. (Wer sich überfordert fühle, der lege jetzt sein Handy weg und gehe so der Erreichbarkeit und medialen Überforderung aus dem Wege.) Fragen wir doch unsere Grosseltern, ob diese immer zu essen hatten, nicht an Krankheiten gelitten haben, ob sie weniger schwer schuften mussten. Nur hatten sie eben keine Vergleichsmöglichkeiten. Weniger Informationen zur Verfügung haben bedeutete: Vieles nicht einordnen können, weniger verstehen, weniger hinterfragen. Da ging man halt 10 Jahre lang jeden Morgen in die gleiche Bude. Heute allerdings, ist jeder trendy, muss sein Hobby zum Beruf machen, selbstständig werden, eine Auszeit nehmen. Kurzer Realitätscheck: Leute, die sich eine Auszeit leisten können, haben entweder lange geschuftet und gespart oder haben Geld von ihren Eltern zur Verfügung. Man kann nicht einfach so jeden Tag machen was man will. Apropos Eltern: Unsere Eltern haben womöglich schwierige Zeiten erlebt, mussten jahrelang einem unbefriedigenden Job nachgehen. Natürlich ermutigen Sie uns, nicht dieseleben Fehler zu machen, unser ganzes Potenzial auszuleben, zu tun, was uns glücklich macht. Sie wissen nur zu gut, wie lange sich acht Stunden am Tag anfühlen können. So und durch das Internet, entstanden wir, die Generation, ich nenne sie mal, Firlefanz. Nur Flausen im Kopf. Wir, nach ewigem Glück strebenden, freiheitsliebenden, weniger arbeiten wollenden, Selbstverwirklicher. Leider ist die Gesellschaft noch nicht bereit für uns. Der Umbruch ist noch weit entfernt. In der Schweiz wehrt man sich für eine bessere Work-Life Balance, in Deutschland ist man uns schon voraus, arbeitet an freier gestaltbaren Arbeitsmodellen, weil man gemerkt hat, dass sich sonst jeder selbstständig macht. Wie auch immer, sind die Schweizer Unternehmen noch nicht bereit ihr patriarchales Schaffen aufzugeben. Was bedarf es also heute, um einem coolen, trendy Job nachgehen zu können? So effektiv seinen Lebensunterhalt zu verdienen? Es bedingt 4er Dinge: Talent, Leidenschaft gekoppelt mit Willenskraft und Fachissen.

Leute, die mit ihrer Kreativität erfolgreich sind haben ein Talent. Talent ist meist genetische Veranlagung und/oder die Förderung dessen in der Kindheit. Talent hat, wer Lob und Anerkennung für sein Schaffen bekommt. Am besten nicht nur von der Mama.

Niemand auf Facebook oder Instagram kann die Leidenschaft in einem wecken. Leidenschaft ist von Anfang an da. Von klein auf. Sie entsteht früh, vor allem aber, geht sie nie verloren. Leidenschaft funktioniert aus sich heraus und nicht aus falscher Motivation. Sie funktioniert nicht nur, weil man Vorbildern nacheifert. Dieses Nacheifern liefert nicht genug Benzin für den Motor Leidenschaft. Sie ist immer da und zwingt einen, sie auszuleben. Sie kommt ganz natürlich und aus dem tiefsten Innern. Sie ist der grosse Bruder der Willenskraft. Man braucht sie, wenn die Leidenschaft gerade demotiviert ist und einen Durchhänger hat. Wenn der Kopf nein sagt, wenn man versagt hat. Doch braucht man die Willenskraft niemals so oft, wie wenn man keine wahre Leidenschaft besitzt. Wenn ich etwas liebe, lasse ich es nicht einfach los.

Aufgrund dieser Leidenschaft sucht man sich eine Schulbildung, die die Leidenschaft und Willenskraft durch Wissen ergänzt. Es entsteht: das Fachwissen. Es dauert Jahre, um etwas richtig gut zu lernen. Da reicht es nicht einfach mal ein bisschen was zu produzieren. Natürlich sind da gewaltige Naturtalente, Glückspilze und Söhne von Jemandem, ausgeschlossen. So verhält es sich halt mit kreativen und noch so lässigen Berufen. Man kann eventuell ohne viel Wissen erfolgreich werden. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch klein dass man es schafft und wenn, dass man sich Dank grosser Anstrengung erfolgreich oben halten kann.

Jeder, der sich neue Hobbies sucht, sich neu entdecken will, sich auslebt, seinen Horizont erweitert, sollte unbedingt unterstützt werden. Wir sind es unserer Generation schuldig, dass wir uns selbst besser kennenlernen, uns lieben zu lernen, so zufriedener werden. Sich zu lieben heisst aber nicht, mit den 356 Facebook Friends mithalten zu müssen. Sich zu lieben heisst, zu wissen wer man ist, was man noch sein kann und was einen wirklich zutiefst erfüllt. Wir dürfen uns nur nicht blenden lassen von denen, die sich selbst schon gut genug kennen und lieben. Wir müssen uns nicht vergleichen. Der US-Amerikanische Politiker sagte schon vor mehr als hundert Jahren: “Comparison is the thief of joy.” Tipps und Ideen holen können und sollen wir uns von überall her. Nur imitieren sollten wir nicht. Wir müssen uns Zeit nehmen, um auch neben unserem Job. Erfüllt zu sein. Hobbies bereichern das Leben ungemein. Denn wie gesagt, sich finanzieren zu können von der Reise zu sich selbst, bedarf einiger Voraussetzungen, die leider nicht jeder erfüllt. Ein Hobby jedoch, kann jeder leidenschaftlich und gut ausüben. Wenn wir einmal herausgefunden haben, was wir wirklich brauchen, können wir auch erfolgreich sein. Alles sein, kann jedoch Niemand.

Ich danke jedem, der seinem Beruf treu bleibt, sein Handwerk nicht aufgibt, der Gesellschaft lange erlerntes Wissen nicht wieder wegnimmt. Jeder der zufrieden ist im Beruf, ist zu Höchstleistungen bereit und bringt unsere Welt einen Schritt weiter. Ich bewundere Menschen, die stolz sind auf sich, auch wenn sie nicht Fitnessmodel oder Schauspieler sind. Dies zeugt von wahrem Selbstbewusstsein, von Stärke, Sicherheit in sich selbst und vor allem etwas, dass heutzutage schwer zu finden ist: Durchhaltewillen und Kontinuität. Danke für euren Realitätssinn.

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Autor: Jelena Keller

Jelena ist von Beruf Journalistin und Sprachlehrerin, Schweizerin serbischer Abstammung. Sie mag lange Texte und langes Grübeln. Sie hat sich daran gewöhnt zu viel zu denken und zu wenig zu schlafen. Wenn sie gar kein Auge zumachen konnte sieht sie die Welt nüchtern und in einem Grauton. Wenn sie ausgeschlafen hat, wandert sie mit ihrem Hund auf grüne Berge, durch bunte Blumenwiesen und rosa Weizenfelder. Schreibt auch mal Gedichte und Kurzgeschichten, reist am liebsten um die Welt und probiert Neues aus. Sie meint tatsächlich, dass sich alle Probleme lösen liessen, wenn man sich nur ab und zu in die Lage des Gegenübers versetzen könnte. Walk in my shoes und so. Trotzdem versteht sie manche Menschen nicht. Die, die sich vor dem Leben und dem Tod fürchten und andere verurteilen. Aber von den meisten anderen denkt sie, sie seien alle Freunde, die sie bloss noch nicht kennengelernt hat.

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