Ein wilder Mann schwingt sein Tännchen durchs Wohnzimmer. Wie eine Peitsche mit Nadeln. Mutter Mitternacht hat ihren mächtigen, ihren wundervollen Hintern blank gemacht. Sie lässt das Prachtstück wackeln, zittern, beben; à la Pudding zunächst, dann im französischen Stil und schliesslich ganz hemmungslos brasilianisch.
Denn denkt daran, Ihr lieben Menschenkinder, Anstand ist das Allerwichtigste in diesen festlichen Zeiten, doch auch fein säuberlich gepflegte Wixgriffel gehören zum Pflichtprogramm.
Posaunen
Draussen dröhnen die Posaunen vom Nachthimmel. Jetzt wird das neugeborene Schaf geschlachtet, schmerzlos, mit einem goldenen Messer, wie es die Vorschrift besagt. Während die Wolken Tangram spielen.
Unter allen Dächern herrscht frivoler, ja schlüpfriger Frohsinn. Alle machen alles, was sie wollen. Weil es draussen kalt ist. Während Zimmerwärme zum Übermut, zu Übertreibungen, Überschreitungen anregt.
Und zur Pyromanie.
Musik!
Natürlich darf dabei die Musik nicht fehlen, wir empfehlen dieses Jahr «New Orleans» (von Idris Muhammad), für den Striptease der Engel, «Chug Chug Chug A-Lug» (von den Meters), für die hemmungslos variantenreiche Fleischschau, die darauf zu folgen pflegt, und «Miles Runs the Voodoo Down» (von Miles Davis), für den Hauptgang.
Heute, in der lauten Nacht, wollüstigen Nacht, tragen die Herren falsche Tigerfelle, die Damen tragen alle das «Elastic Cage Zipper Chemise» (von Dreamgirl) und die 501 Sexy Shoes (von Ellie Shoes).
Was kann man sich Schöneres vorstellen? Was kann man sich Besseres kaufen? Was könnte denn heiterer sein?
Seliges
Nun schreiten die Herren zu den Höhlen, mit brennenden, tropfenden, unterarmlangen Bienenwachskerzen in festen Händen; das Glück leuchtet in ihren Augen, seliges Lächeln umspielt ihre Lippen. Fest werden die Kerzen in den Höhlen verankert.
Tief holen die Damen Luft, ihre Herzen schlagen einen funky Samba – ach, ihr Feuerwerke einer Winternacht –, um dann zu singen, das Lied vom Heiligen Fähnrich Perdurabo, Meister des kleinen Todes. Während Kerzenwachs in die Täler tropft und auf die Hügel.
Onkel
Der Onkel im Paradies hat es so angeordnet, im November bereits. Die Hohepriesterinnen vom Braunwald haben seinen Willen wie immer entschlüsselt, durch ihre jährliche Befragung des Schokoladenorakels, welches in jenen unauslotbaren Kratertiefen wirkt und webt, dessen Wächterinnen die Hohepriesterinnen seit Menschengedenken sind.
Doch das Schürfen nach der braunen Heilsmaterie ist die Arbeit der Akolythen – hier allesamt glückliche Zwerge mit dienstbaren Gliedern.
Und, ob sie es glauben oder nicht, das Korrekturprogramm will das Wort Hohepriesterinnen einfach nicht annehmen, es verwandelt den Ausdruck dauernd in seine männliche Form.
Höchste Zeit, den Laptop zu zertrümmern: «He Schatzilein, hol den Gnadenhammer aus der Werkzeugkiste. Bitte. Ich kümmere mich nachher auch um Deine Cocktailkirsche.»
Schlawiner
Natürlich gibt es Schlawiner, die jene Heilige Nacht nach ihrer eigenen Facon feiern, auf das Orakel pfeifen, was diesem wiederum herzlich egal ist.
Otto und Olga feiern beispielsweise indem sie Armdrücken spielen, auf einem schön gedeckten Tisch, der mit glitzernden Scherben übersäht ist, weiss und rot sind ihre Farben.
Tanith hingegen kniet gerne auf einer Arme-Sünder-Bank, während der liebe Alois vor ihr steht. Ein Augenpaar sticht ins andere. Vanille-Creme und Sekt fliessen in Strömen.
Pantagruel und Carmilla essen ihrerseits zunächst Feuerpilze, um dann im Stroh zu turnen, dafür brauchen sie keinerlei Stoff, manchmal kommen allerdings geschmeidige Hanfseile zum Einsatz sowie wertvolles Kokosnussöl.
Der Onkel im Paradies ist ein grosszügiger Zeitgenosse, sein Grundsatz lautet Leben und Leben lassen. Schliesslich gehorcht auch er nur der grossen Mutter, die das Sein und das Nichts regiert, mit den Zuckungen ihres Schosses. Er freut sich über die unterschiedlichen Vibrationen des Feierns, des Festens.
Ihm ist ohnehin immer ganz warm ums Herz.
Am Fernsehen läuft in diesen herrlichen Tagen dauend ein Klassiker, «Il Chiave» (von Tinto Brass) nämlich. Der Schlüsselfilm zur Saison.
Gesetzesbruch
Und überall werden fröhlich Waren vernichtet, wobei das progressive Moment nicht in der Zerstörung an sich liegt, sondern in der Kriminalität der Tat, im Gesetzesbruch.
Die Märtyrerinnen und Märtyrer werden im Morgengrauen zu den Scheiterhaufen ziehen, härene Hemden an geschundenen Leibern. Hoffnungsfroh.
Nachdem sie die ganze Nacht gefickt, geleckt, geblasen haben. – Auch das ist Liebe!
Neue Horizonte öffnen sich. Marschiert los, Armeen des Lasters, ins Blitzlichtgewitter der Zukunft! Denn selig sind jene und heilig, die teilhaben.
Am Tag des Lotterlebens, am Tag des Lumpengesindels.