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Watergate, Woodward und Trump: «Macht ist Angst»

Er selbst versteht sich nur «als einen Reporter». Doch seit über fünfzig Jahren ist Watergate-Enthüller Bob Woodward ein «Präsidentenschreck». Jetzt jagt er mit «Fear» Donald Trump Angst ein.

Der gegenwärtige amerikanische Präsident sehe sich als den «Ernest Hemingway der 140 Zeichen», darum fände er es blöd, dass Twitter plötzlich längere Tweets mit 280 Zeichen erlaube. Es geht noch abstruser: Der «erfolgreichste Präsident aller Zeiten» lässt sich die nächtlichen Posts mit der grössten Reichweite am nächsten Morgen im Oval Office ausdrucken. Nicht nur Literaturnobelpreisträger Hemingway käme bei so viel Selbstverliebtheit auf die Idee, sich erneut zu Tode zu trinken. Und dann wäre da noch das Zitat des ehemaligen Stabschefs von Donald Trump, Lance Priebus, dass es kein Wunder sei, dass wenn man eine Schlange, eine Ratte, eine Robbe, einen Falken, einen Hai und eine Robbe in einen Zoo ohne Wände stecke, die Dinge unerfreulich und blutig enden würden. Für den politischen Enthüllungsjournalisten Bob Woodward war die Begegnung oder Nicht-Begegnung mit Donald Trump kaum vermeidbar.

Kopfschütteln

Der 75-Jährige amerikanische Journalist ist seit den 70er Jahren nach dem Aufdecken des Watergate-Skandals ein Star. Obwohl der Anwaltssohn aus Illnois Autor oder Mitautor von inzwischen 18 Büchern ist (acht davon über Präsidenten), hat wohl noch keiner seiner Buchtitel den Nagel so auf den Kopf getroffen, wie der aktuelle: Schon bevor «Fear. Trump in the White House» erschien, löste das Buch nicht nur in Washington Angst und heftige Reaktionen aus. Die Veröffentlichung eines Telefonmitschnitts in dem Woodward und Trump darüber sprachen, warum es mit einem Interview für das Buch nicht geklappt hatte, sorgte schon im Vorfeld der Veröffentlichung für Aufsehen und Kopfschütteln.

Am Telefon mit Woodward bleibt Präsident Trump allerdings cool. Er habe viele Sekretärinnen, mehrere Büros und gleichzeitig wisse er nicht, ob er von der Anfrage der Journalisten-Legende gewusst oder eben nicht gewusst habe. Klar ist aber, die Wirtschaft laufe «super »und ein weiteres «schlechtes Buch» über ihn störe ihn nicht.

Hauptsache: «Leute umbringen»

Amerikanische Verlage sind gut darin, ihre Bücher unter Verschluss zu halten. Die Neugier anzuheizen, bis der Veröffentlichungstermin da ist. Trotzdem kritisierte die New York Times den hölzernen Stil der 420 Seiten schon im Vorfeld und vermisst, dass Autor Woodward Parallelen zum Nixon-Skandal zieht. Ob hölzern oder nicht, es gibt es viele beunruhigende Momente in «Fear»: So wird Trump zitiert, wie er über den Afghanistan-Konflikt sagt: «Ihr sollt Leute umbringen. Es braucht keine Strategie, um Leute umzubringen.»

Mit dem einfach so «Leute umbringen» hat es Bob Woodward nicht so. Nach einem kurzen und sehr umstrittenen Ausflug ins Showbusiness in den 80ern, als er im Buch «Vice» die eskalierende Drogensucht von John Belushi beschrieb, hat er alle kriegerischen Konflikte der Amerikaner seit Vietnam beleuchtet. Dabei geriet er immer wieder unter die Räder. An Kritik seit der Nixon-Ära gewohnt, sagt er in einem Interview in einer Journalismus-Klasse: «Watergate hat bewiesen, dass es richtig war tiefer und genug Zeit mit dem Erarbeiten der Stories zu verbringen, um die Wahrheit so vollständig und ehrlich wie möglich zu darzustellen. Hoffentlich wird das so weitergehen.» Woodward hofft vor seinen Studenten weiter, dass der Enthüllungsjournalismus dem «24-Stunden News-Zyklus und dem Internet trotzen kann.

Unamerikanisch

Für den 1943 geborenen Anwaltssohn war biografisch alles vorgespurt. Danach gefragt, warum er Journalist geworden sei, antwortet er vor Studenten, er sei auf den Geschmack gekommen, als er in der Kanzlei seines Vaters in der Nacht geputzt habe. In einem Anwaltsbüro habe er da immer in den Akten stöbern und nach Geheimnissen suchen können. Wieviel er er dann wirklich geputzt hat, bleibt unklar. Obwohl er mehr als vierzig Jahre lang die inneren Zirkel der Macht in Washington kritisierte und die umstrittenen Militäreinsätze der Amerikaner anprangerte, gelang es ihm allen Versuchen ihm «Unamerikanismus» vorzuwerfen zu trotzen.

Eigentlich ein Wunder, den offensichtlich mag Amerika Militäreinsätze und der Vorwurf einer «unpatriotischen» Gesinnung funktioniert eigentlich immer. Aber Woodward, eigentlich ein Republikaner, schaffte es über vier Jahrzehnte lang seine Integrität zu bewahren. Das kommt nicht von ungefähr: Fünf Jahre diente er nach dem Studium in Yale in der Navy und leistete dabei wohl länger Militärdienst als die republikanischen Präsidenten, Ronald Reagan, George W. Bush und Donald Trump zusammen. Vater Bush sei hier ausgenommen. Seine Nähe zu Militär und CIA hielt er ziemlich weit von sich fern. Bush Senior verfolgte eher eine Politik der Entspannung.

