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Ich im Aerial Yoga

Auf der Suche nach meiner ersten Aerial Yoga-Erfahrung, irrte ich verdattert durch die Räumlichkeiten von „Bambus Yoga Pilates“ in Uster. Prompt platzte ich ins Senioren Yoga und versaute den rüstigen Rentnern wohl gerade ihre wohlverdiente Savasana – oder gar den Lebensabend. Mit einem Oh-sorry-Gesicht schlich ich mich rückwärtslaufend aus der Tür. Eine Etage tiefer war ich dann richtig. Die Kursleiterin Esther Seitz begrüsste mich herzlich und verwies mich auf einen Platz in der Mitte des Raumes, den sie extra für mich reserviert hatte. „Aber das wäre doch nicht nötig gewesen“, flüsterte ich vor mich hin und lächelte beschämt in die Runde.

Das Champions League Halbfinalspiel Barcelona – Bayern hatte die Teilnehmerzahl der Männer wohl deutlich dezimiert an diesem Abend. Sprich, ich war der einzige Mann hier. Als hätte der Storch sie gerade gebracht, sassen die Frauen schon alle in ihren Tüchern, welche an der Zimmerdecke befestigt waren. Sie beobachteten mich, wie ich meine Haare zu einem Hipster-Dutt zusammenband. Ich erhoffte mir dadurch etwas mehr Zugang zu meiner weiblichen Seite und mehr Durchblick, falls ich kopfüber von der Decke hängen sollte. Pedro Almodovar hätte diese Szene nicht besser inszenieren können. Dem allgemeinen Dresscode Yogapants und Sport-Top trotzte ich mit FCZ-Shorts und T-Shirt. Ha…!

Esther forderte mich auf in mein Tuch zu sitzen. Das war gar nicht so einfach, denn das Ding hing etwas höher als meine Hüften. Nach einer kleinen zirkusclownreifen Nummer, sass ich mit zusammengepressten Beinen im Tuch und fühlte mich unbeschreiblich weiblich. Esther führte uns zielsicher in die erste Position. Das linke Bein ging nach hinten und wir sassen seitlich wie in einer Banane, wickelten wiederum unsere Beine ein und fächerten das Tuch in der Schultergegend auf. Das brachte uns in einen schwebenden Schneidersitz. Rund herum das grüne Tuch, wie in einem Kokon.

Während ich ganz eingehüllt in der Luft pendelte, überkam mich plötzlich ein Gefühl des Friedens. Wow, das ging aber schnell hier. Achtung, fertig, Geborgenheit. So muss sich wohl ein Embryo im Mutterleib fühlen. Alleine schon dieser Moment war es wert ins pittoreske Uster zu pilgern.

In den folgenden Übungen wähnte ich mich in einer Vorführung des Cirque de Soleil. Ähnlich wie bei einer Betriebsanleitung von IKEA, war es zwingend, dass man alles Schritt für Schritt genau befolgte, was Esther vorzeigte. Bei einem Griff ins Leere, würde man sich im Aerial Yoga schnell auf dem Boden der Tatsachen wiederfinden. Also war auch stets eine Portion Mut gefragt. Doch, machte man alles richtig, schwebte man auf einer Wolke dem Himmel entgegen.

Ich weiss gar nicht mehr, wie viele Male ich mich ein- und auswickelte, Luftpurzelbäume schlug oder gegrätscht und kopfüber in der Gegend hing, doch es fühlte sich immer prickelnd an – und die Aussicht im Spiegel erweiterte definitiv meinen Horizont. Vereinzelt jedoch, trieb der Anblick der Positionen, in denen wir verharrten sogar einem erfahrenen Mann wie mir die Schamesröte in die Birne. Aber can you say Luxusprobleme, wenn du wie Batman upside down im siebten Himmel hängst? Eben.

Esther erörterte uns die Übungen mit einer Selbstverständlichkeit, dass ich gar nicht daran zweifelte, ob sie funktionieren oder nicht. Ich vertraute ihr auch beim Mogli-Sitz, bei dem man längs auf dem zusammengerollten Tuch, wie auf einem Seil sitzt und so in die Entspannung geht. Dass ich dabei nicht runtergefallen bin, verstehe ich heute noch nicht. Slackline-Crash-Kurs lässt grüssen.

Die grösste Herausforderung stellte für mich jedoch die Figur „Superman“ dar. Da stellt man ein Bein angewinkelt ins Tuch, löst das noch verbleibende Standbein und pendelt dann in der Superman-Pose vor und zurück. Da muss man lernen loszulassen. Aber vor allem muss man mit männlicher Anatomie darüber entscheiden, ob man die werte Gerätschaft mit ins Tuch nimmt oder draussen lässt, bevor man volle Kanne den Superman gibt. Meine weibliche Intuition sagte mir „draussen“, und siehe da, sie hatte recht. Can you say Fifty-Fifty-Chance?

Nach einem schönen Schlussbouquet aus viel Anspannung, gingen wir, jeder in seinem privaten Kokon, in die Savasana und pendelten uns in Richtung Nirwana. Selig hing ich da, rechnete jedoch jederzeit damit, dass ein verirrter Rentner reinplatzt. Can you say Karma-Strike-Back?

Vielen Dank Esther für die freundliche Einladung. Es war nicht nur himmlisch, sondern auch das perfekte Warm-up fürs Sofaflätzen, während dem anschliessenden Champions-League Halbfinal. Ole Ole Namaste.

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Autor: Midi Gottet

Midi Gottet ist 47 und war in diesem Leben schon Vegetarier, Alkoholiker, ein militanter Nichtraucher, Zauberkünstler in Vegas, Handmodel in Paris, Velokurier in Manhatten, Vater, Sohn und Heiliger Geist, vor Gericht wegen Verletzung religiöser Gefühle, im Knast, Sozialfall, die linke Hand von Rainer Kuhn, Stand-up Comedian, Präzisions-Schauspieler, Eden-TV-Moderator, Kolumnist, Autor, Poet, ein Singing Pinguin, ein schwules Murmeltier, Dr. Fleischmann, der DRS3-Rajiv, die Thomy-Senftube, der Schöpfer von "Handirr im Poulet speutzt", Ehemann, glücklich geschieden, eine Sportskanone, ein wenig impotent, ein Electric-Boogie-Tänzer, labil, ein Triebtäter, ein Erdengel, ein Schutzengel, ein Fussfetischist, ein Muttersöhnchen, ein Coop-Supercard-dabei-Haber, Götti, Onkel, Tante, das "Ich bin das ich bin", ein Orgasmusvortäuscher, betrieben, hoch verschuldet, tief verletzt, stinkreich, ein bornierter Snob, abgefuckt, demütig, reumütig, übermütig, übermüdet, klinisch tot, wieder wie neu, ein Drittel des Trio Eden, die Hälfte von Gottet & Landolt und ein Ganzes von Midi Gottet und somit die Summe seiner Höheren Selbste.

Danke für ihre Aufmerksamkeit.
(Wenn sie sich die Zeit genommen haben, diese Bio bis hierher zu lesen, haben sie kein Leben)

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