Trotz fast fünf Jahrzehnten kritischer Arbeit bestehen nur wenig Zweifel an der Seriosität der «amerikanischen Journalisten-Legende», wie die Medien den Vater zweier erwachsener Töchter gerne etikettieren. Zwar unterstellen konservative Kreise Woodward, er habe sich schon 1970 als Marine-Leutnant an Mark Felt von der CIA herangemacht. Felt, später enttäuscht, dass er nicht Direktor des amerikanischen Geheimdienstes werden durfte, wurde zum Informanten «Deep Throat», der die Watergate-Affäre ins Rollen brachte.

Die ganze Wahrheit

Am meisten schrieb der republikanisch ausgerichtete Star-Reporter über George W. Bush (vier Bücher). Zuerst war Woodward begeistert von der Bush-Administration. Um dann zunehmend ernüchtert festzustellen, dass die Administration den Irak-Krieg um jeden Preis führen wollte, auch wenn sich die Vorwürfe, Diktaktor Saddam Hussein sei daran angereichertes Uran zu importieren, um eine Atombombe zu bauen sich nie erhärten liessen. Den Irak-Krieg schätzte Woodward schliesslich als Debakel ein und er kritisierte Bush hart: Der Präsident strahle einen «grundlosen Optimismus» aus und habe dem Volk nicht die Wahrheit gesagt. Das gleiche gelte auch für den Militäreinsatz in Afghanistan. Woodward geht mit der Politik der USA in Südostasien hart ins Gericht. Weder die Bush-, Clinton oder Obama-Administration bekommen die Lage in den Griff.

Einem Debakel entkam Rechercheur Woodward nur knapp, als es um die Identität der CIA-Agentin Victoria Plame ging. An einer Senatsanhörung musste er zugeben, ein Staatsgeheimnis gekannt zu haben. Er räumte ein, eine Verfehlung begangen zu haben. Mit Drohkulissen umzugehen, hat Woodward allerdings gelernt. Schon bei Watergate baute die republikanische Regierung grossen Druck auf. Im Interview sagt er zu Nachwuchsjournalisten, Carl Bernstein und er seien nicht immer sicher gewesen, ob die ganze Wahrheit ans Licht kommen würde: «Katherine Graham, die Verlegerin der Post damals, fragte mich einmal, ob ich glaube, dass die ganze Wahrheit über Watergate rauskommen würde. Ich sagte, dass Carl und ich denken würden, die ganze Wahrheit käme nie raus, denn die Verschworenheit im Weissen Haus und innerhalb der Nixon-Kampagne funktionierte sehr effizient.»

In den höchsten Zirkeln

Der Status des Star-Journalisten erlaubte Woodward immer wieder Zugang zu den höchsten Zirkeln der amerikanischen Macht. So gab ihm Alan Greenspan persönlich Einblick in Akten und Transkriptionen für sein Buch über die amerikanische Notenbank, Federal Reserve. Umstrittener dagegen war das Vorgängerwerk über den höchsten amerikanischen Gerichtshof, den Supreme Court. Auch sein Umgang mit George W. Bush, der sich in seinen beiden Amtszeiten gleich elf Stunden von Woodward interviewen liess, sorgte für Kritik etwa von Seymour Hersh, Rivale und Enthüllungsjournalist der New York-Times, der immer wieder meinte, Woodward berufe sich zu oft auf anonyme Quellen.

Der trockene Stil und der Faktenreichtum in Woodwards Büchern wurde immer wieder diskutiert, gleichzeitig gelang es seinen Kritikern nie, Woodward zum Schweigen zu bringen, obwohl er etwa die Streitigkeiten der Clinton-Administration, was die Wirtschaftspolitik anging, dokumentierte oder Barrack Obama für seine zögerliche Haltung im Afghanistan-Krieg kritisierte. Bei so viel Leidenschaft ist es vielleicht kein Wunder das der Reporter 1989 mit Elsa Walsh ebenfalls eine Journalistin heiratete.

Hinter den Kulissen der Macht

Der Blick hinter die Kulissen der Trump-Administration zeigt nicht nur den eigenartigen Umgang des Präsidenten mit seinen Tweets. Woodward wirft in «Fear» auch einen Blick auf die Finanzen des Präsidenten. Ungeklärte Kredite bei einem Hotel in Chicago, Streitereien und Panik während der Präsidentschaftskampagne als Hilary Clinton fünfzig Milllionen Dollar Spenden gesammelt hatte. Dann ist da noch der Umgang mit seinen Beratern rund um die Russland-Affäre. Die Trump-Administration beschreibt sich selbst dank der vielen Entlassungen als «Crazytown». Während sich Trump nun vor «Fear» fürchtet, stammt der Titel vom Präsidenten selbst, danach gefragt, wie er Macht beschreiben würde, sagt er: «Ich wage es fast nicht zu sagen: Macht ist vor allem eins: Angst».

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Autor: Andy Strässle

Andy Strässle umarmt Bäume, mag Corinne Mauch und verleugnet seine Wurzeln: Kein Wunder, wenn man aus Blätzbums stammt. Würde gerne saufen können wie Hemingway, hat aber immerhin ein paar Essays über den Mann zu stande gebracht. Sein musikalischer Geschmack ist unaussprechlich, von Kunst versteht er auch nichts und letztlich gelingt es ihm immer seltener sich in die intellektuelle Pose zu werfen. Der innere Bankrott erscheint ihm als die feste Währung auf der das gegenwärtige Denken aufgebaut ist und darum erschreckt es ihn nicht als Journalist sein Geld zu verdienen.

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